Die Gedenktafel für das KZ-Außenlager Porta Westfalica

Johanna Schroeder

“NICHT-WISSEN-WOLLEN
IST DIE BEDINGUNGSLOSE
KAPITULATION“
 
PIERRE BLETON,
EINER VON 4000 HÄFTLINGEN
IN DER AUßENSTELLE PORTA
DES KZ NEUENGAMME 
1844/45

Inschrift der Gedenktafel

Gedenkstein Porta Westfalica
Gedenkstein Porta Westfalica

Nimmt man die Hauptstraße Kirchsiek für einen Spaziergang durch und um die kleine Innenstadt Hausberge, so kommt man unweigerlich an einem Mahnmal vorbei, dass der jüdischen Mitbürger Hausberges gedenkt, die der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von 1933 bis 1945 In Porta Westfalica zum Opfer gefallen sind. Das übermannshohe Mahnmal befindet sich zwar an einem sehr präsenten Punkt der viel Befahrenen Straße, dennoch wissen wohl die wenigsten im Landkreis Minden-Lübbecke von seiner Existenz und Bedeutung. 

Auch ich wusste lange Zeit nichts von der Gedenktafel und den weiteren Orten in Porta – wie dem Dax 1 – die an die schrecklichen Ereignisse des nationalsozialistisch geprägten Kapitels der Stadt erinnern. Sehr überraschend, wenn man sich bewusst macht, dass sich keine 8 km von diesem Ort aufgewachsen bin. Jetzt wo ich diesen Gedenkort kennengelernt habe und weiß, was hier gegen Kriegsende passiert ist, finde ich es sehr traurig, dass weder meine Schule noch mein Umfeld diesen Ort thematisiert hat, geschweige für einen Ausflug in Betracht gezogen hat. 

Mahnmal am Grünen Markt in Hausberge

Mein erster Eindruck, als ich mich der Gedenktafel näherte, äußerte sich in Ehrfurcht und gleichzeitigem Unwohlsein. Die künstlerische Aufbereitung und Darstellung der Motive auf der Bronzetafel wurden sehr schön dargestellt. Während der Betrachtung wurde mir klar, dass der Erschaffer dieser Gedenktafel sehr bewusst – und möglicherwiese auch mit Einbeziehung eigener Gefühle? – an die Arbeit gegangen sein muss. Die emotional aufgeladenen Abbildungen von weiblichen und männlichen Häftlingen, die scheinbar aus dem Stein in die Umgebung treten wollen, haben großen Eindruck auf mich gemacht. 

Das zu Anfang beschriebene Unwohlsein resultierte aus der Umgebung in dem sich das Mahnmal befand. – Direkt an einer viel befahrenen Straße gelegen und damit ungewöhnlich laut für einen Ort des Gedenkens. Auf der anderen Seite befindet sich das Mahnmal am Grünen Markt, eine kleine künstlich angelegten Parkanlage. Dadurch wirkt alles sehr schön begrünt und natürlich. Interessant finde ich den Kontrast, der durch die optisch ruhige und natürliche Parkidylle auf der einen und der lauten, viel befahrenen Hauptstraße auf der anderen Seite entsteht. Stellt man sich seitlich auf den Bürgersteig, so entsteht das Gefühl zwischen zwei ganz unterschiedlichen Orten zu stehen. Die Stelle, an dem das Mahnmals platziert wurde, bringt durch die zentrale Lage natürlich seine Vorteile, aber eben auch einige Nachteile mit sich.  

Im Hinblick auf die Instandhaltung des Mahnmals kann ich sagen, dass die Bodenplatte bei meinem Besuch leider sehr verschmutzt war und daher leicht ungepflegt auf mich wirkte. Nachdem ich einmal um den Stein herumgegangen bin, habe ich bemerkt, dass an die Rückseite der Tafel ein vertrockneter Blumenkranz angelehnt war. Dabei stellte ich mir folgende Fragen: Wer hat den Kranz dort abgelegt? Wie lange liegt er dort schon? Wer kümmert sich um die Gedenktafel?

Nachdem ich wieder zuhause angekommen bin, begann ich zu recherchieren. Dabei fand ich heraus, dass die Stadt Porta im Jahre 2009 den Verein KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V. gegründet hat. Dessen Zielsetzung ist es, den historischen Kontext der Portaner KZ-Außenstellen und NS Rüstungsprojekte weite aufzuarbeiten und Wege des Erinnerns innerhalb der Gesellschaft zu schaffen. 

Im Rahmen kriegswirtschaftlicher Maßnahmen wurden 1944 / 1945 Rüstungsbetriebe unterirdisch in Stollen des Wiehengebirges und des Wesergebirges in Porta Westfalica untergebracht. Unter unsäglichen menschenverachtenden Arbeits- und Unterbringungsbedingungen mussten Häftlinge aus dem KZ Neuengamme, zwangsverpflichtete Arbeiter und Arbeiterinnen aus den von Deutschen besetzten Gebieten, aber auch gegen ihren Willen verpflichtete deutsche Männer und Frauen, schuften und leiden. Viele fanden dabei den Tod, andere erkrankten schwer. Ihnen allen gilt ein ehrendes Andenken.

Vor dem Mahnmal wurde eine weitere Bronzetafel als Erläuterung im Boden eingelassen. Ihr Text lautet wie folgt:

Im Rahmen kriegswirtschaftlicher Maßnahmen wurden 1944 / 1945 Rüstungsbetriebe unterirdisch in Stollen des Wiehengebirges und des Wesergebirges in Porta Westfalica untergebracht. Unter unsäglichen menschenverachtenden Arbeits- und Unterbringungsbedingungen mussten Häftlinge aus dem KZ Neuengamme, zwangsverpflichtete Arbeiter und Arbeiterinnen aus den von Deutschen besetzten Gebieten, aber auch gegen ihren Willen verpflichtete deutsche Männer und Frauen, schuften und leiden. Viele fanden dabei den Tod, andere erkrankten schwer. Ihnen allen gilt ein ehrendes Andenken.

“Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt oder jung, müssen die Vergangenheit annehmen. Wir alle sind von ihren Folgen betroffen und für sie in Haftung zu nehmen Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985”

Stadt Porta Westfalica 1992

Historischer Hintergrund

Gegen Ende des zweiten Weltkriegs verlagerten die Nationalsozialisten kriegswichtige Industrien in sichere Gebiete. Dazu gehörte auch die Region um Porta Westfalica. Besonders der Jakobsberg in Porta Westfalica, der heute zu den beliebtesten Ausflugszielen in der Region zählt, schien einen optimalen Ort zu bieten, um die Produktionsstätten unterirdisch zu verlagern und sie so vor alliierten Luftangriffen zu schützen. Der über 200 Meter hohe Berg bot einen weiteren Vorteil; er war bereits mit Sandsteinhöhlen ausgestattet, die zum Zwecke der Nationalsozialisten erweitert werden konnten. Unterhalb des Kaiser-Wilhelm-Denkmals befand sich der Stollen im Wiehengebirge.

Die Bauleitung des Untertageverlagerungsprojekts hatte ein Ingenieurbüro aus Berlin inne (SS-Sonderinspektion I). Diese hatte ihren Sitz im Hotel „Großen Kurfürst“. Bergmännisch wurde das Projekt von Bergleuten der Gewerkschaft Porta betreut, doch die körperlichen Schwerarbeiten im Stollen wurden ausnahmslos von KZ Häftlingen durchgeführt. Die Häftlinge kamen aus dem Konzentrationslager Neuengamme.

Eingang der Produktionsanlage in Porta Westfalica (1944-1945), Dachs 1 und Stör 1

In Porta Westfalica entstanden in der Nähe von Produktionsstätten und Baustellen insgesamt drei KZ-Außenlager, die meisten von ihnen im letzten Kriegsjahr. Bis 1945 existierten in Norddeutschland über 85 Außenlager des KZ Neuengamme. Die Häftlinge aus dem Außenlager in Porta, die an dem Ausbau der Stollens beteiligt wurden, kamen in den Lagern Barkhausen, Neben und Hausberge unter. Die rund 3.000 Häftlinge, Männer sowie Frauen, lebten und arbeiteten dort ein Jahr lang unter inhumanen Bedingungen. 

Am 9. Oktober 1992 wurde das Mahnmal für die gesamte Stadt Porta Westfalica durch den damaligen Bürgermeister Heinrich Schäfer im Beisein zweier Überlebender und der Witwe von Pierre Bleton, einer der Überlebenden des KZ-Außenlagers, feierlich eingeweiht. Es soll an die unmenschlichen Bedingungen, unter denen diese Menschen dort gehalten wurden, erinnern und mahnen, dass so etwas nie wieder passieren darf.  

Geschichte der Lager

Für die Unterbringung der KZ Häftlinge beschlagnahmte die SS das Hotel „Kaiserhof“ in Barkhausen. Aus dem mitten in der Nachbarschaft gelegenen Gebäude wurde innerhalb kürzester Zeit ein Ort des Grauens. Insgesamt existierten drei KZ Außenlager in Porta Westfalica. An dem Ausbau der unterirdischen Produktionsstätten waren nur die KZ Häftlinge aus dem Lager in Barkhausen beteiligt. Von März 1944 diente das historische Gebäude „Kaiserhof“ ca. 12 Monate als Konzentrationslager für die bis zu 1500 dortigen Gefangenen. Aufgrund von fehlenden historischen Überlieferungen können die Todeszahlen nicht genau bestimmt werden. Durch Hochrechnungen seitens Historikern werden die Opferzahlen aber auf 500 bis 600 geschätzt.

Nicht nur die Versorgung der in 12 Stundenschichten schwerstarbeitenden Häftlinge wurde in den Lagern nicht gesorgt, auch fehlte es zu Beginn des Ausbaus an vernünftigem Werkzeug und Maschinen, Hacke, Schaufel und Schubkarre waren die Regel.

Später kam zu den bereits existierenden drei Lagern in Porta Westfalica noch ein viertes kleineres Lager hinzu, das sich im ehemaligen Gasthof Kohlmeier befand. Noch im März 1944 wurden etwa 250 Frauen aus dem KZ Ravensbrück in Vennebeck interniert. Doch auf Grund ihrer extremen körperlichen Entkräftung konnten sie nicht mehr zur Arbeit gezwungen werden.