Bei meiner Recherche vor Ort (Denkort Bunker Valentin) fiel es mir schwer, ein Fundstück zu „entwenden“. Nicht nur weil ich es in diesem Moment als unpassend empfand, sondern auch, weil mir nichts direkt ins Auge sprang. Beispielsweise waren viele der Steine auf dem Parkplatz vor dem Bunker gerade neu aufgeschüttet worden und spiegelten für mich wenig Authentisches wider.
Sodann „entwendete“ ich während meines Besuches in der Gedenkstätte Bergen – Belsen eine Wildblume. Ich empfand dies als richtig, da sich in ihr so viel widerspiegelt. Die Gedenkstätte ist mittlerweile ein Biotop in der Lüneburger Heide. Alles ist grün und blüht. Für mich ist dies so faszinierend, weil auf dem Boden, der jetzt überwuchert ist von so viel Schönheit, die die Natur hervorbringt vor nun 75 Jahren so viel Leid und Tod stattgefunden hat. Im Dokumentationszentrum Bergen – Belsen spricht eine der Überlebenden des Konzentrationslagers darüber, dass es neben dem Hunger und den vielen Leichen das Schlimmste war, „dass es in der ganzen Gegend keinen einzigen Baum gab. Keine einzige Blume, keinen einzigen Vogel, der sang.“ Ich wählte eine leicht abgeknickte Blüte, doch zunächst ließ sie sich trotzdem schwer lösen, als würde sie an diesem Ort bleiben wollen. Als ich mich fast entschied sie dort zu lassen, ließ sie sich doch noch lösen. Ich ging mit ihr über das Gelände und legte sie auf dem kühlen Beton des Denkmals nieder. Zuhause trocknete ich die Pflanze und ging davon aus, dass sie ihre Farbenpracht nun bald verlieren würde. Doch bis heute ist sie immer noch strahlend violett. Widerstandsfähig und robust, wie an dem Tag als ich sie „entwendete“. So entschied ich mich, der Pflanze auf einem anderen Weg ihre Farbe zu „entziehen“ und fertigte eine schwarz- weiß Kopie an. Wirkt die Pflanze so passender zu ihrem Entstehungsort? Danach habe ich assoziativ alle Worte niedergeschrieben, die ich mit dieser Pflanze in Verbindung brachte, um mich intensiv mit dem Fundstück auseinanderzusetzten. Was passiert jetzt mit dem Fundstück? Die Pflanze bleibt zunächst Teil meiner Dokumentationen, die ich während des Gedenkstättenbesuches anfertigte.