Bunker Valentin

Ein Wandeln entlang überwältigender morbider Mauern
von Finja Ortmann

„Die Freie Hansestadt Bremen erinnert mit diesem Mahnmal an die Unmenschlichkeit der deutschen Faschisten. Das Millionenheer der KZ- Häftlinge mußte für die deutsche Kriegsmaschinerie schuften und sterben.“

Da ich mich während dieses Sommersemesters in der Nähe von Bremen aufhalte und man die Fahrt nach Farge großartig mit einer Radtour verbinden kann, habe ich mich für meine Recherche für den „Gedenkort Bunker Valentin“ entschieden. Da der Bunker bis vor kurzen aufgrund der aktuellen Lage für Besucher unzugänglich war, habe ich für meine erste Recherche ‘lediglich‘ einen Spaziergang um das Gebäude herum gemacht. Lediglich in Anführungszeichen, da es sich meiner Meinung nach lohnt, bei diesem gigantischen Denkort kleinschrittig vorzugehen. Insbesondere weil man sonst von den Eindrücken schnell erschlagen wird und überfordert sein könnte.

Der Rundweg führt mich entlang von mehreren Stationen um den „Bunker Valentin“. Der Ort erschließt sich anhand von Spuren, die durch die Stationen markiert sind.

Durch historische Fotos, Aussagen von Zeitzeugen und kurzen Erläuterungen kann man sich über die Geschichte des Bunkers informieren. Der Weg beginnt bereits am Mahnmal „Vernichtung durch Arbeit“, das mich sehr faszinierte und meine Aufmerksamkeit direkt auf sich zog.

Mahnmal „Vernichtung durch Arbeit“
Das Kunstwerk des Bremer Bildhauers Friedrich Stein wurde 1983 eingeweiht.

Mir fiel sofort auf, dass das Denkmal – wie der Bunker selbst- aus Stahlbeton gefertigt wurde. Es repräsentiert Menschen, die von den Massen eines gebrochenen Pfeilers o.ä. zerdrückt werden. Die zerdrückten, übereinandergestapelten Menschen wirken knochig und ausgemergelt. Es repräsentiert die Opfer, die dieser Bunkerbau gefordert hat.

Die am Sockel angebrachten Texttafeln beschreiben das Bemühen der Freien Hansestadt Bremen, erstmals Verantwortung für die eigene Geschichte zu übernehmen. Das Leiden und Sterben der Gefangenen wird in kurzen Sätzen geschildert. Der Text endet mit dem Schwur:

„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg – jede Anstrengung für den Frieden in der Welt“.

In Auszügen wird der Text in zwölf Sprachen auf weiteren Tafeln wiederholt: Französisch, Russisch, Polnisch, Dänisch, Englisch, Griechisch, Italienisch, Niederländisch, Serbo-Kroatisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch. Es sind die Sprachen der Nationen aus ganz Europa, die an diesem Ort unter unmenschlichen Bedingungen arbeiteten und starben.

Bunkers zur Weserseite
Kalkmaserungen im feuchten Beton
Die Schleusenkammer, die in die Weser führen sollte

Subjektive Wahrnehmung

Sobald man den Bunker das
erste Mal zwischen den Bauernhäusern herausragen sieht, überkommt einen ein
Schauder und ein Gefühl des Unbehagens. Das Bauwerk wirkt überwältigend,
erdrückend aber auch morbid. Zudem war das Wetter an diesem Tag kalt, nass und
bewölkt und spiegelte meine Grundstimmung während des Rundgangs wider. Bei
einem Blick in das innere der Schleusenkammer hört man das Regenwasser von der
Decke plätschern, was dem monströsen Bauwerk auch gleichzeitig den Schleier des
Vergänglichen überwarf. Vor dem Denkmal liegen
Blumenkränze, die aufgrund des 75-jährigen Kriegsende niedergelegt wurden.  Ebenso lang steht der Bunker nun auch an der Weser und atmet noch heute die Geschichte des Leids und der Demütigung. Man
wollte nicht sprechen an diesem Ort, man wollte nur die Stimmung auf sich wirken lassen und gedenken. Sehr prägend war für mich der
Moment als ich den „Sammelplatz vor der Kantine“ betrat. Mir wurde bewusst,
dass hier auch die Bestrafungen der Arbeiter stattfanden. Zudem fand hier auch die Essensausgabe statt, an der die Arbeiter täglich eine dünne Suppe mit Brot
zu sich nahmen. Dies war in Anbetracht der Anstrengungen, die sie täglich zu leisten hatten, nicht im Ansatz genug. Nach ein paar Monaten wogen die meisten
Häftlinge nur noch so viel, wie die Zementsäcke von 50 kg, die sie in Massen
über weite Strecken täglich tragen mussten. An dieser Stelle fällt es mir
schwer in Wort zu fassen, was eine solche Vorstellung mit mir macht. Neben diesem schweren
Unbehagen, den der Ort in mir auslöste ist noch zu nennen, dass der Bunker, der
für den Krieg gefertigt wurde, nun friedlich genutzt wird. Die bröckelnden
Fassaden der Oberfläche des Betongiganten lassen eine trügerische Idylle
entstehen, die ablenkt von den barbarischen Greultaten, die das Hitlerregime an
dieser Stelle, auf diesem Boden verübt hat. Mittlerweile hat die Natur „die
Regie“ über den Bunker übernommen. Das Grau des Betons wird von Grün gerahmt
und ein Biotop ist entstanden. Das alles macht das schroffe Bauwerk etwas
weniger abweisend für mich. Es hat eine Art natürliche Veränderung stattgefunden. In
ehemaligen Bombenkratern haben sich Tümpel gebildet und das Bunkerdach ist
überwuchert mit Moos und Gräsern. Am Ende des Rundgangs hatte
ich den Eindruck erschöpft zu sein, denn der Weg um den Bunker ist kein kleiner
Fußmarsch. Doch dann wurde mir bewusst, dass die Arbeiterkolonnen der
Gefangenen jeden Morgen und jeden Abend den Weg vom Lager zur Baustelle gehen
mussten. Dieser Weg betrug insgesamt 10 km. Dies nahm neben der 12 stündigen
Arbeit am Bunker noch weitere zwei Stunden Kraft und Energie in Anspruch. An
dieser Stelle kam mir mein Gefühl der Erschöpfung schnell makaber und
lächerlich vor. Junge Menschen aus ganz Europa
wurden hier zusammengetrieben, dienten der Nazikriegsmaschinerie, verloren Familie, Freunde, Heimat und zahlreiche auch ihr Leben. Verdeutlicht durch die zahlreichen Schrifttafeln und die gleichzeitige Präsenz des Bunkers löste es
bei mir einerseits eine Mischung aus Betroffenheit, ob der endlosen
Einzelschicksale, die dieses Betonbauwerk noch heute umklammert,  andererseits war ich überwältigt von der
unfassbaren Größe diesers Mahnmals.