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Wissenschaftliche Analyse Bindestrich

von Kathleen Plate

Bei der Bindestrichschreibung gibt es hauptsächlich nur einen Zweifel: Wird eine bestimmte Wortzusammensetzung nun mit oder ohne Bindestrich geschrieben? Was gibt es für Regeln und wonach wird entschieden, ob ein Bindestrich gesetzt wird oder nicht? Doch bevor wir uns diesen Fragen widmen, werden wir zunächst klären, was den Bindestrich charakterisiert und welche Funktionen er überhaupt hat.

Der Bindestrich ist rein formal der kürzeste Strich im Schriftsatz (vgl. Gallmann 1989). Er wird als ein einfacher Mittelstrich ungefähr auf halber Höhe eines Kleinbuchstabens geschrieben.

Die Bindestrichschreibung steht eng im Zusammenhang zur Getrennt- und Zusammenschreibung. Sie stellt sozusagen einen speziellen Teilbereich der Zusammenschreibung dar.

Der Bindestrich ist kein syntaktisches (die Satzlehre betreffendes) Gliederungszeichen, sondern hat eine auf das Wort oder die Wortgruppe bezogene Funktion. Er ist somit insbesondere ein Element der graphischen Ebene. Man kann auch sagen, dass der Bindestrich ein bezeichnendes Mittel im Dienste der Erfassungsfunktion ist und als Ausdruck der Gliederung des Wortes im Sinne des lexikalischen Prinzips der Orthografie (Lehre der Rechtschreibung) wirkt.

Bereits in frühmittelalterlichen deutschen Texten ist der Gebrauch des Bindestrichs nachweisbar. So findet man unter anderem im Edikt des langobardischen Königs Rothari von 643 die Wörter pfader-fio (Vieh des Vaters) und ari-schild (Heerschild).

Auch im Frühneuhochdeutschen hat die Verwendung von Bindestrichen einen wesentlichen Anteil. So wurden substantivische Zusammensetzungen teilweise getrennt geschrieben (z.B. Schutz Engel), andere Zusammensetzungen wurden jedoch teils durch die Großschreibung des Anfangsbuchstaben des letzten Bestandteils (z.B. VaterLand) oder eben durch die Verwendung des Bindestrichs (z.B. Abend=Stunde) erkennbar gemacht. Der Bindestrich wurde damals häufig als Doppelstrich verschriftlicht.

In der Folgezeit, vor allem im 20. Jahrhundert, nahm die Verwendung des Bindestrichs nochmal stark zu (vgl. Nerius 2007).

Der Bindestrich wird bei Gallmann (1989:9) in drei Subtypen unterteilt. Diese drei Subtypen überschneiden sich teilweise. So kann zum Beispiel ein Ergänzungsstrich oder aber auch ein Bindestrich am Zeilenende zugleich ein Trennstrich sein.

1. Trennstrich: Der Trennstrich wird gesetzt, weil der Schreiber sich um ein ausgeglichenes Schriftbild bemüht. Um alle Zeilen ungefähr gleich lang halten zu können, ist man als Schreiber manchmal dazu gezwungen, das Zeilenende mitten in einer Wortform anzusetzen. In solch einem Fall markiert man das Zeilenende mit dem Trennstrich. Dieser sagt dem Leser somit, dass das Zeilenende nicht mit der Wortgrenze zusammengehört.

Der Trennstrich darf allerdings nicht beliebig in einer Wortform geschrieben werden, sondern vielmehr nur an Positionen, die mit der Grenze von graphischen Einheiten zusammenfallen. Diese werden auch als graphische Silben bezeichnet.

2. Ergänzungsstrich: In diesem Fall steht der Bindestrich als Ergänzungsstrich in Wortzusammenstellungen von zusammengesetzten oder abgeleiteten Wörtern. Diese haben einen gemeinsamen Bestandteil, der sowohl der letzte oder der erste, aber auch der erste und letzte Bestandteil eines Wortes sein kann. Der Kürze oder des Wohlklangs wegen wird der gemeinsame Bestandteil nur einmal genannt und stattdessen sinngemäß ergänzt.

Beispiele dafür sind: Personen- und Güterverkehr oder Holz- und Betondecke.

Allgemein hat der Schreiber jedoch die Wahl, ob er die Wörter im vollen Wortlaut oder gekürzt schreiben möchte.

3. Bindestrich (Koppelungsstrich):

Der Bindestrich bzw. Koppelungsstrich ist der Bindestrich im eigentlichen Sinne und hat im Großen und Ganzen die Funktion, dem Lesenden bei unübersichtlichen Wortzusammensetzungen das Textverständnis und die Bedeutungserschließung zu erleichtern. Die Anwendung des Bindestrichs bietet die Option, die Zusammengehörigkeit der zusammengefügten Bestandteile zu kennzeichnen, diese zugleich aber auch deutlich als Bestandteile zu markieren, wodurch die bessere Lesbarkeit hervorgehoben wird (vgl. Nerius 2007).

Er steht im Inneren von Wortformen an der Grenze zwischen den einzelnen Wortteilen (auch Pleremen genannt). Daraus könnte man schließen, dass die Regeln auf dem sogenannten Segmentierungsprinzip basieren. Dieses beschreibt die Zerteilung von Inhalten in kleinere Einheiten. Allerdings steht nicht an jeder Pleremgrenze im Wortinneren ein Bindestrich. Ein Bindestrich wird also nur dann gesetzt, wenn noch weitere Voraussetzungen zutreffen. Diese lassen sich auf das graphematische Prinzip, das Korrespondenzprinzip und das Prinzip der Schemakonstanz zurückführen. Wenn der Bindestrich im Inneren von morphologisch komplexen Wortformen steht und die Wortteile mit unterschiedlichen Schreibtechniken verschriftlicht werden, beruhen die Regeln auf ein Zusammenwirken des Segmentierungsprinzips, des graphematischen Prinzips und des Korresspondenzprinzips. Dies tritt zum Beispiel bei Wörtern wie Kfz-Steuer oder km-Entschädigung auf. Das Prinzip der Schemakonstanz bezieht sich hingegen auf eine Reihe von komplexen Wortformen, die für die Schreibung mit Bindestrich verantwortlich sind. Dazu zählen 1. unübersichtliche Komposita (z.B. Rad-Artisten), 2. Nominalisierungen von Phrasen (z.B. Durch-die-Blume-Reden) und 3. Verbindungen mit mehrteiligen Eigennamen (z.B. die Gorbatschow-Rede). Dann gibt es wiederum noch Schreibungen mit Bindestrich, die aus dem Zusammenspiel von Korrespondenzprinzip und dem Prinzip der Schemakonstanz herrühren. Dies ist zum Beispiel bei die 1000-Jahr-Feier der Fall (vgl. Gallmann 1989).

Allgemein gelten folgende Regeln für die Bindestrichschreibung:

Der Rat für deutsche Rechtschreibung (2018: 45 – 51) unterscheidet dabei in:

  • Zusammensetzungen und Ableitungen, die keinen Eigennamen als Bestandteile enthalten
  • Zusammensetzungen und Ableitungen, die Eigennamen als Bestandteile enthalten
  • Gruppen, in denen man den Bindestrich setzen muss und solche, in denen der Gebrauch des Bindestrichs dem Schreibenden freigestellt ist. (Diese sind ebenfalls Bestandteile der beiden oberen Gruppen).

1 Zusammensetzungen und Ableitungen, die keinen Eigennamen als Bestandteil enthalten

Ein Bindestrich wird in Zusammensetzungen mit Einzelbuchstaben, Abkürzungen oder Ziffern gesetzt.

– Zusammensetzungen mit Einzelbuchstaben: A-Dur, i-Punkt, T-Shirt oder x-mal, …

– Zusammensetzungen mit Abkürzungen und Initialwörtern: Kfz-Schlosser, km-Bereich, Fußball-WM oder VIP-Lounge, …

– Zusammensetzungen mit Ziffern: 3-Tonner, 100-prozentig, 8-Zylinder oder 5-mal, …

Zusammensetzungen, die eine Verbindung aus Ziffern und Einzelbuchstaben enthalten: 80er-Jahre, 25er-Gruppe oder 1000stel-Milimeter, …

– Aneinanderreihungen: das Entweder-oder, das Teils-teils, das Sowohl-als-auch oder An-den-Haaren-Herbeiziehen, …

– Bestandteile mehrteiliger Zusammensetzungen, in denen eine Wortgruppe oder eine Zusammensetzung mit Bindestrich auftritt: A-Dur-Tonleiter, 2-Euro-Stück, Kopf-an-Kopf-Rennen oder Hals-Nasen-Ohren-Klinik, …

– Bei unübersichtlichen Zusammensetzungen aus gleichrangig, nebengeordneten Adjektiven: der wissenschaftlich-technische Fortschritt, ein lateinisch-deutsches-Wörterbuch, manisch-depressives Verhalten oder physikalisch-chemisch-biologische Prozesse, …

Ein Bindestrich kann gesetzt werden:

– Zur Hervorhebung einzelner Bestandteile: der dass-Satz, die Ich-Erzählung, die Hoch-Zeit oder die Soll-Stärke, …

– Bei unübersichtlichen Zusammensetzungen: Arbeiter-Unfallversicherungsgesetz, Lotto-Annahmestelle, Ultraschall-Messgerät oder Haushalt-Mehrzweckküchenmaschine, …

Hierbei stellt sich der Schreiber dann vermutlich die Frage, ab wann eine Zusammensetzung als zu unübersichtlich gilt. Genauso könnte man fragen, ab wann ein Wort als zu lang gilt, sodass man es mit Bindestrich schreiben sollte? Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach, dann selbst im Amtlichen Regelwerk gibt es dazu keine eindeutigen Vorgaben. Somit handelt es sich hier um einen weiteren Zweifelsfall bei der Bindestrichschreibung.

– Zur Vermeidung von Missverständnissen: Drucker-Zeugnis und Druck-Erzeugnis oder Musiker-Leben und Musik-Erleben, …

– Beim Zusammentreffen von drei gleichen Buchstaben in Zusammensetzungen: Hawaii-Inseln, Kaffee-Ersatz, See-Elefant oder Schiff-Fahrt, …

2 Zusammensetzungen und Ableitungen, die Eigennamen als Bestandteile enthalten

Ein Bindestrich wird in Zusammensetzungen, die als zweiten Bestandteil einen Eigennamen enthalten oder die aus zwei Eigennamen bestehen, gesetzt.

– Zusammensetzungen mit Personennamen: Frau Müller-Weber, Eva-Maria, Bäcker-Anna oder Foto-Müller

Wenn Zusammensetzungen mit einem ursprünglichen Personennamen als Gattungsbezeichnung gebraucht werden, so werden diese ohne Bindestrich und zusammengeschrieben: Gänseliesel, Heulsuse oder Meckerfritze, …

– geografische Eigennamen: Baden-Württemberg, Flughafen Köln-Bonn, Sachsen-Anhalt oder Rheinland-Pfalz, …

Von diesen Regeln abweichen können Zusammensetzungen mit einem geografischen Eigennamen, die ihrerseits zu einem geografischen Eigennamen geworden sind, wie zum Beispiel bei Neu Seehagen, Sankt Georgen, Königs Wusterhausen oder Berlin Schönefeld.

– Zwischen allen Bestandteilen mehrteiliger Zusammensetzungen, deren erste Bestandteile aus Eigennamen bestehen: Albrecht-Dürer-Allee, Albert-Einstein-Gedenkstätte, Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium oder Ernst-Ludwig-Kirchner-Straße, …

Ein Bindestrich kann gesetzt werden:

– In Zusammensetzungen, die als ersten Bestandteil einen Eigennamen haben, der besonders hervorgehoben werden soll, oder wenn der zweite Bestandteil bereits eine Zusammensetzung ist: Goethe-Ausgabe, Brecht-Jubiläumsausgabe, Ganges-Ebene oder Elbe-Wasserstandsmeldung, …

– Wenn ein geografischer Eigenname von einem nachgestellten Substantiv näher bestimmt wird: Frankfurt-Hauptbahnhof oder München-Ost, …

Bei Fremdwörtern gelten allgemein die gleichen Regeln, wie für das Deutsche: 7-Bit-Code oder Software-Spezialist, …

Die Analyse der Bindestrichschreibung hat gezeigt, dass es einige Aspekte gibt, die man beim Setzen eines Bindestriches beachten sollte. Wenn man diese als Schreiber jedoch beachtet, dann ist die richtige Anwendung der Bindestrichschreibung gar nicht so kompliziert und schwer.

Literatur

  • Gallmann, Peter (1989): Syngrapheme an und in Wortformen. Bindestrich und Apostroph im Deutschen. In Eisenberg, Peter / Günther, Hartmut (Hrsg.) (1989): Schriftsystem und Orthographie. Tübingen: Niemeyer (= Reihe Germanistische Linguistik 97). S. 9 – 15.      
  • Nerius, Dieter (2007): Deutsche Orthographie. 4. neu bearb. Aufl. Kap. 5.2.2.: Schreibungen mit Bindestrich oder Apostroph. Hildesheim: Olms. S. 187 – 193.
  • Rat für deutsche Rechtschreibung (2018): Regeln und Wörterverzeichnis. Kap. C: Schreibung mit Bindestrich. Mannheim: Rat für deutsche Rechtschreibung. S. 45 – 51.

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