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Sägen und Segen

Der Zweifelsfall Ä – Wo liegt das Probläm?

Moment mal! Norddeutsche Sprecher nutzen eher einen E-artigen Laut? Dann ist die Geschichte ja nicht nur total an den Haaren herbeigezogen, sondern auch noch FALSCH!

Ja, zugegeben. Erwischt. Eigentlich dürfte unser guter Pfarrer Josef gar nicht sÄgen sagen, sondern SEgen. Aber das zugrundeliegende Problem ist trotzdem gut erkennbar in der Geschichte, oder?

Nein?

Kein Problem… Es geht um Wörter, die sich nur durch einen Laut unterscheiden, aber unterschiedliche Bedeutungen haben. Der Sprachwissenschaftler spricht hier von sogenannten Minimalpaaren.

Wenn es um das Ä geht, hat die deutsche Sprache auch einige Minimalpaare zu bieten! Die Schreibung dieser ist zugegebenermaßen nicht immer gleich, aber wer die Wörter wie ein waschechter Norddeutscher nuschelt, der wird keine Probleme haben die Lücken im folgenden Text zu stopfen.

Gerade die letzten Minimalpaare machen sehr deutlich, dass Zweifelsfälle bei der norddeutschen Aussprache des Äääähs schnell entstehen können. Gleichzeitig erklären die Sätze aber auch, warum es eigentlich kein Problem darstellt, wenn das Ä nicht lautlich realisiert wird.

Schriftsprache vs. Mündlichkeit

Es geht um Sprechsituationen und nicht um geschriebene Sprache.

Nuschelnde Norddeutsche haben kein Problem damit zu wissen, welches Wort eines Minimalpaares gemeint ist, denn sie sprechen ja miteinander. Das bedeutet, sie können sich gegenseitig anschauen, die Situation und Umgebung wahrnehmen und im Zweifelsfall sogar unmittelbar nachfragen. Man spricht auch von einer face-to-face-Situation.

Niemand würde im Schriftverkehr Feta und Väter verwechseln. Beide Wörter sind einfach zu unterschiedlich geschrieben, als dass hier eine Gefahr bestünde.

Bei vom Schriftbild her ähnlicheren Wörtern, wie Bären und Beeren, hilft ein genauer Blick in den Text.


Wörter ohne Probläm?

Nebenbei bemerkt gibt es im Deutschen nicht nur Minimalpaare mit Ä, deren Aussprache variiert. Auch Wörter ohne Konfliktpartner unterliegen der Ä-Aussprachevarianz.

Beispiele dafür finden sich recht schnell:

  • Käse – Kese
  • später – speter
  • Käfer – Kefer
  • erzählen – erzehlen
  • und so weiter
  • und so fort

Warum Aussprachevarianzen bei diesen Wörtern eher nicht zu Zweifelsfällen führen erschließt sich von selbst…


Auch Norddeutsche können “richtig” reden…

Das Problem von Minimalpaaren ist den meisten Sprechern tatsächlich garnicht bewusst, solange sie nicht unmittelbar mit einem Konfrontiert werden! Wenn aber ein Konflikt erkennbar ist, versuchen nahezu alle Sprecher des Deutschen sich am Schriftbild zu orientieren und einen klanglichen Unterschied zwischen den Minimalpaaren zu erzeugen.


Um weiter am Fall meiner Geschichte zu sägen hier eine weitere Darstellung des IDS:

Aussprachevariationen: SägenSegen

Zu sehen ist die Aussprache des Wortes sägen, wenn diese als Minimalpaar (Segen – sägen) erhoben wird.

Es fällt auf, dass fast überall ein /ɛː/ ausgesprochen wird. Nur einige, sture Österreicher beharren auf der Gleichlautung des Minimalpaares.


Wer es etwas genauer wissen will, kommt hier zur wissenschaftlichen Analyse und hier zu Literaturhinweisen.