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Sägen und Segen

Pfarrer Josef

Es ist Sonntagvormittag in einem beschaulichen Bergdorf irgendwo in Bayern. Die Gemeinde ist zur Sonntagsmesse zusammengekommen. Und plötzlich: Menschen stürzen voller Panik aus der Kirche, das Gedränge ist groß. Frauen und Kinder werden beinahe von den schieren Massen an Leibern zerdrückt. Ehemänner und Väter bahnen ihrer Familie einen Fluchtweg mit vollem Körpereinsatz.

“Der ist ja völlig IRRE!”, schallt der Ruf eines Kirchgängers aus der Meute.

Nach nur fünf Minuten hat sich der aufgewühlte Mob in alle Winde zerstreut. Zurück bleiben nur einige zerrissene Jacketts und Trachtenhüte. In die weit geöffneten Flügeltüren der Kirchenpforte tritt der neue Priester der Gemeinde. Pfarrer Josef.

Der gebürtige Delmenhorster wurde direkt nach seiner Ausbildung und Weihe in Osnabrück in dieses mickrige Kaff geschickt. Und nun läuft direkt sein erster Gottesdienst schief!

Er versteht die Welt nicht mehr. Dabei war alles doch so wunderbar gelaufen! Die Kinder haben tüchtig mitgesungen, die ganze Gemeinde hat in andächtiger und trotzdem feierlicher Stimmung die Kommunion empfangen und zum Abschluss…


Zugegeben, diese Geschichte ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Welche Dorfkirche ist heute noch voll? Spaß beiseite! Was ist denn hier passiert?

Das Ä

Es geht um sogenannte Aussprachevariationen beim Ääääh. – Nein, ich denke nicht nach worum es gehen soll, es ist wirklich das Ä gemeint! – Einige Leser*innen werden nun stutzen und mir erklären, dass ich gefälligst Deutsch lernen solle. Das Ä ist ein ganz normaler Buchstabe und gehört eben mit dazu! Was kann denn hier unklar sein!?

Genau darum geht es! Das Ä ist ein Buchstabe in unserer schönen, deutschen Sprache. Nun besteht Sprache aber nicht nur aus dem geschriebenen Wort, sondern auch aus … der Sprache … ich meine natürlich dem gesprochenen Wort. Also aus Lauten. An dieser Stelle wird es knifflig, denn wer sagt: “Wir schreiben, wie wir sprechen”, der hat – mit Verlaub – eine wirklich komische Aussprache.


Wir sprechen, wie wir schreiben?

Der bekannte Buchautor, Sprachkritiker – Oder Sprachretter, je nach persönlicher Präferenz – und Verfasser der Spiegelkolumne “Zwiebelfisch” stellt den Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache anhand von Satzzeichen äußerst unterhaltsam dar:

Bastian-Sick-Show: Restaurantbesuch

Die gesprochene Sprache besteht aus Lauten (Sprachwissenschaftler sprechen von sogenannten Phonemen), aus denen wir Wörter zusammensetzen. Es gibt übrigens weit mehr Laute, die zur Kommunikation genutzt werden können, als wir im Deutschen überhaupt haben! Ein sicherlich bekanntes Beispiel ist das englische th – für die Eingeweihten: [ð] oder [θ] – aber es gibt noch weit abenteuerlichere Laute!

Dazu zählen etwa sogenannte Klick-Laute, wie sie in den Sprachen des südlichen Afrikas vorkommen. Hier ein Beispiel: [!]

Postalveolarer Klick

Das ist ja alles furchtbar spannend, ABER was hat das mit der deutschen Sprache zu tun? Wir sprechen immerhin alle dieselbe Sprache in Deutschland und haben keine “komischen Klick-Laute”. Aber sprechen wir alle wirklich dieselbe Sprache? Es gibt das allseits beliebte Amtsdeutsch, Hochdeutsch, Jugendsprache, Einfache Sprache, Gebrochen-Deutsch, regionale Dialekte und und und…


Wer sich für Dialekte interessiert, kann gerne hier vorbei schauen. Es geht um Aussprachevariationen beim Anlaut, genauer um das Wort: Kemie – Nein! Schemie… Oder Chemie?


Regional ist unser Stichwort!


Wer es etwas genauer wissen will, kommt hier zur wissenschaftlichen Analyse und hier zu Literaturhinweisen.