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Wissenschaftliche Analyse Fugenelemente

In der vorliegenden Ausarbeitung soll dargelegt werden, wie es zu Zweifelsfällen bei verschiedenen NN-Komposita und deren Verfugung kommt und eine Tendenz dieses Sachverhalts gezeigt werden.

Ein Kompositum ist im Wesentlichen eine Wortzusammenfügung aus mehreren Kernen. Süßsauer, Kreuzfahrt, Schaden(s?)ersatz sind Beispiele für Komposita. Ein NN-Kompositum verbindet dabei zwei Substantive miteinander.

Eine Verfugung verbindet diese beiden Komposita. Entweder erfolgt die Verfugung wie bei “süßsauer” oder “Kreuzfahrt” nach der dem Schema N+ø+N oder wie bei “Schadensersatz” nach dem Schema N+x+N.

Bei NN-Komposita besteht dieses zusammengesetzte Wort aus zwei Substantiven. Der semantische Kern des neugebildeten Wortes kann dabei entweder endozentrisch oder exozentrisch sein. Endozentrische Komposita sind entweder Determinativkomposita, in denen das Erstglied das Zweitglied näher bestimmt (Blumentopf: Ein Topf für Blumen) oder Kopulativkomposita, in denen beide Bestandteile gleichermaßen zur Semantik beitragen (süßsauer, oder im Falle einer NN-Komposita: Kieselstein)

In exozentrischen Komposita enthält kein Glied den semantischen Kern: Handball (als Sportart) bezeichnet keinen Ball, der mit der Hand gespielt wird, sondern eine Sportart (vgl. Kopf, 2018. S.5).

Ein Blick in den Duden „Richtiges und gutes Deutsch“ zeigt, dass die s-Fuge für nahezu alle Zweifelsfälle bei Komposita verantwortlich ist. Kategorien in denen Schwankungen auftreten sind vor allem Zusammensetzungen mit -steuer, -straße, Verbalsubstantive in der Grundform, Zusammensetzungen von Substantiven und Partizipien, mehrgliedrige Zusammensetzungen und Fugen-s und Bindestrich Schreibungen. Letztere dienen eher der Verständlichkeit und schwanken kontextabhängig.

„Fugenelemente sind ein Paradebeispiel dafür, dass man manchmal ohne historisches Wissen, ohne Kenntnis früherer Sprachstufen, nicht auskommt und zu hoffnungslosen Fehldeutungen verleitet wird.“ (Wegener 2005, 157)

Das obige Zitat zeigt, dass eine diachrone Herangehensweise bei Fugenelementen dringend notwendig ist. So lassen sich im Indogermanischen Komposita in „eigentliche Komposita“ und „uneigentliche Komposita“ unterschieden. Diese Analyse konzentriert sich vor allem auf eigentliche Komposita, die schon früh die zwei Typen N+x+N und N+ø+N unterscheiden. Also NN-Komposita mit einer Verfugung und Komposita ohne Verfugung. Wichtig hierbei ist noch zu erwähnen, dass N+x+N- Komposita in fast allen germanischen Sprachen wesentlich später entstanden. Dies kann einen ersten Hinweis auf eine eventuelle Herkunft der Zweifelsfälle in dieser Thematik geben (vgl. Kopf 2018. S.4).

Diachron betrachtet lässt sich ein Wandel von Nullverfugung zur s-Fuge verzeichnen, auch wenn es in einer gegenwärtigeren Perspektive den Anschein erweckt, beide Varianten würden koexistieren.  Dieser Wandel erstreckt sich allerdings normalerweise über Jahrhunderte, deshalb sind Zweifelsfälle in einem solchen Zeitraum nicht ungewöhnlich. Dies gibt einen ersten Hinweis auf eine Tendenz des Wandels und auch über den Ursprung der Zweifelsfälle.

Diese Tendenz wird auch von der Tatsache gestützt, dass viele fachsprachliche Termini unverfugt bleiben, in der gesprochenen oder Umgangssprache allerdings mit einer s-Fuge verfugt werden. Da die Fachsprache als traditionall konservativer angesehen werden muss, lässt sich auch hier eine Tendenz zur s-Fuge erkennen (vgl. Nübling, Szczepaniak, 2010. S.221).

Nübling und Szczepaniak untersuchten außerdem die Phonologie der Zweifelsfälle. Hier stellte sich heraus, dass die Wortqualität stark zusammenhängt mit der Art der Verfugung. So fanden die Forscher heraus, dass Erstglieder mit unbetonten Präfixen zu 85% verfugen, solche mit betonten Präfixen allerdings nur zu 36% (vgl. Nübling, Szczepaniak, 2010. S.216). Hier zeigt sich, wenn auch nicht geschichtlich, aber immerhin für den gegenwärtigen Stand eine weitere Tendenz: die Phonologie hat durch die Wortqualität des Erstglieds einen maßgeblichen Einfluss auf den beobachtbaren Sprachwandel.

Diachron betrachtet sind diese Ergebnisse nicht signifikant (vgl. Kopf, 2017. S. 192). Kopf schlussfolgert daraus eine Fehleinschätzung der Forscher Nübling und Szczepaniak, lässt dabei allerdings außer Acht, dass Nübling und Szczepaniak selbst darauf verweisen, dass diese Entwicklung nur auf die Gegenwart bezogen werden kann: „Das Fugenverhalten wird heute phonologisch gesteuert, […].“ (Nübling, Szczepaniak 2010, S. 217)

Zusammenfassend ist fest zu halten, dass die Verfugung von NN-Komposita eine deutliche Tendenz von der Null-Fuge zur s-Fuge aufweist. Geschichtlich betrachtet befindet sich die Germanistik mitten in einem jahrhundertelangen Prozess des Sprachwandels, der sowohl diachron als auch phonologisch eine deutliche Richtung aufweist. Daraus lässt sich allerdings nicht schließen, dass die s-Fuge immer der Null-Fuge vorzuziehen ist um somit „der Zeit voraus“ zu sein. Es gibt keine verlässliche, allgemeingültige Regelung zur Verfugung von NN-Komposita.  

Literaturhinweise:

Eisenberg, Peter (Hg.). 2007. Duden – Richtiges und gutes Deutsch: Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle (Der Duden in zwölf Bänden 9), 6. Aufl. Mannheim [u.a.]: Duden.

Kopf, K. (2017). Fugenelement und Bindestrich in der Compositions-Fuge., in von Heusinger, K., Müller, G., Plag, I., Primus, B., Stark, E., Wiese, R. (Hg.): Linguistische Arbeiten, Band 565

Kopf, K. (2018). Fugenelemente diachron. Eine Korpusuntersuchung zu Entstehung und Ausbreitung der verfugenden N+N-Komposita., in Dürscheid, C., Gardt, A., Reichmann, O., Sonderegger, S. (Hg.): Studia Linguistica Germanica. Band 133. Walter de Gruyter GmbH, Berlin/ Boston 2018.

Nübling, D., Szczepaniak, R. (2010). Was erklärt die Diachronie für die Synchronie der deutschen Gegenwartssprache? Am Beispiel schwankender Fugenelemente., in Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte, 2010, Vol.1, pp.205-224