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Klimawandel und Klimakatastrophe

Framing

Ich glaube, jeder kennt es. Man liest einen Artikel im Internet und man denkt „Wow ich bin jetzt so informiert, ich weiß alles über den Bereich!“. Den nächsten Tag trifft man einen Kumpel, redet über dieses Thema, er zeigt auf einmal ganz andere Seiten auf und man bemerkt: „Okay, durch den Artikel kenne ich einen Blickwinkel des Themas, jedoch hat dieses mehrere.“. Oft nimmt man das einfach so hin oder bemerkt es gar nicht, aber was ist, wenn wir ein bisschen genauer hinschauen? Lasst uns herausfinden warum Autoren bestimmte Aspekte in ihren Texten hervorheben und warum andere ausgeblendet werden! Wir schauen uns genauer an, wie man diesen Prozess als Leser überhaupt bemerkt und wie man sich davor schützen kann!

Den Freundinnen Julia und Kerstin ist tatsächlich gerade etwas ähnliches passiert. Die beiden sitzen bei Julia im Garten und unterhalten sich über das Thema Asylanträge…. aber… lest selbst:

„Kerstin, hör dir mal an, was schon wieder in der Zeitung steht!

>Kosten für Verfahren steigen:  Immer mehr Klagen gegen Asylbescheide erfolgreich<

Ich glaub´s nicht! Die Flüchtlinge klagen und wir müssen zahlen. Das ist doch echt eine Frechheit. Wenn der Antrag abgelehnt wurde, hat das wohl seinen Grund. Dass für sowas unsere Steuern drauf gehen, nervt mich echt.

„Oh Julia, ich kann deinen Ärger verstehen. Aber ehrlichgesagt bin ich gerade etwas verwirrt. Ich habe gestern einen Artikel im Internet gelesen und da wurde es so beschrieben:

„Kosten für Verfahren steigen: Immer mehr Asylanträge werden fälschlicherweise abgelehnt“.

Bei meinem Artikel wird es ganz anders dargestellt! Hier verstehe ich es so, dass die Kosten der Verfahren nur steigen, weil die Anträge falsch bearbeitet wurden. Wer ist denn nun hier der Schuldige?“

Dieser Prozess nennt sich Framing. Viele von euch denken sich jetzt vielleicht „Okay? Das Beispiel kommt mir bekannt vor, aber dieser Begriff sagt mir gar nichts!“. Wir helfen euch mal auf die Sprünge.

Als erstes solltet ihr wissen, dass „Frame“ auf Deutsch „Rahmen“ bedeutet. Bei dem Beispiel habt ihr erkannt, dass ein Thema von zwei verschiedenen Autoren auf eine ganz unterschiedliche Art und Weise dargestellt wird und sie dementsprechend auch unterschiedliche Informationen preisgeben. Diese „Sinnhorizonte“ oder auch Blickwinkel der Autoren, werden als Frames bezeichnet. Ganz konkret heißt das also, dass jeder Mensch einen Rahmen besitzt, in dem er handelt, Positionen hervorhebt und andere Informationen ausblendet. Wenn wir also beispielsweise einen Artikel lesen, lesen wir nur die Informationen, die der Autor innerhalb seines Frames, seines Rahmens, für wichtig empfunden hat. Nicht mehr und nicht weniger. Somit können die Autoren selbst entscheiden, ob ein Wasserglas halbvoll oder halbleer ist und die Leser so mit der Sprache in den eigenen Frame lenken.

Wenn wir ein bestimmtes Wort lesen, lesen wir nicht nur einfach ein Wort. Hinter einem Wort verstecken sich immer mehrere Konzepte und damit auch Deutungsrahmen, Frames. Der Inhalt und die Struktur dieses Frames, der sogenannten Frame-Semantik, erschließt sich sehr subjektiv durch die jeweiligen Erfahrungen, die man schon gemacht hat. Dazu zählen körperliche Erfahrungen, aber auch die Begegnungen mit Kultur und Sprache. Man kann also sagen, wenn wir einen Begriff lesen, aktiviert unser Gehirn direkt den dazu passenden Rahmen, welcher jedoch bei jedem Menschen anders aussieht.

Diese Deutungsrahmen werden auch als ›Slots‹, bzw. als ›Leerstellen‹ bezeichnet. Diese Leerstellen können anhand von konzeptuellen Fragestellungen identifiziert werden. Wenn wir den Begriff ›Schüler‹, hören, könnten hier die Fragen „Wie viele Schüler gibt es in einer Klasse?“ oder „Was haben Schüler immer in der Schule dabei?“ auftauchen. Diese Leerstellen müssen nun gefüllt werden. Hier kommen dann zum einen die sogenannten ›Filler‹, zum anderen die ›Default-Werte‹ ins Spiel. Beide füllen die Leerstellen mit weiteren Wissenssegmenten. Die Default-Werte sind diejenigen Elemente, die bei dem jeweiligen Slot eine Voraussetzung sind, während die Filler Daten bilden, die nicht direkt vorausgesetzt werden könne, einem aber zu einem Stichwort ebenfalls in den Kopf kommen. Deutlich wird es, wenn wir uns anschauen, welche Default-Werte und Filler bei dem Slot ›Schüler‹ aufkommen. Die ganz typischen Requisiten eines Schülers sind zum Beispiel eine Tasche, Mappen, etwas zu Trinken und zu Essen. Diese Elemente können einfach vorausgesetzt werden, nicht aber, dass ein Schüler einen Turnbeutel und keinen Ranzen als Tasche nutzt und dass dieser Schüler ein Butterbrot statt eines Apfels als Essen mit zur Schule bringt. Durch diesen Aufbau von Frames ist es möglich, dass wir allein durch die Wahl eines bestimmten Wortes beeinflusst werden.

Nehmen wir das Beispiel aus der Überschrift. Diese besteht aus zwei Worten: Klimawandel und Klimakatastrophe. Jedes einzelne dieser Wörter reicht aus, um einen ganz bestimmten Frame in uns zu wecken. Beide Begriffe befassen sich mit ein und demselben Thema: der Veränderung unseres Klimas. Jedoch aktivieren sie zwei ganz unterschiedliche Frames, die den Leser zu verschiedenen Ergebnissen und Deutungen kommen lässt. Klimawandel hat den Begriff >Wandel< inne. Dieser hat folgende semantische Rollen und Schlussfolgerungen: Es sind Veränderungen in Gang. Ein Wandel kann gut oder schlecht sein, jedoch ist das nichts Ungewöhnliches. Nichts auf der Welt bleibt für immer so wie es ist. So ist es also auch mit dem Klima. Es ist einfach eine Veränderung. Ganz andere Schlussfolgerungen lässt der Begriff >Katastrophe< zu: Schlimme Ereignisse kommen auf uns zu. Die Menschheit muss jetzt zusammenhalten und alles dafür tun, dass diese schlimmen Veränderungen nicht eintreten. Dieser Begriff ist also, im Gegensatz zu dem Begriff >Wandel<, eher negativ behaftet.

Dass es jedoch auch noch andere Seiten gibt, wird dann nicht erwähnt.

Natürlich hat jeder Mensch unterschiedliche Meinungen und Auffassungen, das ist ja ganz klar und total legitim. Jedoch wird es etwas komplizierter, wenn ein Mensch einem Anderen die eigene Meinung aufdrängen möchte. Dies geschieht jedoch nicht selten und wir als Leser bemerken es gar nicht. Zum Beispiel während des Lesens eines Artikels. Der Autor möchte den Leser in einen ganz bestimmten Rahmen lenken und nutzt dafür die Sprache. Er hebt für seinen Blickwinkel wichtige Begriffe und Sichtweisen hervor, während andere Informationen erst gar nicht aufgenommen werden. Nehmen wir als Beispiel den Artikel von Julia in ihrer Zeitung. Der Autor schreibt, dass die Kosten immer teurer werden, weil Flüchtlinge gegen ihren abgelehnten Asylantrag klagen. Liest man diesen Artikel, wird einem ein ganz bestimmter Rahmen aufgesetzt und zwar „Unsere Steuern gehen drauf, weil die Flüchtlinge klagen“. Mit diesem Blickwinkel geht man aus diesem Text und nun hat man eine ganz bestimmte Haltung gegenüber dem Thema. Uns wurde dabei die Sichtweise eines anderen Menschen aufgesetzt und das sogar ohne, dass die meisten es bemerkt hätten. Nur durch den Artikel von Kerstin wurde klar, dass in Julias Zeitung bloß ein bestimmter Frame hervorgehoben wird und es neben diesem noch mehr Frames und Informationen zu diesem Thema gibt.

Ich glaube, ihr habt es schon bemerkt. Framing ist ein Thema, auf das man häufig trifft, bewusst oder auch nicht. Es tritt fast immer dort auf, wo kommuniziert wird. Sogar während eines Gesprächs zwischen dir und deinen Freunden, wenn es darum geht, wie die Pläne für das nächste Wochenende aussehen. Denn wenn du gerne ans Meer fahren möchtest, zählst du bestimmt auch nur die Dinge auf, die dafür sprechen und die anderen lässt du auch ganz gerne mal weg, oder? Im Gegensatz zu der Diskussion, wo es am Wochenenden hingehen soll, gibt es aber auch Bereiche, in denen Framing weitreichende Folgen haben kann. Zu diesen Bereichen zählt unter anderem die Politik, Werbung und der Journalismus. Durch all diese Bereiche können breite Massen ganz bewusst in eine bestimmte Richtung gelenkt werden und das nur, weil ganz bestimmte Informationen herausgegeben werden, während viele andere, genau so wichtige, nicht einmal benannt werden. Das führt dazu, dass wir uns eine Meinung bilden, auf einer Grundlage, die sehr große Lücken aufweist. Wir treffen unsere Entscheidungen dann nicht aufgrund einer Faktenlage, sondern wegen sinngebender Frames, ohne diese wirklich bewusst vor Augen zu haben! Was meint ihr:

Damit sollte nun endgültig klar sein, dass die Sprache ein mächtiges Instrument ist, welches als Waffe der Beeinflussung eingesetzt werden kann!

Wie ist es aber nun möglich zu erkennen, dass man gerade beeinflusst und in einen Rahmen gezwängt wird? Wir haben herausgefunden, dass ganze 98% unseres Denkens unbewusst ist und hier liegt der Knackpunkt. Wir müssen uns mehr mit der Sprache auseinandersetzen und hinterfragen. Wir denken in Frames, also müssen wir diese bestimmen, um uns wirklich eine eigene Meinung bilden zu können. Wie ihr jetzt wisst, ist es möglich Frames in seine Bestandteile zu zerlegen. Wenn ihr nun demnächst einen Beitrag im Internet lest und euch unsicher seid, ob ihr gerade aktiv in eine bestimmte Richtung gelenkt werdet, überlegt doch einfach mal welche Slots und Filler in dem Artikel verwendet werden. Wenn euch Elemente einfallen, die in dem Beitrag nicht erwähnt werden und dem Autor sogar den Wind aus den Segeln nehmen würden, habt ihr es geschafft! Ihr seid nicht auf die Manipulation hineingefallen und habt die Richtung des Artikels erkannt! Wenn ihr die Frames also erkennt und sie zerlegt, ist es möglich sich vor Framing zu schützen!

Einige von euch fragen sich nun vielleicht „Habe ich mich eben vertippt? Ich wollte doch etwas über Zweifelsfälle lesen und nun erfahre ich hier etwas über >Framing<. Das ist ja auch interessant, aber ich zweifle hier nicht!“. Wenn ihr so denkt, können wir euch beruhigen. Framing ist kein klassischer Zweifelsfall, wo es darum geht, dass man sich bei bestimmten Formulierungen unsicher ist. Framing ist, wenn man es einmal von der ethischen Seite betrachtet, ein Zweifelsfall! Denn man sollte sich fragen, inwiefern Framing überhaupt erlaubt sein sollte. Ihr habt ja schon erfahren, dass von Frames eigentlich unser gesamtes Handeln abhängt. Ist es dann wirklich in Ordnung, dass ganz bestimmte Frames aktiviert werden, um möglichst viele Menschen zu beeinflussen?

Besonders häufig finden wir Framing, wie ihr oben schon gelesen habt, in den Medien. Diese geben Informationen aus allen Lebensbereichen, auch aus der Politik, an die breite Masse weiter. Die Journalisten entscheiden, was wir erfahren und vor allem, wie wir es erfahren. Sollten uns die Informationen, die wir erhalten und auf deren Grundlage wir uns bilden, nur ganz bestimmte Rahmen beinhalten und einige Daten nicht einmal erwähnen? Als Antwort darauf geben Journalisten dieses Statement:

War die ganze Aufregung also umsonst und wir bekommen durch die Medien eine objektive Sichtweise?

Mal schauen… Es wurde eine Studie zu einer Schweizer Abstimmungskampagne durchgeführt. An dieser Stelle seid ihr wieder gefragt:

Somit bestätigt sich der Verdacht, dass es gar nicht möglich ist, eine objektive Berichtserstattung zu gewährleisten. Das ist insofern in Ordnung, da wir ja nun mal in Frames denken. Was für uns aber ein No-Go ist, dass man das ausnutzt, um uns zu beeinflussen. Dass ganz bewusst nur bestimmte Frames hervorgehoben und andere nicht einmal erwähnt werden!

Wir hoffen, wir konnten euch für diesen ganz speziellen Zweifelsfall ein wenig sensibilisieren und euch zeigen, wie viel Macht die Sprache besitzt.

Wir haben euer Interesse geweckt und ihr möchtet tiefer in das Thema >Framing< einsteigen? Hier findet ihr eine wissenschaftliche Analyse zu dem Thema und hier unsere Bibliographie.

Ihr möchtet noch ein wenig über uns erfahren? Kein Problem, klickt einfach hier!

Vielen Dank und viel Spaß beim Stöbern in weiteren Zweifelsfällen!

Sina Ihnen und Merle Avermann

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