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Wissenschaftliche Analyse

Anglizismen im Deutschen
Epic Fail oder key to success?

Das Fremdwort
Um definieren zu können, was ein Anglizismus ist, soll vorab der Begriff Fremdwort erklärt werden. Fremdwörter sind Wörter, die ursprünglich aus anderen Sprachen entstammen als der Muttersprache. Sie zählen, sobald sie in das Deutsche übernommen wurden, zu den Wörtern des Deutschen, auch wenn sie eigentlich aus anderen Sprachen entstammen (vgl. Eisenberg S. 1ff). Ein Beispiel für ein Fremdwort ist “Cowboy”. Oft ist es nicht eindeutig, ob ein Fremdwort in den allgemeinen Gebrauch übergegangen ist und somit in die deutsche Sprache übernommen wird. Es gibt auch sogenannte eingedeutschte Fremdwörter, die sich dem Deutschen anpassen, z.B. “interviewen”. Diese werden als Lehnwörter bezeichnet. Der Übergang vom Fremdwort zum Lehnwort ist ebenfalls sehr unterschiedlich und uneinheitlich definiert (vgl. Busse S. 12f). Fremdwörter bilden im Deutschen einen erheblichen Anteil am Gesamtwortschatz. Ein aus dem Englischen übernommenes Fremdwort wird als Anglizismus bezeichnet (vgl. Eisenberg S. 1ff).
Ein Wort wird dann als Fremdwort vom Normalsprecher1 wahrgenommen, wenn es Eigenschaften besitzt, die er als fremd wahrnimmt, wenn es also „Eigenschaften hat, die es von den Wörtern des Kernwortschatzes unterscheiden“ (vgl. Eisenberg S. 28). Es kann zwar nicht ausschließlich die Form eines Wortes als Kriterium für die Fremdheit verwendet werden, dennoch ist das Verhalten des Wortes das wohl wichtigste Anzeichen für ein Fremdwort (vgl. Eisenberg S. 26).

Der Anglizismus 
Anglizismen sind Wörter (z.B. “Job”) oder auch Wortkombinationen (z.B. “Comic-held”), die ganz oder zum Teil aus dem britischen oder amerikanischen Englisch in die deutsche Sprache übernommen wurden. Jede Art der Veränderung eines deutschen Wortes in Richtung britisch oder amerikanisch fällt ebenfalls unter den Begriff Anglizismus (vgl. Busse S. 15). Es handelt sich bei Anglizismen demnach um „mehr oder weniger stark integrierte sprachliche Strukturen (Lexik, Syntax, Idiomatik) aus dem Englischen in eine nicht-englische Sprache“ (Schlobinski S. 240).
Anglizismen gehören daher nicht zur englischen Sprache, sondern sind Teil der deutschen Sprache. Die Entlehnungen werden nicht einfach aus der Sprache herausgelöst, sondern vielmehr wird die englische Aussprache und meistens auch die Schreibweise bei der Übernahme ins Deutsche beibehalten (vgl. Eisenberg S. 178).

Kontakt, Transferenz und Integration der Anglizismen
Die Anglizismen gelangen durch Kontakte zwischen Sprechern der deutschen Sprache und Sprechern der englischen Sprache in den deutschen Wortschatz. Der Übergang von der Gebersprache in die Nehmersprache wird als Transferenz bezeichnet. Die Gebersprache ist die Sprache, die einen Begriff in eine andere Sprache einführt oder übergibt, in diesem Fall also die englische Sprache. Die deutsche Sprache wird hingegen als Nehmersprache bezeichnet. Die Nehmersprache entlehnt oder übernimmt etwas aus der Gebersprache, hier also das Deutsche aus dem Englischen (vgl. Eisenberg S. 92).
Wörter aus dem Englischen werden häufig dann übernommen, wenn es im Deutschen Lücken in den Ausdrucksmitteln gibt. Diese Lücken fallen durch Kommunikation mit einer fremden Sprachgemeinschaft auf. In dieser liegt ein neuer Inhalt vor, für den es in der deutschen Sprache (Nehmersprache) keine Bezeichnung gibt. Zur Schließung dieser Lücke wird daher der englische Begriff mit der entsprechenden Bedeutung in die deutsche Sprache integriert (vgl. Nikitina S. 121). Wenn dieser Begriff nun von der Mehrheit akzeptiert und als adäquat empfunden wird, so festigt er sich. “So kommt zum individuellen und zufälligen Charakter einer lexikalischen Neuerung der kollektive, interindividuelle Aspekt hinzu” (Nikitina S. 122). 
Nicht nur das Füllen von Lücken führt in der deutschen Sprache zu mehr Anglizismen. Gerade in den vergangenen Jahren wurden auch häufig Anglizismen verwendet, um sich selbst zu inszenieren und gebildeter zu wirken, indem internationale, englische Begriffe in den deutschen Sprachgebrauch eingegliedert wurden (vgl. Eisenberg S. 3).
Auf diese Art der Selbstinszenierung greifen auch Markennamen zurück, da diese durch ihre enthaltenen Anglizismen ihren internationalen Wiedererkennungswert beibehalten.
Zudem werden Entlehnungen aus dem Englischen in die deutsche Sprache dadurch vereinfacht, dass beide Sprachen historisch und typologisch verwandt sind. Der Wechsel zwischen den Wörtern ist unproblematisch, da sie viele Gemeinsamkeiten aufweisen (vgl. Eisenberg S. 57). Beide Sprachen weisen eine hohe Produktivität der Komposition aus. Da es sich bei entlehnten Wörtern häufig um Komposita handelt, können die Wortbildungsstrukturen der Lehnwörter aus dem Englischen durch deutsche Wortstämme relativ problemlos nachgebildet werden. Ein Beispiel hierfür ist das Kompositum mousepad – Mauspad (vgl. Nikitina S. 119).

Entstehung und Entwicklung der Anglizismen
Das Englische gilt als die weltweit größte Gebersprache (vgl. Eisenberg S. 17). Anglizismen bilden einen erheblichen Anteil am Gesamtwortschatz des Deutschen. Daher wurde bereits viel über die Herkunft erforscht (vgl. Eisenberg S. 1). 
Schon in der ersten Auflage des Rechtschreibdudens waren bereits 385 Anglizismen vorhanden (vgl. Busse S. 59). Die Zunahme der Anglizismen ist seitdem stetig. Dabei sind von Beginn an im Rechtschreibduden viele Anglizismen in den Kategorien der ModeNaturwissenschaft und Technik und im Sport zu finden. Später kamen mehr Anglizismen in den Bereichen der AbkürzungenMusikPresse/Funk/Fernsehen/ FilmSozialwissenschaftenTourismus und Wirtschaft hinzu (vgl. Busse S. 78f).
Schon seit dem 17. Jahrhundert gab es regelmäßige Entlehnungen ins Deutsche. Durch geschichtliche Prozesse, wie die führende Rolle Englands und den dringenden Bedarf nach einer internationalen Sprache, wurde die Verbreitung der Anglizismen angekurbelt (vgl. Eisenberg S. 46fff).
Verantwortlich für die seit einigen Jahren rasche Zunahme der Anglizismen ist vor allem die stetig fortschreitende Globalisierung und die damit verbundene führende Rolle der englischsprachigen USA in der Weltpolitik und der Weltwirtschaft (vgl. Nikitina S. 117). Insbesondere durch die Entwicklung des Internets, welches enorm durch die USA vorangetrieben wurde, ist das Englische im Vormarsch. Allein 86% der mittlerweile über eine Milliarde Dokumente, die im Internet existieren, sind auf Englisch verfasst. Die USA nimmt aber nicht nur im Internet, sondern in vielen verschiedenen Bereichen eine führende Rolle ein, wie beispielsweise auch in der Wirtschaft, der Musikkultur, der Wissenschaft und Forschung (vgl. Nikitina S. 117, vgl. Schlobinski S. 239f).

Erkennungsmerkmale von Anglizismen
Häufig erkennt man Anglizismen an ihrer Fremdheit zu deutschen Wörtern in phonologischer (Lautebene), morphologischer (Wortbau) oder orthographischer (Rechtschreibung) Hinsicht. Phonologische Fremdheit ist dann gegeben, wenn ein Wort fremde Laute enthält, wie beispielsweise die Wörter Loge, Rage und Page. Diese Wörter werden dann nicht mit einem [g] ausgesprochen, sondern mit einem sogenannten [ʒ]. Fremdheit bezüglich des Wortbaus kann beim Silbenbau, der Silbenfolge und dem Wortakzent gegeben sein. Wichtig ist es dabei auch, sich die Flexionsformen anzugucken. Häufig weichen diese von den regelmäßigen deutschen Flexionsformen ab. Ein Beispiel dafür sind die Wörter Tipp und Stopp, die vorerst nichts Auffälliges aufweisen. Betrachtet man den Genitiv, fällt eine andere Flexionsform auf. Dort heißt es Tipps und nicht *Tippes.
Ein Wort kann aber auch allein aufgrund seiner Schreibweise fremd sein wie beispielsweise das Wort Beat, Tour oder Typ. Das Vorkommen des Buchstaben /y/ macht die Schreibweise schon fremd, weil dieser Buchstabe in deutschen Wörtern nicht vorkommt (vgl. Eisenberg S. 26ff). Auch der Anfangslaut [sk] am Silbenanfang weist auf Anglizismen hin. Ein Beispiel dafür ist das Wort Skater. Hinzu kommt der Doppelkonsonant /zz/ in beispielsweise Puzzle, der auch auf einen Anglizismus verweist (vgl. Eisenberg S. 170).
Es fällt auf, dass nur wenige Anglizismen ihr englisches Schriftbild gänzlich verloren haben und sich dem deutschen Schriftbild angepasst haben. Oft werden jedoch nur einzelne Konsonanten ausgetauscht, wie beispielsweise bei Club – Klub.  Bei Scheck hat sich das <sch> durchgesetzt, während es bei Shampoo bei der englischen Variante geblieben ist. Schwankungen sind auch bei der Konsonantenverdopplung zu finden, wie beispielsweise bei Stop – Stopp. Oft wird auch der englische Laut durch den Deutschen ausgetauscht wie bei strike – und Streik. Substantive, die aus dem Englischen übernommen werden, erhalten in der deutschen Schreibung einen Großbuchstaben. Die meisten Anglizismen behalten ihre englische Pluralform bei, wie etwa die Airline – die Airlines, allerdings gibt es auch Pluralbildungen, die mit dem Anhängen der deutschen Pluralmorpheme gebildet werden (z.B.: die Hostess – die Hostessen). Die Pluralbildungen der männlichen Substantive uf -er stimmt mit der deutschen Pluralbildung überein, wie bei der Boxer – die Boxer. Eine kleine Anzahl der Anglizismen treten mit einer englischen und einer deutschen Pluralform auf,wie z.B.: Bordcase (-, -s). Die Pluralbildung bei Anglizismen, die auf <y> enden, ist uneinheitlich (z.B. Babies/Babys) (vgl. Yang, S. 136f).

Kritik an Anglizismen
Anglizismen nehmen im Gesamtwortschatz des Deutschen zwar eine Minderheit ein, dennoch wird aber über diese öffentlich mehr diskutiert als über den Kernwortschatz. Dies verdeutlicht, dass Anglizismen in der Gesellschaft eine wichtige Rolle einnehmen (vgl. Eisenberg S. 8).
Über den Aufbau, die Aussprache und die Schreibweise oder auch die Einfügung in den Gesamtwortschatz ist noch wenig erforscht (vgl. Eisenberg S. 1). Daher werden Fremdwörter häufig ausgegrenzt und nicht als Teil der deutschen Sprache angesehen. Sie verhalten sich anders als die deutschen Kernwörter, sind uneinheitlich und komplex aufgebaut (Eisenberg S. 3ff).
Häufig werden Anglizismen beschimpft oder vollständig abgelehnt (vgl. Eisenberg S. 8f). Gegner der Anglizismen wollen die Sprache vor fremden Wörtern schützen und die Zerstörung der Sprache durch Fremdwörter verhindern (vgl. Eisenberg S. 122). Oft kommen Anglizismen nur in speziellen Varietäten vor und bleiben daher einigen Sprechern unzugänglich, da sie nicht in der Allgemeinsprache verankert sind. Zusätzlich liegt im Englischen und im Deutschen manchmal eine ganz andere Bedeutung vor, was Probleme beim Verständnis und der Verwendbarkeit hervorrufen kann (vgl. Eisenberg S. 125). Der semantische Gesichtspunkt ist deshalb oft problematisch. Ein Beispiel hierfür sind die Wörter Scannen und Einlesen, bei denen die Eindeutigkeit verloren gehen kann (vgl. Schlobinski S. 241).
Von Einigen wird laut Olga Nikitina die Anglisierung außerdem als Gefahr für die Selbstständigkeit der deutschen Sprache wahrgenommen (vgl. Nikitina S. 119). 
Viele sehen die Anglizismen auch als bedrohliche „Marker gesellschaftlicher Prozesse wie Globalisierung“ (Schlobinski, S. 255) an, wodurch nicht die Sprache an sich, sondern die Sprecher und die gesellschaftlichen Verhältnisse evaluiert werden (vgl. Schlobinski, S. 255).
Hinzu kommt laut Peter Eisenberg, dass die Anglizismen die Phonologie, die Morphologie und die Syntax herunterziehen. Eine Übernahme der Anglizismen bliebe nicht ohne Folgen und es sei sinnvoll, diese zu hinterfragen, um den Gebrauch der deutschen Sprache zu verbessern und den eventuellen Missbrauch durch Anglizismen zu verhindern (vgl. Eisenberg S. 128). Laut Eisenberg hängt die Geschichte der Sprache von den Einstellungen der Sprecher ab. Je nachdem, ob diese den Anglizismen positiv oder negativ gegenüberstehen, hat dies Einfluss auf die weitere Entwicklung (vgl. Eisenberg S. 12).


[1] Im Folgenden wird der Einfachheit halber die männliche Form sämtlicher Begriffe verwendet.

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