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Weil das ist so nicht richtig

Carolins Gedanken nach diesem Chatgespräch:

In solchen Moment kommen mir als Germanistikstudentin immer die imaginären Ausrufezeichen in den Kopf, die mir mitteilen wollen, dass man das so nicht sagen kann, „weil das so nicht richtig ist“. In einem Nebensatz steht das finite Verb (also das konjugierte Verb) doch eigentlich immer am Ende des Satzes, so wie man es in der Schule (oder im Studium) zu Genüge gehört hat. Jetzt kommt Annalena um die Ecke und möchte mir erzählen, dass es sich hierbei um einen Zweifelsfall handelt? Also ich weiß ja nicht, ob sie damit so richtig liegt. Ich würde meine Hausarbeit doch auch nicht mit dem Satz beenden: „Diese Hausarbeit deckt die Zweifelsfälle der deutschen Sprache sehr umfassend auf, weil sie hat die neueste Literatur beachtet.“ Da würde ich vermutlich direkt einen dicken Punkt Abzug bekommen. Jetzt hat mich aber trotzdem die Neugierde gepackt und deshalb habe ich Annalena meine Gedanken geschildert und gefragt, ob sie mir diesen Sachverhalt genauer erläutern könnte.

Annalenas Antwort:

Natürlich würdest du das nicht in deiner Hausarbeit schreiben, weil du da auch sehr penibel und genau darauf achtest, wie du formulierst und dich ausdrückst und was genau du ausdrücken möchtest. Du schreibst deine wissenschaftliche Arbeit oder Emails an deine Dozent*innen ja auch nicht in der Umgangssprache oder schreibst du „Mooin Herr Diekamnn, meine Hausarbeit ist am Ende vom Chat wenn se Bock haben können sie ja mal reinschauen und mir ne coole Note da lassen?“ Auch wenn es ziemlich lustig wäre, aber in der Verschriftlichung achtet man eigentlich immer darauf, eine gewisse Distanz zum Gesagten herzustellen. Deswegen gehen wir erst einmal von der Mündlichkeit aus, oder wie bei uns, der Chatsprache.

Erst einmal Grundlegendes vorweg:
Du hast natürlich Recht, dass das finite Verb normalerweise am Ende des Nebensatzes steht. Also sowas wie: „Ich trinke Wein, weil er lecker ist.“
Weil leitet hier den kausalen Nebensatz ein, also im Grunde den Satz, der den Grund für etwas angibt. Jetzt hast du dich ja beschwert, dass das Verb bei meinem Satz aber nicht am Ende stand, sondern an einer anderen Stelle („Weil das ist so nicht richtig“). Das Verb steht hier genau genommen an der zweiten Stelle – und nein, ich habe mich nicht verzählt, das „weil“ wird in diesem Fall nicht mitgezählt, da es als Bindeglied zwischen zwei Sätzen steht und deshalb nicht zu einem Satz gezählt werden kann. Es handelt sich also schlau gesagt um einen weil-V2 Satz (weil-Satz mit dem Verb an der zweiten Stelle).
Steht das finite Verb am Ende des Satzes, so spricht man von weil-VL Sätzen (weil-Satze mit Verb in Letztstellung). Das solltest du dir merken, nicht dass du gleich verwirrt bist, was für einen kryptischen Geheimcode ich dir mit meinen Kürzeln senden möchte.

Merke!

Weil-V2 Sätze = Weil-Satz mit Verb an der zweiten Stelle

Weil-VL Sätze = Weil-Satz mit Verb am Ende

So: Jetzt zerpflücken wir die folgenden Sätze nochmal ein wenig weiter. Dazu möchte ich dir ein Beispiel zur Verdeutlichung zeigen.

Es hat einen Unfall gegeben, weil

  1. …der Airbag aufgegangen ist.
  2. … der Airbag ist aufgegangen.

Auf den ersten Blick denkst du, es gibt keinen Unterschied zwischen den beiden Sätzen? Dann pass mal auf:
Der erste Satz sagt aus, dass der Airbag die Ursache für den Unfall ist. Hier gibt der Nebensatz mit der Verbletztstellung also den Grund an: Durch den Airbag passierte der Unfall.
Beim zweiten Satz hingegen gibt der Nebensatz nicht den Grund des Unfalls an, sondern ist ein Hinweis darauf, dass es einen Unfall gegeben hat. Wenn ich erzählen würde, dass es einen Unfall gegeben hat, würde ich dir danach durch den Satz „weil der Airbag ist aufgegangen“ erläutern, woher ich das weiß. Alles klar soweit?

Natürlich gibt es hier aber auch nicht immer Bedeutungsunterschiede. Wie langweilig wäre es denn auch, wenn einmal was einheitlich und nur auf eine Weise funktionieren würde?  In einem Gespräch wäre es beispielsweise egal, ob jemand sagt:

„Ich komme heute nicht in die Uni, weil ich kann das alles schon“
oder
„Ich komme heute nicht in die Uni, weil ich das alles schon kann.“

In beiden Fällen kann die Person angeblich schon alles aus der Uni, weshalb sie nicht kommt und in beiden Fällen wird auch genau das ausgedrückt. Interessant dabei ist aber, dass man den ersten Satz mit der Verbzweitstellung eher verwenden würde, um eigene Entscheidung zu rechtfertigen und den zweiten Satz, um einen Grund anzugeben. Ob Entscheidung oder Grund, die Person wird die Uni ohnehin nicht betreten. 

Außerdem gehen einige Autoren bei „weil“ gar nicht mehr von einer Konjunktion aus, sondern „weil“  kann auch als Diskursmarker angesehen werden. Diskursmarker sind einfach füllende Wörter, die keine semantische Bedeutung haben, sondern lediglich unsere Unterhaltung strukturieren. Wird „weil” als Diskursmarker betrachtet, wird der weil-Satz als Hauptsatz angesehen und ich hätte Recht mit meiner Behauptung, dass es „weil das ist so nicht richtig“ heißt und deine Begründung, dass das finite Verb am Ende das Hauptsatzes stehen muss, wäre dann natürlich auch hinfällig. Diese V2-Stellung verfolgt dann zum Beispiel Funktionen wie das Einleiten von Zusatzinforamtionen, das Hinzufügen einer narrativen Sequenz oder sie wird genutzt, um das Thema zu wechseln.

Allerdings gebe ich dir Recht, dass man in der geschriebenen Sprache eher auf die Verbzweitstellung in Nebensätzen verzichtet, denn in der Verschriftlichung wird „weil“ eben noch als Konjunktion angesehen und in einem Nebensatz steht bekanntlich das finite Verb am Ende.

Carolins Antwort:

Hm okay, da hast du mich überzeugt. Und da ein Chat-Verlauf eher auf die mündliche Sprache zurückzuführen ist, muss ich mich wohl bei dir für die voreilige Verbesserung entschuldigen.

Nachdem dieser „Streit“ erfolgreich aufgelöst wurde noch ein Fakt am Ende: Früher war es teilweise ganz normal und üblich, dass die V2-Stellung genutzt wurde. Es handelt sich also um einen natürlichen Prozess des Sprachwandels. Vielleicht ist es mit der Verbzweitstellung ja wie mit der Mode und alles kommt und geht wieder mit dem Laufe der Zeit. Haltet also Ohren und Augen offen, dann seht ihr vielleicht nicht nur den Modewandel, sondern hört auch den Sprachwandel.  

Vielen herzlichen Dank an alle, die es bis hierher geschafft haben und natürlich auch an alle, denen das Thema zu langweilig war und die einfach den halben Inhalt weggelassen haben und nur noch das Ende lesen. Wir hoffen, wir konnten euch diese Thematik etwas näher bringen und vielleicht habt ihr ja auch eine Kleinigkeit  gelernt.

Der Blogeintrag ist hier vorbei, weil wir haben nichts Weiteres zu sagen. 🙂 Macht es gut und haltet Ohren und Augen offen.

Annalena Kunz und Carolin Purk

Wer sich mit dem Thema noch genauer auseinandersetzen will, findet hier unsere wissenschaftliche Analyse und nützliche Literatur:

1 thought on “Weil das ist so nicht richtig

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