Close

Denkmale, Worte und Lexikas

von Carmen Steenhoff

C.S

[poll id=”2213″]

Vielen Dank, dass Sie an meiner kleinen Umfrage teilgenommen haben. Nun erwarten Sie vielleicht, dass ich nun diese Problematik löse und Ihnen sage, ob Sie richtig oder falsch liegen.

Allerdings ist auf diese Frage leider keine kurze und schnelle Antwort zu geben. Denn die verschiedenen auftretenden Pluralbildungen im Sprachgebrauch entwickeln sich immer aus gutem Grund. Diesen Gründen möchte ich nun nachgehen und am Ende meines Textes dürfen Sie für sich eine Entscheidung treffen.

In dem oben dargestellten Dialog zwischen den Schülerinnen und Schülern treten zwei verschiedene Problematiken auf. Zum einen wird über den Plural des Wortes Lexikon gerätselt und zum andern stellt sich die Frage, wie der Plural des Wortes Wort lautet. Der Unterschied zwischen diesen beiden Wörtern liegt darin, dass es sich bei dem ersteren um ein Fremdwort und bei dem zweiten um ein natives Wort handelt. Als nativ wird ein Wort immer dann bezeichnet, wenn es heimisch und nicht aus einer anderen Sprache entlehnt ist.

Die Gründe für die Entstehung von Varianz liegen in unterschiedlichen Bereichen und zunächst möchte ich auf Zweifelsfälle eingehen, die bei nativen Wörtern entstehen können.

Eine Ursache für die Entstehung von Zweifelsfällen bei nativen Wörtern liegt in dem Bereich der Semantik. Das heißt, dass sich für ein Wort zwei Pluralvarianten entwickelt haben können, die allerdings nicht die gleiche Bedeutung tragen.

Die Frage, warum man Wörterbuch und nicht Wortebuch sagt, ist dann eigentlich ganz einfach zu beantworten. Der Plural Wörter bezeichnet mehrere isolierte Einzelwörter, also genau das, was auch in einem Wörterbuch zu suchen und zu finden ist. Der Plural Worte dagegen steht für eine zusammenhängende Rede, und so bedankt sich beispielsweise ein Hochzeitspaar beim Redner eher für die vielen lieben Worte als für die vielen lieben Wörter.

Doch es gibt noch weitere Pluralvarianten, die nicht dieselbe Bedeutung tragen, hier noch zwei Beispiele:

Banken = Geldinstitute vs. Bänke = Sitzgelegenheiten

Gehalte = Inhalte o. Werte vs. Gehälter = Arbeitslöhne

Fällt Ihnen vielleicht auch noch ein Beispiel für einen solchen Zweifelsfall ein? Schreiben Sie diesen gerne in die Kommentare!

Es tauchen im nativen Bereich allerdings noch weitere Zweifelfälle auf, die nicht die Semantik betreffen. Grund für dieses Auftreten sind vor allem natürliche Sprachwandelprozesse und die damit einhergehende Entwicklung, dass ältere Pluralformen weniger genutzt und mit der Zeit durch neuere Formen ersetzt werden. Da es sich hierbei um durchgehende Prozesse handelt, kommt es immer wieder vor, dass ältere und neuere Formen nebeneinander existieren und dies zu Zweifelsfällen führt.

Zu beobachten ist der Abbau von Pluralformen mit der Endung -er und mit der Endung -e in Kombination mit einem Umlaut.

Als Beispiel kann die Pluralform Denkmäler dienen, die im Laufe der Zeit durch die Form Denkmale ersetzt wird oder aber auch die Pluralform Schlöte, die von der Form Schlote abgelöst wird.

Teil solcher Prozesse ist, dass sich bestimmte Dialekte anders verhalten als die Standardsprache und sie daher auch auf die Veränderungen anders reagieren. Dies führt dazu, dass die Pluralformen bestimmter Dialekte häufig von den Pluralformen der Standardsprache abweichen.

So nimmt man beispielsweise in der Standardsprache den Plural Wagen, im Süddeutschen dagegen Wägen oder man sagt Mädel, im Norddeutschen aber spricht man von Mädels.

Es sind hier häufig die Dialektsprecher und Dialektsprecherinnen, die dann mit den Zweifelsfällen zu kämpfen haben, da sie nicht nur ihren Dialekt täglich sprechen, sondern auch der Standardsprache aufgrund der starken Präsenz in den Medien ausgesetzt sind.

Aber nun wieder zurück zum Anfang: Die Schülerinnen und Schüler aus dem Comic standen zuallererst vor dem Problem, dass sie nicht wussten, welcher der Pluralformen für das Wort Lexikon die richtige ist. Hier zeigt sich die Quelle der meisten Zweifelsfälle: Fremdwörter.

Vielleicht befanden Sie sich ja auch schon einmal in einer solchen Situation: Jemand verwendete eine Pluralform, die für Sie falsch klang und Ihnen fiel auch gleich die vermeintlich richtige Form ein. Und wer weiß, vielleicht wurden Sie daraufhin ja auch noch einmal berichtigt, denn für Fremdwörter gibt es teilweise bis zu drei verschiedene Plural-Varianten.

Was diese Formen voneinander unterscheidet ist, dass sie unterschiedlich stark an das deutsche Kernsystem angepasst sind. Sobald ein fremdes Wort in die deutsche Sprache integriert wird, verändert es sich nicht nur aufgrund seiner Aussprache und Orthografie, sondern auch hinsichtlich seines Flexionsverhaltens. Dies schließt die Pluralbildung mit ein.

Es ist hier also der Blick der Integrationsperspektive gefragt.

Das fremde Wort wird von den Sprecherinnen und Sprechern meistens nur vorübergehend mit der fremden Pluralform verwendet und immer mehr wie ein deutsches Wort behandelt. Dementsprechend verändert es sich auch im Laufe der Zeit und verliert langsam seine Fremdheitsmerkmale. Begleitet wird dieser Prozess von synchronen Schwankungen, die uns immer wieder zum Zweifeln bringen.

Diese Schwankungen kommen unter anderem dadurch zustande, dass in gewissen Fachkreisen weiterhin die fremden Pluralformen verwendet werden, da die fachgerechte Ausdrucksweise Zugehörigkeit und Wissen beweist.

So wird beispielsweise ein Italien-Liebhaber und -Kenner seinen Cappuccino bei dem kleinen italienischen Stand auf dem Wochenmarkt eher mit „Bitte zwei Cappuccini“ bestellen, während im alltäglichen Gebrauch eher die Pluralform Cappuccinos geläufig ist.

Oder eine Musikbegeisterte, die schon seit vielen Jahren Cello spielt, wird sich wundern, wenn sie jemand frag, wie viele Cellos in ihrem Orchester spielen, da es für sie selbstverständlich ist, dass der Plural von Cello Celli lautet.

Wird ein Fremdwort allerdings hauptsächlich im Alltag genutzt, so sind die fremden Pluralformen meistens schnell vergessen und es wird an die Singularform nur ein -s angehängt, um den Plural auszudrücken.

Aus der italienischen Pluralform pizze für Pizza wird so beispielsweise Pizzas.

Dieser so genannte s-Plural gilt allerdings häufig nur als Übergangslösung. Denn im Gegensatz zu ihm gelten als besonders integriert vor allem die Pluralformen, die mithilfe eines -e (Schwa) gebildet werden und somit dem nativen Beispiel folgen:

Aus Pizzas wird so Pizzen.

Welche dieser beiden Formen, der s-Plural oder der Plural mit dem nativen Suffix, also einer an den Wortstamm angehängten heimischen Endung, nun integrierter ist, wird auf der anderen Seite aber auch wieder diskutiert und hinterfragt.

Hierzu eine kurze Erklärung anhand des Beispiels Pizza:

Wie Sie vielleicht wissen, wird bei der Pluralbildung im Deutschen üblicherweise an die Grundform ein Suffix angehängt. Erfüllt wird diese Voraussetzung scheinbar nur bei dem s-Plural. Denn an die vermeintliche Grundform Pizza wird das -s angehängt. Bei der Pluralform mit nativem Suffix dagegen wird die Grundform Pizza in Pizz gesplittet und erst dann wird das native Suffix -en angehängt. Das Splitten der Grundform ist normalerweise ein No-Go in der deutschen Sprache.

Zu bedenken ist allerdings, dass die italienische Pluralform pizze lautet, was andeutet, dass es sich bei der Endung -a des italienischen Singulars pizza auch um eine Endung handelt und die unveränderbare Grundform demnach pizz lauten müsste. Aus dieser Perspektive wird bei der Variante Pizzen mehr Sensibilität für die Fremdsprache aufgewiesen, da der beständige Teil des Fremdwortes nicht umformuliert wird.

Bei der Frage nach dem Grad der Integriertheit scheint hier also ein kleines Dilemma vorzuliegen.

Jetzt möchte ich aber gerne Sie noch einmal fragen:

[poll id=”2217″]

Und nun bin ich auch schon am Ende meines Beitrages angekommen. Als Fazit gilt: Sie müssen sich vor allem bei den Fremdwörtern nicht fürchten, die für Sie passende Pluralform auszuwählen, denn Gegenstimmen gibt es wahrscheinlich immer. Das Gespräch der Schüler_innen aus dem Comic zeigt dies ganz deutlich. Ob nun Lexikas, Lexiken oder Lexika, letztendlich hat jeder ein Stück weit Recht …

… und es muss ja nicht in völliger Verzweiflung enden …

Nun möchte ich mich herzlich dafür bedanken, dass Sie mir bis hier hin gefolgt sind.

Falls Sie noch mehr über dieses Thema erfahren möchten, dann schauen Sie doch bei meiner Wissenschaftlichen Analyse vorbei.

Und falls Sie meine Literaturempfehlungen interessiert und Sie dort noch einmal nachlesen möchten …

1 thought on “Denkmale, Worte und Lexikas

  1. WORTE SIND SCHALL UND RAUCH

    Ein kleines, unorthodoxes Gedicht
    über Wörter, die es in sich haben.😉

    WISSEN FÜR BESSERWISSER

    Es hält unser Blut in Fluss der
    Thrombozytenaggregationshemmer,
    Welch klangvolles Wort.
    Bandar Seri Begawan ist
    Hauptstadt von Brunei,
    Ein herrlicher Ort.

    Kalaallit Nunaat ist Grönland,
    Der Mount Godwin-Austen
    Auch als K 2 bekannt,
    Eyjafjallajökull ein Vulkan
    Im vulkanreichen Island.
    Vigdis Finnbogadottir
    War mal Präsidentin hier.

    Wir kennen Parallaxensekunde
    Und Desoxyribonukleinsäure gut,
    Zaubern noch mit links die
    Positronenemissionstomografie
    Aus dem Hut.
    Die Stadt Hodmezövásárhely
    Fordert schon etwas Mut.

    Spricht man diese Worte
    Zügig und unfallfrei aus,
    Erntet man sicher Applaus.
    Kann man sie noch deuten,
    Ist man wohl unheimlich
    Den Leuten.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus Thüringen

Comments are closed.