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(Photo by Miguel Andrade on Unsplash)
(Photo by Miguel Andrade on Unsplash)

Helga’s Imbissbude



Helga: »Willkomm’ in Helga’s Imbissbude!
 
Wie geht’s? Was darf’s denn sein?«

Bernd: »Ich möcht’nen Hotdog.«
 
Mit Zwieb’ln, aber bitte ohne Tomate.«
 
Helga: »Tomaten haben wir nicht mehr, geht’s auch ohne Gurke?«
 
Helga: »Und für Sie?«
 
Martina: »Für mich Pommes, bitte.«
 
Helga: »Auf die Pommes ’was drauf?«
 
Martina: »Was kostets denn extra?«
 
Helga: »30 Cent.«
 
Martina: »Na dann tun Sie mir bitte ’nen halbes Hähnchen drauf.«


Vielen Dank, dass du Helga’s Imbissbude einen Besuch abstattest. Falls du aufgrund des vorangegangenen Dialogs schmunzeln musstest, dann vielleicht wegen des von Helga bereitgestellten Menüs oder aber auch durch die großzügige Verwendung der Apostrophe. Keine Sorge, die Apostrophnutzung ist keine höhere Wissenschaft. Der kleine Oberstrich begegnet uns im Alltag oft – vielleicht sogar zu oft?
Und das obwohl er vielen von uns in der Schule selten bis nie begegnet ist.

Laut Duden zeigt der Apostroph gewöhnlich an, dass in Wörtern etwas ausgelassen worden ist. Gelegentlich verdeutlicht er aber auch, dass an ein Wort eine Endung angefügt wurde. Würden wir das Hinzufügen einer Endung jedes Mal mit einem Apostroph kennzeichnen, so würde das wahrscheinlich in einem ziemlich unästhetischen Durcheinander ausarten. Was meint an dieser Stelle also „gelegentlich“?

Im Laufe der Zeit hat sich der Einsatz des Apostrophs mehrfach geändert. Kein Wunder also, dass wir hier ins Stocken geraten. In vielen Fällen können die Schreibenden sogar selbst entscheiden, ob sie einen Apostroph setzen wollen oder nicht. Trifft das auch auf Helga und ihre Imbissbude zu?

Werfen wir einen Blick in das Amtliche Regelwerk (2006), um der Sache auf den Grund zu gehen. Aber vorher:


Beginnen wir mit den Fällen, in denen laut Amtlichem Regelwerk ein Apostroph gesetzt werden MUSS.

(Photo by Jon Tyson on Unsplash)

Hier geht es um Namen.

Bei Namen, die auf -s, -ss, -ß, -tz, -z, -x oder -ce enden und ohne Artikel oder Präposition stehen, wird der Genitiv durch Anhängen eines Apostrophs gebildet. Wenn das Wortende aus einem -s oder einem ähnlich klingenden Laut besteht, ist der Apostroph also dringend von Nöten! Der Apostroph ersetzt hier das Genitiv-s.

Irgendwie verständlich, wie ich finde. Die Kombination aus einem -s und einem Genitiv-s würde schließlich ein typografisches Durcheinander auslösen und noch dazu könnte man es schlecht aussprechen. Das würde dann wahrscheinlich zu Formen wie „Hanss Pommes“ oder „Hanses Pommes“ führen.

Hans’ Pommes waren ziemlich lecker.
Franz’ Hotdog schmeckte auch nicht schlecht.
Felix’ Pommes konnte man unter dem ganzen Ketchup kaum mehr sehen.

Achtung: Dies gilt nicht, wenn vor dem Namen ein bestimmter Artikel (plus Attribut) steht.

Der Ketchup des hungrigen Felix.

Auch wenn -s, -z, -x usw. in der Grundform stumm sind, wird der Apostroph benötigt.

Cannes’ Filmfestspiele sind nichts gegen deine Pommes, Helga!

(Gut, dieses Beispiel ist etwas weit hergeholt. Aber wir bleiben im Kontext.)

(Photo by Pawel Czerwinski on Unsplash)

Hallo, ist da jemand?

Nun schauen wir auf Wörter, in denen etwas fehlt. Manchmal einzelne Buchstaben, manchmal aber auch Buchstabengruppen. Der Apostroph wird hier gesetzt, insbesondere wenn die Wörter sonst schwer zu verstehen sind.

Die Imbissbude ist direkt am Ku’damm!

Hört sich doch irgendwie cooler an als die Langform „Kurfürstendamm“, oder?

Bei uns in D´dorf ist die Currywurst nicht annähernd so gut, wie in Berlin.

…sagte der Düsseldorfer.

Die obligatorische Apostrophsetzung ist somit bereits abgeschlossen.


Kommen wir zu den Fällen, in denen die Schreibenden selbst entscheiden dürfen.

(Photo by Wolfgang Hasselmann on Unsplash)

Verschmelzungen

Wie es mit diesem Schneemann weitergeht, kann man sich bereits vorstellen. Bei dem fakultativen Einsatz des Apostrophs geht es ebenfalls zum großen Teil darum, dass etwas schmilzt: Hier verschmelzen nämlich Wörter miteinander. Das tun wir alle ganz automatisch im alltäglichen Sprachgebrauch.

Man kann den Apostroph setzen, wenn Wörter der gesprochenen Sprache mit Auslassungen bei der Verschriftlichung undurchsichtig sind. Er steht dann in der Regel da, wo etwas ausgelassen wird. Wenn Martina also ungeduldig auf ihre Portion Pommes wartet, könnte sie fragen:

Sag mal Helga, wird’s bald?

Damit meint sie „Wird es bald?“ und lässt das „wird“ mit dem „es“ verschmelzen. In diesem Beispiel ist der Apostroph nicht obligatorisch. Seit Zulassung der neuen Rechtschreibreform gilt der Apostroph an dieser Stelle als entbehrlich. Der Duden empfiehlt, diese Art von Apostroph wegzulassen und wahrscheinlich sind wir uns einig, dass dies dem Schriftbild sogar gut tun würde. Erlaubt ist es aber.

Wenn die Pommes dann endlich heiß und knusprig vor ihr stehen, könnte Martina sagen:

Hab vielen Dank!

In diesem Fall braucht es keinen Apostroph, da es sich um einen Imperativ handelt und diese Flexion so üblich ist. Das ist zwar nicht besonders freundlich, aber möglich.

Schieb rüber! Trink aus! Geh weg!

Wir können also festhalten, dass der Apostroph nur benötigt wird, wenn die weggelassenen Buchstaben tatsächlich vermisst werden. Wo keine Lesehilfe gebraucht wird und das Wort auch ohne Apostroph leicht verständlich ist, kann sie guten Gewissens weggelassen werden.

Der Apostroph kann gesetzt werden, wenn der unbestimmte Artikel „ein/eine“ zu „n“ verkürzt ist, was vor allem bei der Wiedergabe von gesprochener Sprache auftritt:

Ich hätte gern’ ne Portion Pommes.


Hier bitte KEINEN Apostroph verwenden!

(Photo by Dimitri Houtteman on Unsplash)

Bei Eigennamen im Genitiv steht in der Regel niemals ein Apostroph (außer bei Firmenschildern und Namen auf s-Lauten). Bei „Helgas Getränk“ wäre somit von einem Apostroph abzusehen.

Der Apostroph wird nicht gesetzt bei Verschmelzung von bestimmtem Artikel und vorangehender Präposition: Die Pommes liegt somit unterm Tisch und nicht
*unter’m Tisch.

Auch beim Plural-s hat der Apostroph nichts zu suchen. Wir sind heute mit zwei Autos hier und nicht mit zwei *Auto’s.
Stell dir mal vor, wir würden die Pluralbildung jedes Mal mit einem Apostroph markieren. Da kämen wir überhaupt nicht mehr zur Ruhe (*Radio’s, *Snack’s, *Sofa’s und dann konsequenterweise auch *Gabel’n,* Freund’e und *Auge’n?).

Zusätzlich zu erwähnen sind hier Abkürzungen, die im Plural stehen. Auch hier wird kein Apostroph gesetzt. (Meist braucht nicht mal ein -s angehängt zu werden)

Neben der Imbissbude parken häufig zwei Lkw(s).

Die Apostrophierung von Wörtern, die auf -s enden können wir uns ebenfalls sparen.

Nichts ist einfacher als das, oder?
Bereits der Gedanke gefällt mir.


Zeit für ein kleines Zwischenfazit.


(Photo by Micheile Henderson on Unsplash)

Nochmal zurück zu Helga und ihrer Imbissbude...

Auf ihrem Schild steht also „Helga’s Imbissbude“.
Wäre die Imbissbude im Besitz von Helgas Freundin Andrea, wäre die Sache um einiges eindeutiger. „Andrea’s“ Imbissbude erhält durch das Apostroph nämlich eine wichtige Information, und zwar, dass diese nicht Andreas gehört. Der müsste „Andreas’ Imbissbude“ auf sein Schild schreiben lassen, wäre er der stolze Besitzer der Imbissbude (Apostroph bei Genitiv von Wörtern, die auf -s enden).

Helga hingegen könnte auf ihren Apostroph verzichten. Ihre Grundform ist auch ohne Apostrophschreibung deutlich genug, da es den Namen „Helgas“ (zumindest im Deutschen) nicht gibt und das -s durch die Besitzverhältnisse im Genitiv zustande kommt. Auf dieser Tatsache beruhend, heißt es oft, der Apostroph sei ausschließlich als Auslassungszeichen gedacht und nicht etwa eine Lesehilfe für Deppen, die einen korrekten Genitiv nicht verstünden oder bei Wortbildungen auf -sch den Wortstamm erst suchen müssten.

Der Grund, warum die Schreibung des Apostrophs – auch über die genormten Kontexte hinaus – verwendet wird, scheint das Bestreben zu sein, Informationen über morphologische Strukturen explizit zu kennzeichnen. Eigentlich doch ein (den Leser_innen entgegenkommender) Grundgedanke, der in der Gesellschaft allerdings wilde Debatten auslöst.


(Photo by Cookie the Pom on Unsplash)

Und WIE?

Wenn man sich nun also sicher ist, ob ein Apostroph gesetzt werden soll oder nicht, muss es schnell gehen. Dann kommt manchmal das falsche Zeichen auf der Tastatur zum Einsatz. Die Darstellungsweisen dieses Zeichens variieren ebenso, wie die Meinungen darüber.
Der korrekt getippte Apostroph sieht aus wie ein hochgestelltes Komma. Er erinnert vielleicht sogar an eine 9. Abhängig von der gewählten Schriftart kann man ihn zudem an der leichten Schräglage erkennen. Fälschlicherweise wird häufig der gerade Apostroph „’“, der sich auf der deutschen Tastatur zwischen dem Ä und der Return-Taste befindet, verwendet. Eine weitere beliebte Variante ist das Minuten- oder Anführungszeichen.

Jetzt denkt vielleicht der ein oder andere, dass das nicht weiter auffällt. Dann nehmen wir einfach Schriftgröße 9 statt 12. Die typografisch korrekte Variante zu generieren ist aber gar nicht so schwer – manche Programme verbessern hier sogar schon automatisch.

Man erzeugt den Apostroph auf deutschen Tastaturen durch die Tastenkombination alt+0146 (Windows) oder alt+shift+# (Mac).


Save the date
Der 9. September ist übrigens der internationale Tag des typografisch richtigen Apostrophs. (Ja, wirklich!) An diesem Tag feiern alle Freunde und Freundinnen der gepflegten Schriftgestaltung den Ehrentag des Apostrophs und wollen somit die typografisch richtige Nutzung des Apostrophs betonen.

(Photo by Anne Nygård on Unsplash)

Hier noch eine kleine (wahre) Geschichte zum Abschluss: In Bristol säubert ein Unbekannter die Stadt von falsch gesetzten Apostrophen, indem er diese mit Stickern überklebt. Die Rechtschreibfehler auf Reklameschildern nerven ihn so sehr, dass er nachts durch die Straßen zieht und fleißig korrigiert.

In der Hoffnung, dass dich die Interpunktion nicht um deine Nächte bringt, darfst du hier gerne noch eine kleine Quizfrage beantworten.


Wer es genauer wissen will, kommt hier zur wissenschaftlichen Analyse und hier zu Literaturhinweisen. Wer diesen Text geschrieben hat, verrate ich hier.