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Der, die, das Nutella? Oder: Das Mysterium des schwankenden Genus

Gibst du mir mal das Laptop?”, frage ich.
Es ist ruhiger Tag, meine Freundin Maxi und ich arbeiten beide vor uns hin. Bis zu dieser Frage.
Das Laptop?“ Sie schaut mich fragend an. Zieht eine Augenbraue hoch. Offenbar habe ich einen Fehler gemacht, nur, dass es mir nicht bewusst ist.
Heißt es nicht der Laptop?“, fragt sie. Ich blinzele.
Gute Frage.”, gebe ich schließlich zu und hole ihn mir selber.

Eine Interaktion, die beide Gesprächspartner verwirrt zurücklässt: Heißt es nun der oder das Laptop? Eigentlich sollte es da wohl keinen Zweifel geben, jedes Substantiv hat im Deutschen ein grammatisches Geschlecht, beide Gesprächspartner sind in diesem Beispiel Muttersprachler und meinen auch beide nicht nur den gleichen, sondern auch denselben Gegenstand. Nämlich den, der da zwischen ihnen auf dem Tisch liegt. Wie kann es dann sein, dass beide Sprecher sich ihrer Meinung sicher sind? Und wer hat Recht?

Die Verwunderung über die scheinbar willkürliche Genusvergebung in der
deutschen Sprache ist alt: So wundern sich Deutschlerner zum Beispiel immer wieder über den Artikel des Nomens Mädchen, da Mädchen doch eindeutig weiblich ist. Sprachlerner sind oft besonders verwirrt, warum ein geschlechtsloser Gegenstand wie eine Karotte ein Femininum ist und so weiter. Individuelle Zweifel sind häufig, aber hier soll es um die Wörter wie Laptop gehen, bei denen auch ein erfahrener oder ein Muttersprachler sich nicht 100-prozentig für ein Geschlecht aussprechen könnten.

Während bei anderen Beispielen für einen solchen Zweifelsfall eine
ausweichende Variante á la „Gib mir Nutella“ noch angebracht ist, kommt der
Sprecher beim Beispiel „Laptop“ nicht so leicht davon.: „Gib mir Laptop!“ ist
doch eher ein Beweis dafür, dass man es mit der Sprachvereinfachung übertreiben
kann.  Fakt ist: Ein Nomen braucht im Deutschen einen Artikel und dieser bleibt nicht immer gleich.

Sehen wir einmal verschiedene Typen von Nomen an, die normalerweise Opfer
dieser Schwankungen werden:

1. Teekesselchen

Auch die berühmten Teekesselchen gibt es, wo ein Wort unter Umständen mit
zwei verschiedenen Artikeln verschiedene Bedeutungen hat. So unterhält einen die
Band Freitag abends mit ihrer Musik, das Band hingegen hält die Frisur zusammen. Dabei von Schwankungen zu reden, wäre allerdings nicht ganz richtig. So bleibt die Band, also die Musikgruppe, je immer weiblich, und es zweifelt auch niemand dran. Somit sind die Teekesselchen sowas wie ein Sonderfall, zeigen aber ganz deutlich, wie wichtig das Geschlecht eines Nomens im Deutschen ist.

Doch was ist mit den Nomen, die mit verschiedenen
gängigen Genera vor sich hin existieren, aber jedes Mal dasselbe meinen? So
wird jemand, der „das“ Virus anspricht, vermutlich ähnliche Themen im Kopf
haben wie jemand, der „den“ Virus zu seinem Thema macht. Diese gehören zu der
nächsten Gruppe.

 

2. Fremdwörter

Viele Wörter, die jeden Tag in deutschen Sätzen genutzt werden, wurden aus anderen Sprachen übernommen. Vor allem Anglizismen sind gegenwärtig: Wir bekommen Likes, erstellen Posts und buchen ein Try-Out fürs Paragliding am Wochenende. Es stellt sich nur die Frage, mit welchem Artikel ein neuer Anglizismus in die deutsche Sprache integriert wird.

Eine Orientierung an der Ursprungssprache ist bei englischen Wörtern nämlich nicht möglich, da es im Englischen nur einen bestimmten Artikel, nämlich „the“, gibt.

Bei Fremdwörtern aus anderen Sprachen ist sie jedoch gang und gebe. So
spricht bei dem bereits erwähnten lateinischen „Virus“ die Endung „us“ für ein Neutrum, also wurde es euch fürs Deutsche übernommen. Allerdings schien auch der männliche Artikel “der” einigen Sprechern für passend. Möglich ist es, dass sie sich dabei an inhaltlich ähnlichen Wörtern orientierten wie “der Erreger”. Dies ist ein Beispiel dafür, wie eine Schwankung sich bei einem Fremdwort ergibt: Das eine Prinzip spricht für ein Neutrum, ein anderes für ein Maskulinum und beide werden genutzt. Und zwar oft genug, dass sie als Möglichkeiten ins Wörterbuch und in die Standardsprache aufgenommen werden.

 

3. Eigennamen

Quelle: jetzt.de

Hersteller waren sich sicherlich nicht bewusst, welche Umstände sie Sprechern der deutschen Sprache- und zweifellos auch denen anderer Sprachen- machen, als sie kreative Eigennamen für ihre Produkte entwickelten. Viele von ihnen sind mittlerweile in die Alltagsprache übergegangen, Nutella, Tempo usw. Wie alle anderen Nomen brauchen sie ein Genus.

Das Online- Magazin eine Umfrage zum Artikel des Begriffs Spezi durchführen lassen (s.Bild oben), wobei fast die Hälfte aller Teilnehmenden für “die” gestimmt hat. Handelt es sich hier um “die Spezi”, weil es “die Limonade” beziehungsweise “die Cola” ist und diese beiden nun mal die Bestandteile von Spezi sind?  Oder ist es “das Spezi”, wie auf Platz 2, weil es “das Getränk” ist? Oft sind Worte mit i am Ende auch Verniedlichungs- Formen wie “das Hundi”, die Neutra sind.

Interessant ist, dass alle drei Artikel Befürworter gefunden haben- normalerweise bleibt es bei den Meinungen bei zwei verschiedenen Artikeln.

Im folgenden Youtube-Video wird das beliebte Nutella-Beispiel noch einmal aufgegriffen, vielleicht ganz anschaulich für den visuellen Leser dieses Beitrags:

Quelle: youtube.de, Link: https://www.youtube.com/watch?v=b7k232goSpU&t=24s

4. Deutsche Nomen

Zuletzt gibt es aber auch ganz normale deutsche Nomen, die mit verschiedenen Artikeln genutzt werden. Dieses kann sich über die Zeit verändert haben (so waren viele heutige Feminina wie Angst früher maskulin) oder sie unterliegen dem Einfluss von Dialekten, die ein anderes Genus bevorzugen. Wichtig ist die Unterscheidung von den “Teekesselchen”, da hier keine andere Bedeutung gemeint ist. Also sind auch Zeit und Ort Faktoren, die Genusschwankungen verursachen können.

Gemeint sind in diesem Fall Wörter, die aus dem Deutschen stammen, sogenannte native Wörter im Gegensatz zu Lehn- oder Fremdwörtern. Ein Nomen wird unbedingt durch sich widersprechende Integrationsverfahren bei der Übernahme ins Deutsche zum Zweifelsfall.

Welches Fazit kann man nun aus diesen Beobachtungen ziehen?

Dass die Zuweisung eines Genus im Deutschen ein richtiger Nährboden für
Zweifelsfälle ist, egal, ob man Muttersprachler ist oder nicht. Die Zuteilung  geschieht keinesfalls zufällig (wen das interessiert, der kann gerne die wissenschaftlichen Hintergründe in der unten verlinkten Analyse nachlesen).

Die Regeln stoßen jedoch an an ihre Grenzen. Bestimmte Nomen halten sich nicht an die Ein-Artikel- Regel. Das kann passieren, weil zu viele Möglichkeiten der Herleitung aufeinandertreffen oder die Umgebung beeinflusst und sich verändert.

Nicht jede Schwankung ist automatisch ein Zweifelsfall- manchmal ist eine andere Bedeutung gemeint und meistens gibt es doch ein richtig oder falsch und es ist eine individuelle Wissenslücke. 

Aber es gibt sie, die wahren Genusschwankungen und “Laptop” ist ein Beispiel dafür. Tatsächlich können sich beide Gesprächspartner unseres Anfangsdialogs nicht einig werden. Aber das müssen sie auch nicht.

Wer hat nun Recht? Beide. Das Substantiv Laptop hat offiziell zwei mögliche Artikel, beide können genutzt werden. Welchen man wählt, bleibt einem selbst überlassen-  denn im Wörterbuch ist “Laptop” sowohl als Neutrum als auch als Maskulinum eingetragen.

 

Nun ist Ihre Meinung gefragt:

 

Falls dieser Beitrag Ihr Interesse für das Thema Genusschwankungen geweckt hat, geht es hier zur wissenschaftlichen Analyse:

Hier finden Sie Infos zur Autorin dieses Beitrags:

Hier finden Sie eine ausgewählte Bibliografie zum Thema Genusschwankungen:

3 thoughts on “Der, die, das Nutella? Oder: Das Mysterium des schwankenden Genus

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