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Wissenschaftliche Analyse Verbzweit

In der folgenden Arbeit soll die Verbzweitstellung untersucht und analysiert werden, um zu klären, inwiefern ein Satz wie „weil das ist so nicht richtig“ fehlerhaft ist oder nicht. Des Weiteren dient die Analyse dazu, um herauszufinden, in welchen Situationen eine solche Konstruktion gerechtfertigt ist oder nicht. Dabei gehen wir auf die Mündlichkeit und Schriftlichkeit ein.

Die Analyse ist in folgende Teile aufgeteilt, um das Thema möglichst verständlich und prägnant zu erarbeiten:

  • Allgemeine Perspektive
  • Historische Aspekte
  • Erwerbsaspekte
  • Verbletztsatz
  • Konkrete Prozesse/ gesprochene Sprache
  • Bedeutung der weil-Sätze
  1. Allgemeine Perspektive:

Da es bis heute Uneinigkeiten darüber gibt, ob es zwischen der gesprochenen und geschriebenen Sprache Unterschiede in der genutzten Grammatik gibt, soll die Verbzweitstellung hinsichtlich der Nutzung in der Schriftlichkeit und der Mündlichkeit genauer untersucht werden.  
Verbzweitstellungen kommen in schriftlichen Texten nur mit subordinierenden Konjunktionen wie weil nur vereinzelt vor und meist nur in solchen Textsorten, „[…] die sich in ihrer syntaktischen Fügungsweise an die gesprochene Sprache anlehnen […]“ (Gaumann 1983, S.82). Demnach ist es für moderne Prosa oder für feuilletonische Texte durchaus gängig, Verbzweitstellungen zu nutzen (vgl. ebd. S.71/82). Bei der Produktion anderer schriftsprachlicher Texte, wie zum Beispiel wissenschaftlicher Berichte, wird aus diesem Grund zumeist auf die Verbzweitstellung verzichtet, da man eine Distanz zur Mündlichkeit schaffen möchte. Der schriftliche Text wird also als ein fertiges Produkt gesehen, das den Formulierungsprozess vollständig ausklammert und abgeschlossen hat (vgl. ebd. S.55).      
In mündlichen Sprachvorgängen ist die Nutzung der Verbzweitstellung weit verbreitet und gilt als ein „[…] generelles Phänomen spontan realisierter Alltagssprache“ (ebd. S.20).  Die Aussage „weil das ist so nicht richtig“ wäre demnach nicht fehlerhaft, sondern lediglich als eine Variation der Alltagssprache zu verstehen (vgl. ebd. S.20f). Das Phänomen kann damit erklärt werden, dass man die Sprache in der Mündlichkeit immer weiter vereinfacht und deshalb gehäuft zu parataktischen Satzkonstruktionen greift (vgl. ebd. S.21).

2.Historischer Aspekt:

Die Zweitstellung des finiten Verbes ist nicht etwa ein Prozess, der sich erst im Laufe der Jahre entwickelt hat, sondern die Nutzung der Verbzweitstellung ist bereits in den ersten schriftlichen Texten zu erkennen und zurück zu verfolgen (vgl. Gaumann 1983, S.8). Schon in der Rhetorik der Antike lässt sich die Verbzweitstellung nachweisen, wobei diese dort als ein bewusstes Stilmittel (Anakoluth) verwendet wurde, um den Satz aus seiner festen Einheit zu trennen (vgl. ebd. S.13). In althochdeutschen Text ist die Nutzung der Verbstellung in der End- oder der Zweitstellung ausgeglichen. Die beiden Verbstellungstypen werden also gleichberechtigt behandelt (vgl. ebd. S.8). Erst mit dem Ende des Althochdeutschen hat sich eine vermehrte Nutzung des finiten Verbes in der Endstellung herausgezeichnet (vgl. ebd.). Die favorisierte Nutzung der Verbendstellung hat sich dann im Mittelhochdeutsch aber nicht konsequent durchgesetzt, sodass bis in das 16. Jahrhundert weiterhin beide Varianten (Verbendstellung und Verbzweitstellung) üblich und möglich waren (vgl. ebd. S.8f). Die Häufigkeit der Nutzung variierte dabei in Abhängigkeit der Mundart, die in bestimmten Gebieten gesprochen wurde (vgl. ebd. S.9). So wurde im Schwäbischen, Elsässischen und Hochalemannischen bis in das 17. Jahrhundert die Verbzweitstellung genutzt, während das Ostmitteldeutsche, das Nord- und Mittelbayrische, das Niederalemannische sowie das Gebiet um Mainz sich seit dem 14. Jahrhundert an der Verbendstellung des Verbes bedienten (vgl. ebd.). Die heute verbreitete Nutzung der Verbendstellung verbreitete sich dann vom Osten in den Westen, aufgrund der fortschreitenden Entwicklung einer einheitlichen Schriftsprache, deren Ursprungsmundart der ostmitteldeutschen Mundart angepasst war (vgl. ebd.). Somit wurde die Endstellung des finiten Verbes in einem Nebensatz erst ab dem 17. Jahrhundert zu einer standardisierten Regel für die Schriftsprache (vgl. ebd. S.11).

3. Erwerbsaspekte

Der Spracherwerb soll hier anhand des Stellungsfeldermodells erklärt werden, bei dem die einzelnen Teile des Satzes entsprechenden Feldern zugeordnet werden können (vgl. Kauschke 2012, S. 87). Die Tabelle zeigt, dass die linke Klammer durch das finite Verb besetzte werden kann, während die rechte Klammer für die infiniten Verbformen oder die Verbpartikel bestimmt ist (vgl. ebd.). Die Tabelle dient der Verdeutlichung.

Tabelle 1 (vgl. ebd.):

Die Aufgabe des Kindes ist es, nun während des Spracherwerbes die Regularitäten zu erlernen, die der Tabelle zugrunde liegen. Dabei wird der Verbzweitstellung eine besondere Bedeutung verliehen, da diese als ein „qualitativer Sprung in der Syntaxentwicklung“ (vgl. ebd., S.88) gelte, die sich während des Entwicklungsprozesses stufenweise entfaltet. In der frühen Kindheit sind infinite Verben in der rechten Satzklammer typisch, sodass Sätze entstehen können, wie zum Beispiel: Ich Teddy haben (vgl. ebd.). Mit der Zeit setzen die Kinder die finiten Verben dann in die linke Verbklammer, also an die zweite Position, sodass Sätze wie Ich male eine Blume (vgl. ebd.) entstehen.Da es sich bei dieser sprachlichen Entwicklung um einen Prozess handelt, ist es nicht unüblich, dass auch anderen Satzstrukturen auftreten können, bei denen beispielsweise das flektierte Verb in die Endposition des Satzes gebracht wird oder unflektierte Verben in die linke Satzklammer. Solche Strukturen treten aber im Verhältnis eher selten auf (vgl. ebd.). Kinder durchlaufen also verschiedene Phasen im Spracherwerb, bei der eine Verschiebung von Infinitivstrukturen an das Satzende und eine Bewegung der flektierten Verben an die zweite Position typisch sind (vgl. ebd. S.90). Mit circa zweieinhalb Jahren können die meisten Kinder die geforderten Regularitäten korrekt anwenden (vgl. ebd.). Wissenswert erscheint es hier noch zu erwähnen, dass Kinder mit Sprachstörungen besonders Probleme mit der Verbzweitstellung haben, da sie länger an infiniten Verben in finaler Position festhalten (vgl. ebd. S.129).

4. Verbletztsatz

In dem Kapitel „Das Feldermodell – „die schreckliche deutsche Sprache…“ von Wolfgang Imo werden drei Gruppen von Verbletztsätzen behandelt.

  • Sätze mit subordinierenden Konjunktionen
  • Relativsätze
  • Infinitivsätze

In dieser Analyse gehen wir allerdings nur auf die erste Gruppe, Sätze mit subordinierenden Konjunktionen, ein.

Allgemein ist zu sagen, dass alle Verbletztsätze an einen Hauptsatz gebunden sind und daher nicht alleine stehen können.

„Sätze mit subordinierenden Konjunktionen sind immer Verbletztsätze, d.h.- bei diesen Sätzen müssen alle Verbteile am Ende, in der rechten Satzklammer, stehen“ (Imo 2016, S.212). Konkret für unser Thema bedeutet das, dass es keine Zweifel daran gibt, dass der Satz „…, weil das so nicht richtig ist“ lauten müsste. Als Begründung nennt Imo folgendes: „Man kann dies dadurch begründen, das [sic] die subordinierende Konjunktion mit dem Verb insofern interagiert, als sie es an das Ende der Äußerung ‚verdrängt‘. Subordinierende Konjunktionen sind aber die einzige Ausnahme von der Regel, dass nur Verben die Satzklammern besetzten dürfen“ (ebd. S.212).

5. konkrete Prozesse/ gesprochene Sprache

Die Analyse geht hierbei nicht mehr von einer Konjunktion beim Wort “weil” aus, sondern “weil” wird „im Sinne eines diskursorganisierenden Elements verwendet“ (Fohl/Güthner 1999, S.40). Dabei gibt es verschiedenen Beispiele bei der Diskursfunktion von weil:

  1. Einleitung von Zusatzinformationen: “weil” fungiert hier als Einleitung eines Einschubs, wodurch man notwendige Verständnisinformationen erhält. (Beispiel: „überhole sich zwei auto – Weil desch ja da zweispurig bei uns vor der tür“ (ebd. S.43)). Hierbei „gehört die durch weil eingeleitete Einheit nicht in die erzählte Welt, sondern hat allgemeingültigen Status“ (ebd.). Der weil-Satz gibt hierbei an, wieso es möglich ist, dass sich zwei Autos überholen können (vgl. ebd.).
  2. Einleitung einer narrativen Sequenz: „ohh ja des bei mir wars eigentlich ziemlich lustich; weil also – ich hatte mal ne zeitlang n auto gehabt“ (ebd. S.45). “Wei”l könnte in diesem Fall auch weggelassen werden, jedoch signalisiert “weil” hier den erklärenden Charakter, warum die Sprecherin das Geschehen lustig findet (vgl. ebd. S.46).
  3. Einleitung eines thematischen Wechsels: „weil i mein ich hätte sicherlich manches anders gemacht“ (ebd. S.49) Durch „weil“ wird hier ein Perspektivwechsel eingeleitet, bei der die Person ihr eigenes Verhalten einschätzt und wechselt somit das Thema, das im vorherigen Gesprächsverlauf um das Verhalten der Tante handelte (vgl. ebd.).
  4. “Weil” als konversationelles Fortsetzungssignal: nach dem “weil” folgt eine kurze Redepause, woraufhin ein anderer Sprecher ein Bestätigungsmerkmal sendet, wodurch signalisiert wird, dass diese Person weiterhin zuhört und das Rederecht nicht beanspruchen möchte zu dem Zeitpunkt (vgl. ebd. S.51f).

Fazit: Das Wort “weil” setzt hier nicht mehr zwei Syntagmen zueinander in Relation, sondern es werden „größere Diskursteile als kohäsive, sinnhafte Einheiten konstruiert“ (ebd. S.54).

Dabei gibt es verschiedene Ebenen, in die man die Funktion von “weil” einordnen kann. Zum einen die kontextbezogene Ebene, zum anderen die Ebene, bei der es zu einem Wechsel der kommunikativen Aktivität“ (ebd.) kommt. Als letztes gibt es noch die Ebene, bei der es zu einer Sprecherwechselorganisation kommt, wobei es um die „Verteilung des Rederechts“ (ebd.) geht. Die Grenzen der verschiedenen Diskursfunktionen sind nicht immer ganz klar und können auch nicht immer klar abgegrenzt werden (vgl. ebd.)

6. Bedeutungsunterschiede von Verbzweit- und Verbletztstellung

Zur Verdeutlichung der Bedeutungsunterschiede nehmen wir zwei Sätze zur Hilfe, die auf den ersten Blick keinen Bedeutungsunterschied hervorbringen:

  1. „Es hat einen Unfall gegeben, weil der Airbag aufgegangen ist.“
  2. „Es hat einen Unfall gegeben, weil der Airbag ist aufgegangen.“

Hierbei sagt der Satz a) aus, dass der aufgegangen Airbag der Grund für den Unfall ist. Bei b) lässt sich durch den aufgegangenen Airbag darauf schließen, dass es einen Unfall gegeben haben muss (vgl. Antomo/Steinbach 2010, S.26f).

Dies ist nur ein Beispiel für einen Bedeutungsunterschied. Es gibt auch Sätze, bei denen es zwischen Verbzweit- und Verbletztstellung keinen Bedeutungsunterschied gibt.

  • Fazit

Die Verbzweitstellung stellt eher ein Mündlichkeitsphänomen dar, wohingegen die Verbletztstellung gehäuft in der geschriebenen Sprache angetroffen wird.

Die Verbzweitstellung verfolgt dabei verschiedene Funktionen und grenzt sich insofern von der Verbletztstellung ab, dass es bei einigen Sätzen zu Bedeutungsunterschieden kommen kann und bei anderen nicht. Das ist damit zu begründen, dass „weil“ als Konjunktionen und als Diskursmarker fungieren kann. Die Nutzung der Verbzweitstellung wird bereits relativ früh im Spracherwerb erlernt und richtig angewendet, weshalb man nicht davon ausgehen kann, dass die Nutzung der Verbzweitstellung in der gesprochenen Sprache nicht richtig beherrscht wird. Bei der Nutzung der Verbzweitstellung in einem durch „weil“ eingeleiteten Satz handelt es sich um einen natürlichen Wandel in der Sprache und zudem um ein wiederkehrendes Phänomen. Bis etwa ins 17. Jahrhundert war die Verbzweitstellung eine gängige Satzstruktur. Dass der Kausalsatz aufgrund der Verbzweitstellung in baldiger Zukunft nicht mehr in der deutschen Sprache vorhanden sein wird, muss aber dennoch nicht befürchtet werden, da viele einleitende Wörter (außer weil) die Verbletztstellung fordern.

Literatur und Quellen:

  • Antomo, Mailin; Steinbach, Markus (2010): Desintegration und Interpretation: Weil-V2-Sätze an der Schnittstelle zwischen Syntax, Semantik und Pragmatik. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft. Jg. 29. H. 1. S.1-37.
  • Gaumann, Ulrike (1983): „Weil die machen jetzt bald zu“: Angabe- und Junktivsatz in der deutschen Gegenwartssprache. Göppingen: Kümmerle.
  • Gohl, Christine; Günthner, Susanne (1999): Grammatikalisierung von weil als Diskursmarker in der gesprochenen Sprache. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft. Jg. 18. H.1. S. 39-75.
  • Imo, Wolfgang (2016): Grammatik: Eine Einführung. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag.
  • Kauschke, Christina (2012): Kindlicher Spracherwerb im Deutschen: Verläufe, Forschungsmethoden, Erklärungsansätze. Kap. 7: Erwerb syntaktischer Fähigkeiten. Berlin [u.a.]: De Gruyter. S.84-97.
  • Schneider, Jan Georg (2011): Hat die gesprochene Sprache eine eigene Grammatik? Grundsätzliche Überlegungen zum Status gesprochensprachlicher Konstruktionen und zur Kategorie ‚gesprochenes Standarddeutsch‘. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik. Jg. 39. H. 2. S.165-187.

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