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Wissenschaftliche Analyse


„Das Semester ist ja bald vorüber“

Eine linguistische Beschreibung von Partikeln aufgezeigt an der Analyse von ja


1 Einleitung

Partikeln sind wichtige Elemente der deutschen Sprache, da sie zusätzliche für die Kommunikation relevante Informationen zu Sprecher, Hörer und Interaktionskontext übermitteln können. Da ihre Bedeutung und Funktion recht vielfältig sein kann und je nach Kontext variiert, stellen sie besonders für diejenigen, die Deutsch als Fremdsprache lernen, eine Herausforderung dar. Ohne Partikeln würde das Deutsche jedoch sehr grob und hölzern klingen. Kirstein spricht im Fall von Modalpartikeln gar von einer durch sie erzeugten „Gesprächsstimmung“, einer „atmosphärischen Situationsabtönung“ (1983, S. 215).

Einer allgemeinen Betrachtung der Partikeln mit ihren Eigenschaften und Funktionen folgt eine eingehendere Untersuchung bezogen auf die Partikel ja. Zum besseren Verständnis und zur Veranschaulichung sind zu den Erklärungen Beispiele aufgeführt. Diese Beispiele sind selbstgewählt.

2 Partikeln im Allgemeinen

Der Terminus Partikeln wird in der Sprachwissenschaft sehr unterschiedlich verwendet und bedarf daher einer genauen Eingrenzung. Sehr weit gefasste Bedeutungen verstehen unter den Partikeln alle unflektierbaren Wörter, also Präpositionen, Konjunktionen, Adverbien, einige Negationswörter und die Partikeln im engeren Sinne (vgl. Helbig 1988, S. 19). Enge Auffassungen beschränken Partikeln auf eine Restgruppe von Wörtern, die sich durch die Abgrenzung zu den bereits vorhandenen Wörtern definiert. Demnach können sie im Gegensatz zu den Adverbien kein eigenständiges Satzglied bilden und besitzen keinen Fügteilcharakter wie die Präpositionen oder Konjunktionen (vgl. Helbig 1988, S. 20f.). Daran anschließend ist die Definition im Duden (2015) formuliert, die der weiteren Untersuchung als Grundlage dienen soll. Demnach ist eine Partikel ein „unflektierbares Wort, das eine Aussage oder einen Ausdruck modifiziert und selbst kein Satzglied ist (z. B. „ja“ in „Ist ja unglaublich!“)“.

Die Partikeln lassen sich gemäß ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten in diverse Subklassen unterteilen. Zu den wichtigsten gehören die Abtönungspartikeln (im Folgenden Modalpartikeln), die Gradpartikeln, die Steigerungspartikeln, die Temporalpartikeln sowie die Antwortpartikeln. Die Modalpartikeln werden an gegebenen Stellen ausführlicher behandelt, da ihr Einfluss auf die Satzbedeutung, die sog. „Abtönung“, auch im Hinblick auf die Partikel ja als besonders relevant erscheint.

2.1 Merkmale und Funktion

Aufgrund der hohen Heterogenität der Partikeln sind deren Merkmale zunächst prototypisch anzusehen. Nicht selten kommt es zu Ausnahmen und Abweichungen in bestimmten Kontexten oder Satz- bzw. Wortkombinationen. Nichtsdestotrotz lassen sich einige zentrale Eigenschaften festmachen, die helfen sollen, einen Überblick über den Sachverhalt Partikeln zu erlangen.

Wie oben bereits erwähnt, sind Partikeln nicht flektierbar und müssen sich daher keinem anderen Element im Satz angleichen. Außerdem können Partikeln kein eigenständiges Satzglied bilden, sie sind immer Teile von Satzgliedern (oder Satzäquivalente). Aus demselben Grund sind Partikeln (bis auf einige Ausnahmen im Bereich der Modalpartikeln) auch nicht erststellenfähig, bedeutet, dass sie nicht allein in der Position vor dem finiten Verb stehen können (vgl. Helbig 1988, S. 22).

(1a) Er ist ja sicher angekommen. 
(1b) *Ja ist er sicher angekommen.

Genauso ergibt sich aus dem fehlenden Satzgliedstatus, dass Partikeln nicht erfragbar sind:

(2) Wäre er bloß Zuhause geblieben.
   - Wie wäre er Zuhause geblieben?
   - *Bloß.

Neben syntaktischen Merkmalen heben auch semantische Merkmale die Partikeln gegenüber anderen Wortarten hervor. Partikeln teilen sich mit z.B. Konjunktionen oder Artikeln zunächst die Eigenschaft einer fehlenden lexikalischen Bedeutung. Sie referieren nicht auf außersprachliche Einheiten und gehören damit zu den Synsemantika (vgl. Müller 2014, S. 16f.). Darüber hinaus leisten sie aber auch keinen Beitrag zur wahrheitsfunktionalen Bedeutung (vgl. ebd.). Der Wahrheitsgehalt des Satzes wird nicht dadurch berührt, dass eine Partikel hinzu- oder weggenommen wird, ebenso wenig führt dies zu grammatischen Einschränkungen, wie es bei z.B. Präpositionen der Fall wäre. Die zentrale Funktion der Partikeln ist daher nicht, einen grammatikalisch oder inhaltlich richtigen Satz zu bilden, sondern die Äußerung in einer Weise zu modifizieren, sodass sie den Beteiligten zusätzliche Informationen außerhalb des Gesagten liefert.

Der Bedeutungsbeitrag der Partikeln lässt sich anhand einiger zentraler Annahmen umreißen. Die Hauptrolle spielen dabei die Modalpartikeln, auf sie wird daher im Folgenden genauer eingegangen. Die Sprachwissenschaft ist sich weitgehend einig, dass Modalpartikeln zunächst

1. die Einstellungen, Voraussetzungen und Erwartungen des Sprechers zum besprochenen Sachverhalt ausdrücken (vgl. Helbig 1988, S. 56, Müller 2014, S. 18).

(3a) Am Montag ist halt Uni (, aber das ist nicht so wichtig). 
(3b) Am Montag ist doch Uni (, da muss ich hin).

2. Zweitens geben sie dem Rezipienten Hinweise zur Wahrnehmung, Beurteilung und Interpretation des Gesagten im Interaktionskontext.

(4a) Geh bloß nicht (, sonst werde ich wütend). 
(4b) Geh doch nicht (, ich bitte dich darum).

3. Drittens lassen sich Rückschlüsse auf die mit der Äußerung verbundenen Sprechhaltung schließen. Die Funktion von Modalpartikeln wird in diesem Zusammenhang auch als „illokutionsmodifizierend“ bezeichnet (vgl. Helbig 1988, S. 57). Unter Illokution wird der Handlungszweck einer Äußerung verstanden, also die Absicht, mit der eine Äußerung getan wurde (z.B. Drohung, Ratschlag, Aufforderung etc.). Illokutionstypen wie z.B. die Assertion (Behauptung, Hypothese, Schluss etc.) oder die Direktive (Befehl, Bitte etc.) werden durch die Modalpartikeln verdeutlicht und genauer spezifiziert (vgl. Müller 2014, S. 30f.).

4. Viertens ordnen Modalpartikeln das Gesagte in den Kommunikationszusammenhang ein, indem sie dessen Stellenwert und Funktion verdeutlichen (vgl. Müller 2014, S. 18).

(5a) Wollen wir vielleicht anfangen? (Wir müssen nicht, wenn ihr nicht wollt). 
(5b) Wollen wir mal anfangen? (Es ist schon spät).

5. Fünftens stellen Modalpartikeln Bezüge zu vorangegangenen Äußerungen her und wirken so verknüpfend und konversationsstrukturierend (vgl. ebd.).

(6) Horst ist ja vom Pferd gestürzt (, wie wir alle wissen).

3 Die Partikel ja

Die Partikel ja ist in verschiedenster Weise im Deutschen anzutreffen und bietet daher einer eingehenden Untersuchung genug Möglichkeiten. Bei der Einteilung und Klassifizierung der verschiedenen Varianten einer Partikel stehen sich bedeutungsminimalistische Auffassungen und bedeutungsmaximalistische Auffassungen gegenüber. Eine bedeutungsmaximalistische Einteilung hat diverse in Bedeutung und Funktion unterschiedliche Varianten zum Ergebnis. Eine bedeutungsminimalistische Sichtweise versucht hingegen statt vieler einzelner Varianten auf eine übergreifende Gesamtbedeutung zu schließen (vgl. Müller 2014, S. 38). Im Folgenden wird ein eher bedeutungsminimalistischer Weg gewählt, da nicht davon auszugehen ist, dass die Varianten einer Partikel in ihren Bedeutungen und Funktionen getrennt voneinander betrachtet werden können (vgl. Hentschel 1986, S. 121).

3.1 Betontes ja

Die betonten Varianten von ja sind häufig abgesondert vom Satzverband zu finden. In diesem Fall agieren sie als Satzäquivalente und sind notwendigerweise betont. Zum einen dient ja als positive Antwort auf eine Entscheidungsfrage (7). Zum anderen als allgemeine Zustimmung bei Aussage- oder Aufforderungssätzen (8).

(7) Hast du das verstanden? – Ja. 
(8) Das ist ein schöner Tag heute. – Ja (, finde ich auch).

Das zuvor Gesagte wird bestätigt und als korrekt bezeichnet. Bei einer negierten Entscheidungsfrage müsste die positive Antwort mit doch formuliert werden (vgl. Helbig 1988, S. 170).

Ebenso auf Vorangegangenes referierend, aber mehr als Rückmeldungs- und Aufmerksamkeitssignal gemeint, dass man den Redebeitrag zur Kenntnis genommen hat, ist der Gebrauch in (9). Eine hierfür typische Situation sind Telefongespräche (vgl. Helbig 1988, S. 171). Schließlich kann ja auch auf einen Folgesatz verweisen und damit die Übernahme der Sprecherrolle einleiten (10).

(9) Wo war nochmal das Cafe? – Ja, daran kann ich mich auch nicht mehr erinnern. 
(10) Damit wäre alles geklärt. – Ja, ich möchte noch einmal anmerken, dass …

Eine weitere Variante ist das mit Frage-Intonation, einer Äußerung nachgestellte ja. Es findet Verwendung bei der Vergewisserung der Aufmerksamkeit und kann gleichzeitig den Gesprächspartner zum Antworten auffordern (11) (vgl. Müller 2014, S. 152). Außerdem kann damit die Richtigkeit einer Aussage erfragt werden, von deren Inhalt man selbst noch nicht überzeugt ist (12) (vgl. ebd.).

(11) Und morgen sind wir dann bei Oma, ja?
(12) Die Pflanze ist echt, ja?

Ein betontes ja kann auch satzintegriert vorkommen, in diesem Fall ist die Betonung zwar eher unüblich, kann aber nicht ausgeschlossen werden (vgl. Hentschel 1986, S. 152). Die Variante ist in diesem Fall einem Gradpartikel sehr ähnlich und wird bei Helbig (1988) auch als ein solcher klassifiziert. Sie bezieht sich auf eine nachfolgende Satzeinheit (Substantivgruppe, Adjektiv etc.) und dient der Steigerung, der Hervorhebung des Nachfolgenden. Üblich ist auch die Kombination mit sogar.

(13) Die Studierenden, ja sogar die Dozenten waren empört über die neuen Regelungen.

Schließlich kann die bewusste Betonung von ja innerhalb des Satzes eine Aufforderung oder Entscheidungsfrage als besonders dringend hervorheben. Die Äußerung wird illokutiv als Warnung oder Drohung verdeutlicht (vgl. Helbig 1988, S. 168).

(14a) Komm ja nicht zu spät!
(14b) Hast du auch ja keinen Spickzettel dabei?

3.2 Unbetontes ja

Die Vorkommensweisen von unbetontem ja lassen sich in zwei Arten unterteilen. Erstens tritt unbetontes ja in Assertionen auf. In diesem Fall wird der Sachverhalt als allgemein bekannt bzw. als allgemeingültig dargestellt (15) (vgl. Hentschel 1986, S. 157). Ist jedoch kein Vorwissen beim Hörer vorhanden, kann der Gebrauch von ja auch überheblich und ignorant wirken. Eine Einschränkung ist u.a., dass ja nicht in restriktiven Nebensätzen auftreten kann, da restriktive Nebensätze stets Informationen tragen, die den Sachverhalt identifizierbar machen und daher nicht beim Rezipienten vorausgesetzt werden können (z.B. stellt im Satz „Alle Hunde, die braun sind, bellen“, der Einschub „die braun sind“ eine notwendige Spezifizierung dar und kann nicht mit ja ergänzt werden) (vgl. Hentschel 1986, S. 160).

(15) Er fährt ja morgen nach Bremen.

Zweitens tritt unbetontes ja in Exklamationen auf. Hier drückt es Erstaunen und Überraschung über einen anders erwarteten Sachverhalt aus. Hierbei wird nur ausgedrückt, dass etwas ist (16a), nicht jedoch, wie es ist (16b) (vgl. Helbig 1988, S. 166).

(16a) Du bist ja groß geworden! (Erstaunen darüber, dass er groß geworden ist).
(16b) Du bist vielleicht groß geworden! (Dass er wächst wurde erwartet, aber nicht so hoch).

4 Gesamtbedeutung und Fazit

Alle Varianten von ja haben gemeinsam, dass sie einen affirmativen Charakter haben, das heißt sie bezeichnen alles, was sie beschreiben, als richtig oder zutreffend. Zudem wird eine mögliche Kenntnis beim Rezipienten vorausgesetzt (vgl. Hentschel 1986, S. 163). Im Fall von ja in Entscheidungsfragen muss diese Richtigkeit erst noch gesichert werden. Wird ja trotz der Möglichkeit der unbetonten Realisierung betont, wird damit außerdem die Dringlichkeit einer positiven Entwicklung des Sachverhaltes ausgedrückt (vgl. Hentschel 1986, S. 156).

Darüber hinaus bezieht sich ja immer auf eine Information innerhalb oder außerhalb des Gesagten. Als Satzäquivalent bestätigt es den Inhalt eines Satzes oder es verlangt die Herstellung bzw. Sicherung des Inhalts in einer Entscheidungsfrage oder Aufforderung. In anderen Varianten dient ja dazu, den Rezipienten illokutiv Informationen über die eigene Haltung und Absicht zu einer Äußerung mitzugeben. Die Situation ist dabei ein wichtiger Faktor zur Einordnung und Interpretation des Gesagten.


Literatur

Duden (2015): Partikel, die. In: Duden – Deutsches Universalwörterbuch. 8. überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Bibliographisches Institut GmbH (Zugriff über Munziger Online: 01.07.2020).

Helbig, Gerhard (1988): Lexikon deutscher Partikeln. 1. Aufl. Leipzig: Verlag Enzyklopädie Leipzig.

Hentschel, Elke (1986): Funktion und Geschichte deutscher Partikeln. Ja, doch, halt und eben. Tübingen: Max Niemeyer Verlag.

Kirstein, Britta (1983): Partikeln und Sprechsituation. In: Harald Weydt (Hrsg.): Partikeln und Interaktion. Tübingen: Niemeyer, S. 213–225.

Müller, Sonja (2014): Modalpartikeln. Heidelberg: Winter (= Kurze Einführung in die Germanistische Linguistik. 17).