- Was ist Framing?
Framing ist ein Konzept, mit dem sich in den vergangenen Jahren in der Publizistik,- Kommunikations-, und Medienwissenschaft vermehrt beschäftigt wurde (Dahinden, 2018,S.13). Mit Framing hat sich seit den 1990er Jahren somit ein Modell etabliert, das häufig und methodisch heterogen aufgegriffen wird (Jecker 2017, S.11) – dabei ist das Konzept ein Forschungsgebiet, das als mürbe gilt. Bereits Robert Entmann, der als Begründer der Framing- Forschung gilt, schrieb 1993, dass Framing zwar von Allgegenwärtigkeit in den Sozialwissenschaften gekennzeichnet ist, die Suche nach einer Theorie, die erläutert, wie Frames sich in Texte einbetten und sich dort manifestieren oder aber wie Framing Einfluss auf das Denken nimmt, erfolglos bleibt (Honey, 2019; spektrum.de). Dabei erscheint der grundlegende Gedanke auf den ersten Blick einfach: Framing, so wie es in der Medien,- und Kommunikationswissenschaft größtenteils verstanden wird, beruht auf der Idee des Soziologen Erving Goffmann, und bedeutet, dass Menschen Ereignisse dadurch organisieren, dass sie ihnen Rahmen („frames“) zuordnen. Dinge, die passieren, werden zur besseren Einordnung bereits tradierten Deutungs-, und Handlungsmustern zugeordnet. Frames werden also als Interpretationsmuster definiert, mit denen sich Informationen sinnvoll einordnen und wirksam verarbeiten lassen (Jecker 2017, S.12). Anders ausgedrückt: In Frames ist stereotypes Wissen abgespeichert und in seinem Strukturzusammenhang kognitiv abrufbar (Ziem 2012, S.2).
- Das Denken in Frames
Der Begriff „Frame“ dient als Beschreibung von kommunikativen Konstrukten und Denkstrukturen von Individuen. In den Sozialwissenschaften stellt der Frame-Ansatz theoretisch dar, wie Menschen die Realität wahrnehmen und diese über Kommunikation konstruieren (Oswald 2019, S.11)
[F]rames lead a double life. […] [They] also live inside the mind; they are cognitive structures that help individual citizens make sense of the Issues that animate political life. They provide order and meaning […]. Without a frame in mind, citizens are likely to be bewildered by political debate; it will appear to them as ‚one great, blooming, buzzing confusion‘ (Kinder und Sanders 1996, S. 164). Ohne Stereotypisierungen, Heuristiken, oder der Vorstellung davon, wie die Welt eigentlich funktioniert, wären die Menschen einer Reiz, -und Informationsüberflutung ausgesetzt und die Realität wäre nichts als eine Verwirrung. Vergleichbar ist dies mit einer Situation oder einem Ereignis, dessen Kontext man nicht kennt – beispielsweise ein Polterabend: würde man den Kontext nicht kennen und einzuordnen wissen, wäre man sicherlich verwundert darüber, dass alle Menschen Geschirr zerschlagen. Ist man jedoch mit diesem oder auch mit anderen Kontexten vertraut, sind gewisse Denk,- und Verstehensstrukturen im sogenannten episodischen Gedächtnis eingeschrieben und vertreten. Das Denken über solche Schablonen und Sinneszuschreibungen über die gewonnenen Interpretationen bilden die Grundlage für das Verständnis des Funktionierens der Welt (Oswald 2019, S.12).
3. Frame – Elemente nach Entmann
Die klassische Definition von Robert Entmann (1993), gegen die sich keine weitere Definition der Framing- Forschung durchgesetzt hat, gilt als Kerndefinition. In empirischen und inhaltsanalytischen Studien ist sie als die am häufigsten verwendete Begriffsbestimmung. Dennoch ist ihre empirische Umsetzung und die damit einhergehende methodische Vielfalt von so großem Ausmaß und Widersprüchlichkeit gekennzeichnet, dass der Ansatz zunehmend zu verschwimmen droht und Entmann`s Definition in immer höherem Maße interpretierbar und beliebig erscheint. Diese vorhandene begriffliche Unschärfe des Framing-Begriffs findet ihre Erklärung unter anderem darin, dass der Ansatz bisher nur mangelhaft theoretisch untermauert worden ist (Jecker 2017,S.14).
Im Folgenden sind die vier Frame-Elemente nach Entmann dargestellt:
-„define problems“ bzw. „particular problem definition“ (Definition des Problems)
-„diagnose causes“ bzw. „causal interpretation“ (Ursächliche Interpretation)
-„suggest remedies“ bzw. „treatment recommendation“ (Handlungsempfehlung)
-„moral judgements“ bzw. „moral evaluation“ (Moralische Bewertung)
Da sich aber oftmals in Medienbeiträgen nicht alle vier Elemente finden lassen, lässt sich in der Literatur insbesondere auch darüber streiten, wie viele und welche der vier Elemente in einem Medienbeitrag identifiziert werden müssen, damit man von einem „Frame“ sprechen kann (Jecke 2017, S.14).
- Frame – Semantik – Allgemeines
Durch Framing werden Sinnesdaten in einen kognitiv konstruierten Kontext eingebettet. Dies kann sich beispielsweise auf zeitlich verfasste Strukturtypen, wie bspw. Abläufe (z.B. Geburtstagsfeiern) beziehen, aber auch auf zeitlose Wissensinformationen, wie relevantes Wissen über bestimmte Gegenstände (Beispiel Kerze: woraus bestehen Kerzen, woraus sind sie gemacht, wie sehen sie aus, wofür werden sie benutzt usw.). Marvin Minsky, der 1975 einen einflussreichen Aufsatz, „A framework for representing knowledge“, verfasst hat, benutzt den Terminus „Frame“ modalitätsunspezifisch; d.h. er kann alle Sinnesmodalitäten betreffen (Ziem 2012, S.2). Ein weiterer Aspekt ist, dass Frames im Wesentlichen aus drei Strukturelementen und der Menge ihrer Beziehungen zueinander bestehen. Das erste Strukturelement sind „Slots“. Damit sind konzeptuelle Leerstellen gemeint, die sich in Gestalt von sinnvoll gestellten Fragen identifizieren lassen (z.B. „Wer feiert Geburtstag?“, „Den wievielten Geburtstag feiert er/sie?“, „Wo feiert er/sie Geburtstag?“ usw.) Mit sinnvollen und weniger sinnvollen Fragen ist gemeint, diese kategorial voneinander zu unterscheiden. Ein auf einer Geburtstagsfeier eingeladener Gast wird sich beispielsweise nicht die Frage stellen, ob ein Geschenk „mutig“ ist, denn er besitzt das Wissen, dass es sich bei einem Geschenk um ein gegenständliches Objekt handelt, dem sich in keiner Weise sinnvoll menschliche oder auf Ereignisse bezogene Spezifika zuordnen lassen (Ziem 2012, 3-4).
Das zweite Strukturelement, aus denen Frames bestehen (können) sind „Fillers“; also Füllelemente der Slots. Fillers entsprechen der Menge der in der gegebenen Datenbasis enthaltenen Informationseinheiten (= Gesagtes, Gehörtes, Gesehenes).
Das dritte Strukturelement sind sogenannte „Default-Werte“. Diese Default-Werte sind im Grunde prototypisch erwartbare und auch vorausgesetzte Füllelemente der Slots. Sie sind zwar nicht in der Datenbasis vorhanden, sind aber dennoch relevant für das Verständnis. Da jeder Filler, sowie auch jeder Default-Wert selbst auch immer einen Frame bildet, kann man sagen, dass Frames nicht etwa in hierarchischer Struktur miteinander verbunden sind, sondern eher netzwerkartig (Ziem 2012, 4).
4.1 Wie Frames beeinflussen – ein linguistisches Beispiel
In einer Studie, welche im Jahr 2007 im „Journal of Communication“ erschien, wurde untersucht, welche Begriffe von Journalisten und Politikern in den USA zum Thema „Abtreibungsverbot“ benutzt wurden. Dabei fiel auf, dass Befürworter sowie Gegner eines Abtreibungsverbots jeweils ein recht exklusives Vokabular verwendeten. Befürworter nutzten fast ausnahmslos das Wort „Baby“, während die Gegner das Wort „Fötus“ verwendeten. In einem Experiment wurde deutlich, dass Rezipienten von Medienberichten, die Berichte lasen, in denen ausschließlich eines der Wörter verwendet wurde: nämlich das Wort, das ihre politische Position unterstützte oder sich daran anglich. Die Menschen, die gegen ein Abtreibungsverbot waren, lasen Artikel mit dem Wort „Fötus“, und diejenigen, deren Tendenz ganz klar bei „Pro-Abtreibungsverbot“ lag, lasen die Artikel mit dem Wort „Baby“.
Ähnliche Ergebnisse resultierten auch aus anderen Studien (Honey, 2019; spektrum.de).
4.2 Kognitive Linguistik und Framing
Die kognitive Linguistik wurde Anfang der 1980er Jahre von dem Linguisten George Lakoff begründet. Lakoff argumentiert, dass ein großer Teil des Denkens unbewusst stattfindet und unsere Urteile (auch moralischer Urteile), von konzeptuellen Metaphern abhängen, deren Aktivierung durch Sprache stattfindet. Das gesamte konzeptuelle System, in dem wir denken und handeln ist laut Lakoff methaphorischer Natur. Dabei ist Metapher nicht nur in Bezug auf bloße Worte zu verstehen, denn auch menschliche Denkprozesse beginnen zwar mit nichtmetaphorischen, körperlichen Eindrücken (Sinnesempfindungen, Handlungen, Emotionen), es werden aber spätestens wenn ein aktueller Eindruck mit früheren assoziiert wird, neue konzeptuelle Metaphern geschaffen (beispielsweise wenn eine Beziehung als eine Reise aufgefasst wird, die „holprig“ sein kann) (Honey, 2019; spektrum.de).
5. Fazit
Zusammenfassend ist also zu sagen, dass wir „Frames“ benötigen, um Kontexte zu verstehen, einzuordnen und uns in der Welt zurechtzufinden. Demnach beeinflussen sie natürlich unser Denken und Handeln und bringen uns dazu, gewisse Dinge auf eine bestimmte Art und Weise wahrzunehmen. Framing ist ein sehr komplexes, umfangreiches Themengebiet, mit welchem es sich, auch gerade im Hinblick auf die kognitive Linguistik, zu beschäftigen lohnt.
Literatur:
Urs Dahinden, Urs (2018). Framing. Eine integrative Theorie der Massenkommunikation , Herbert von Halem Verlag. Köln, 2018.
Honey, Christian (2019). Wie mächtig Framing wirklich ist. Veröffentlicht auf: https://www.spektrum.de/news/wie-maechtig-framing-wirklich-ist/1627094, zuletzt abgerufen 17.06. 15:37.
Jecker, Constanze (2017). Entmans Framing-Ansatz. Theoretische Grundlegung und empirische Umsetzung. Herbert von Halem Verlag. Köln, 2017.
Kinder, D. R., & Sanders, L. M. (1996). Divided by color. Racial politics and democratic ideals. Chicago: University of Chicago Press.
Oswald, Michael (2019): „Strategisches Framing – eine Einführung“.Springer Verlag. Wiesbaden, 2019.
Ziem, Alexander (2012): Frame Semantik und Diskursanalyse. Zur Verwandtschaft zweier Wissensanalysen. Paper für die Konferenz Diskursanalyse in Deutschland und Frankreich. Aktuelle Tendenzen in den Sozial- und Sprachwissenschaften. 30. Juni-02.Juli 2005, Paris, Université Val-de-Marne. Erscheint in: http://www.univparis12.fr/www/labos/ceditec/colloqueADFA.html
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