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Abbildung: Gender discrimination

Liebe Leser*innen!

Was ist ‘gendergerechte Sprache‘ und wofür brauchen wir sie ?

Ein Vater fährt mit seinem Sohn im Auto. Sie verunglücken. Der Vater stirbt, der Sohn wird schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert und muss operiert werden. Der Arzt kommt, aber sagt: „Ich kann nicht operieren. Dies ist mein Sohn.”

Elsen 2020: 76.

Aha! Bestimmt hattet ihr denselben Gedanken, als ihr euch zum ersten Mal die Geschichte durchgelesen habt.

Zunächst glaubt man, dass es sich beim Arzt um eine männliche Person handelt. Doch der letzte Satz „Ich kann nicht operieren. Dies ist mein Sohn!“ gibt Aufschluss darüber, dass es sich hier um eine Ärztin handelt. Doch warum steht dann dort „Arzt“, wenn es eigentlich eine „Ärztin“ ist?

Gerade dieses Phänomen lässt sich in Schrift und Sprache des Öfteren beobachten und führt zugleich zu Verwirrungen und Missverständnissen.

Falls ihr nun denkt, dass dies nur ein Zufall ist, so schaut euch das nächste Beispiel an:

Jeder Lehrer macht einen guten Unterricht.

Auch hier ist häufig der erste Gedanke, es handelt sich um männliche Lehrer die einen guten Unterricht machen. Doch was ist, wenn es sich hier um Lehrerinnen handelt, die einen guten Unterricht gestalten?

Es zeigt sich, dass sich die Sprache auf unser Denken auswirkt, sodass es schnell zu sprachlichen Diskriminierungen kommen kann. Missverständnisse, Voreingenommenheit oder auch Unsicherheit spielen oft eine Rolle.

Diese werden hervorgerufen durch das ‘generische Maskulinum’. Durch das ‘generischen Maskulinum’ werden maskuline (männliche) Substantive oder Pronomen eingesetzt, worunter Männern als auch Frauen fallen.

Allerdings zeigt sich, dass das ‘generische Maskulinum’ nicht immer geschlechtsneutral ist, wie so oft angenommen wird.
Bereits anhand den beiden Beispielsätzen konnte verdeutlicht werden, dass hier mehr an Männer gedacht wird, als an Frauen.

Um allen Geschlechter in Sprache und Schrift mit Anerkennung und Respekt entgegen zu kommen, benötigen wir eine ‘gendergerechte Sprache’.

Die einen verdrehen die Augen und die anderen lehnen aufgrund von Unsicherheit die ‚gendergerechte Sprache‘ ab. Bevor du also wegklickst, schaue dir doch erst einmal ein Video dazu an.

Gendern: Das sagen Kinder

Gendern in der Sprache – daran scheiden sich die Geister (und Geistinnen!) 👻

Gepostet von Deutschland3000 am Donnerstag, 25. Juni 2020
https://www.facebook.com/Deutschland3000/ – Gendern in der Sprache – daran scheiden sich die Geister (und Geistinnen!)

Vielen Menschen ist bis heute nicht bewusst, wie sehr sich althergebrachte Denkweisen, Hierarchisierungen und verfestigte Geschlechterrollen auf das Sprachsystem und Verhalten auswirken.

Gerade aus diesem Grund ist es wichtig, die vielfältigen Geschlechter in unserer Gesellschaft in unserem Sprach- und Schreibgebrauch wahrnehmen und benennen zu können.

Lange Zeit war man der Auffassung, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Doch neben einem ‚weiblichen‘ und ‚männlichen’ Geschlecht können noch weitere Geschlechter manifestiert werden.

Um diese Selbstverständlichkeit der zwei Geschlechtsklassen zu unterbinden, ist zwischen gender und sex zu unterscheiden.

Handelt es sich um das biologische Geschlecht, so spricht man von sex.

Ist die Rede von gender, so wird hier auf das soziale Geschlecht Bezug genommen.

Unter dem sozialen Geschlecht bezeichnen wir Eigenschaften, die in einer Kultur für typisch weiblich oder typisch männlich angesehen werden.  Mit gender werden vermeintliche geschlechterspezifische Fähigkeiten oder Rollenbilder in Frage gestellt.

Damit du eine bessere Vorstellung für die Unterschiede von Geschlechtern und Geschlechtsidentitäten erhältst, stelle ich sie nun kurz vor:

  • Intersex- Personen:

Intergeschlechtliche Personen sind Menschen, bei denen das biologische Geschlecht nicht eindeutig als männlich oder weiblich zugeordnet werden kann, da sie Geschlechtsmerkmale beider Geschlechter besitzen. Weitere Bezeichnungen für die Intergeschlechtlichkeit sind Intersexualität oder Varianten der Geschlechtsentwicklung. In der Medizin wird der Ausdruck “disorders of sex development” (DSD) verwendet. Seit Dezember 2018 besitzen intersexuelle Menschen in Deutschland die Option, außer den Geschlechtern ‚männlich‘ und ‚weiblich‘, ‚divers‘ im Personenstandsregister zu wählen (vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2020: intergeschlechtliche Menschen).

  • Transgender:

Die Bezeichnung Trans* stellt einen Oberbegriff dar, der Menschen bezeichnet, die sich nicht oder nicht ausschließlich mit ihrer zugewiesen Geschlechtsklasse identifizieren können. Zu ihnen zählen auch Personen, die eine geschlechtsangleichende Behandlung anstreben und unternommen haben (vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2020: intergeschlechtliche Menschen).

„Trans* sind beispielsweise “Mann-zu-Frau” Transsexuelle oder “Frau-zu-Mann” Transsexuelle, aber auch Menschen, die sich geschlechtlich nicht verorten (lassen) möchten. Das Sternchen in der Bezeichnung soll Raum für verschiedene Identitäten lassen […]” (Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2020).

  • Geschlechtsfreie Menschen:

Unter den geschlechtsfreien Menschen sind Personen zu verstehen, die sich zu keinem Geschlecht zuordnen lassen wollen (vgl. Kotthoff 2018: 13).

Wie du bereits bemerkt hast, verdeutlichen die zwei Beispielsätze wie auch das Youtubevideo, dass die männliche deutsche Schrift nicht „neutral“ sein kann. Gerade aus diesem Grund müssen wir eine gendergerechte und – neutrale Sprache schaffen.

An dieser Stelle treten die häufigsten Zweifel auf, da sich nun mehrere Möglichkeiten anbieten, wie gendergerechte Sprache aussehen kann.

Keine Panik! Ich zeige dir, welche Methoden du anwenden kannst und worauf du achten musst.

1.         Geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen

Um alle Geschlechter gleichermaßen benennen oder ansprechen zu können, bietet es sich an, eine geschlechtsneutrale Personenbezeichnung zu wählen.

So heißt es zum Beispiel:

„Für eine Umfrage wurden Studierende der Universität Oldenburg befragt.“

In diesem Fall dient das Wort „Studierende“ als Oberbegriff und meint damit alle Studentinnen und Studenten der Universität Oldenburg. Es handelt sich um ein Partizip 1, wodurch die männliche er- Endung und weibliche in- Endung wegfallen. Durch die genderneutrale Personenbezeichnung werden alle Geschlechter repräsentiert. Zu beachten ist, dass im Plural nur geschlechtsneutrale Bezeichnungen vorhanden sind. Die Formen Maskulinum und Femininum fallen hier zusammen.
Da es allerdings nicht immer eine genderneutrale Begriffsbezeichnung im Deutschen gibt, kann ebenso mit einer Doppel- oder Beidnennung gearbeitet werden (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung o.J.).

2. Die Doppel- oder Beidnennung

Bei der Doppel- oder Beidnennung stehen die Geschlechter ‚weiblich‘ und ‚männlich‘ als sogenannte Paarform gegenüber. Oftmals wird diese Verwendung bevorzugt, wenn es keine genderneutrale Personenbezeichnung gibt (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung o.J.).

Somit heißt es dann:

„Für eine Umfrage wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Oldenburg befragt.“

Hier wird durch die er/innen- Endung auf das männliche und weibliche Geschlecht Bezug genommen.

3. Beidnennung mit Schrägstrich oder Klammer

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, zwischen der Benennung zweier Geschlechter einen Schrägstrich oder eine Klammer zu setzen (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung o.J.).

Dann heißt es:

„Für eine Umfrage wurden Mitarbeiter/-innen der Universität Oldenburg befragt.“

„Für eine Umfrage wurden Mitarbeiter(innen) der Universität Oldenburg befragt.“

An die Grundform wird das feminin markierte „innen“ angeführt und durch die Klammer oder Schrägstrich getrennt. Diese Formen werden auch als sogenannte Abkürzung für Doppelformen verstanden.

4. Das Binnen- I

Das Binnen-I kann dann verwendet werden, wenn alle Geschlechter in einem Wort/Begriff zu erfassen sind (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung o.J.). Diese Schreibweise zählt ebenfalls unter der Abkürzung für Doppelformen.

 Folglich heißt es dann:

„Für eine Umfrage wurden alle MitarbeiterInnen der Universität Oldenburg befragt.“

Innerhalb eines Wortes wird an die männliche er -Endung die weibliche Innen- Endung angehängt. Führt allerdings das Weglassen der Endung “Innen” zu inkorrekten Wortformen, so sollte auf eine andere Schreibweise zurückgegriffen werden. Vor dem Binnen-I ist ein “glottaler Stop” zu setzen. Durch die kurze Pause wird akustisch die männliche Form von der weiblichen Form abgehoben.

5. Der Unterstrich

Auch bei der Variante des Unterstrichs werden alle Geschlechteridentitäten angesprochen. Dabei ist der Unterstrich als eine Leerstelle zu verstehen, wodurch sich der Name gender_ Gap (gap = Lücke) etablierte (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung o.J.).

Es heißt dann:

„Für eine Umfrage wurden alle Mitarbeiter_innen der Universität Oldenburg befragt.“

Gesprochen wird der Gender- Gap als ein Glottisschlag, die durch eine kurze Pause einhergeht.

6. Der Genderstern

Beim Genderstern * handelt es sich ebenfalls um eine gendergerechte Möglichkeit, bei der alle Geschlechter erwähnt werden. „Der Genderstern nutzt das Symbol des Sterns als Platzhalter und Stellvertreter für Menschen, die sich nicht in dem binären Geschlechtermodell und der zugehörigen Sprache wiederfinden” (Bundeszentrale für politische Bildung o.J.).

 Demnach heißt dann:

„Für eine Umfrage wurden alle Mitarbeiter*innen der Universität Oldenburg befragt.“

Auch der Genderstern wird bei der Aussprache mit einem glottalen Verschlusslaut (Pause) wiedergegeben.

Wie ich bereits verdeutlicht habe, gibt es nicht immer eine geschlechtsneutrale Bezeichnung, sodass auf andere Schreibweisen zurückgegriffen werden muss. Bei der Doppel- oder Beidnennung wirkt der Text länger und spricht auch keine geschlechtsfreien Menschen an. Auch bei der Beidnennung mit Schrägstrich oder Klammer kann es zu grammatikalischen Schwierigkeiten kommen, wie beim Wort „Pati(nn)en“. Trotz der Betonung der Binarität bei der Schreibung des Binnen-I werden andere Geschlechter nicht mitangesprochen. Zudem erfolgt des Öfteren die Kritik, dass die Großschreibung im Wortinnern keiner korrekten Rechtschreibung entspricht und in der gesprochenen Sprache keine Verwendung findet. Achte ebenfalls darauf, dass bei flektierten Formen oder bestimmten Artikeln die Schreibung des Unterstrichs nicht in Anspruch genommen werden kann (einem_r oder Paten_innen). Probleme lassen sich auch im Einsatz des Gendersterns beobachten, sobald ein Umlaut gebildet wird (der*die Arzt*in). Anstelle des Gendersterns sollte dann lieber eine getrennte Schreibung „der Arzt und die Ärztin“ gewählt werden (vgl. Universität Leipzig o.J.).

Wenn es dein Wunsch ist, das weibliche und männliche Geschlecht sichtbar zu machen, so liegt es nahe, die Doppel- und Beidnennung zu verwenden. Diese kannst du durch die Paarformen (Beidnennung) oder durch das Binnen-I hervorheben. Diese Schreibung kann allerdings nur dann verwendet werden, wenn die weibliche Endung auf die männliche Endung erfolgen kann.

Möchtest du, dass alle Geschlechter angesprochen werden, so würde ich zunächst versuchen, eine geschlechtsneutrale Bezeichnung zu finden. Unter diesem Link gibt es viele Beispiele, die dir im Alltag helfen können (https://geschicktgendern.de/). Sind geschlechtsneutrale Bezeichnungen nicht vorhanden, so kannst du dann den Gender-Gap oder den Gender-Stern verwenden.

Puh! Das hört sich zwar schwierig an, aber gerade die Vielzahl an Methoden öffnet uns viele Möglichkeiten, ob und wie du genderneutral formulieren kannst.

Bevor du also „Nein“ zur ‚gendergerechten Sprache‘ sagst, probiere es erst einmal aus und entscheide dich dann.


Wer es etwas genauer wissen will, kommt hier zur wissenschaftlichen Analyse und hier zu Literaturhinweisen.

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