Fotografieren?

Einige hatten beim Fotografieren am Ort ihrer Recherche ein ungutes Gefühl.
Woher kommt dieses Gefühl?

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11 Responses to Fotografieren?

  1. Anja Lambers says:

    Auch ich habe mich beim Fotografieren des Gedenksteins für die 74 deportierten Sinti vom Ziegelhofgelände unwohl gefühlt. Ich denke das Gefühl kommt zum Teil daher, dass man eigentlich schöne Momente im Leben fotografisch festhalten möchte. Ein Gedenkort für verstorbene Menschen hat dabei natürlich nichts mit einem schönen Moment zu tun. So fühle ich mich zum Beispiel auch unwohl, wenn ich das Grab meiner Großeltern fotografiere. Mir fällt es dabei schwer, genau zu sagen, woher dieses negative Gefühl kommt. Vielleicht, weil das Fotografieren oftmals einen “Touri-Charakter” hat, wobei man einfach überall draufhält, ohne dass man sich die Fotos im Nachhinein nochmal anschaut. Ich denke ich habe mich bei der Gedenkstätte zudem unwohl gefühlt, weil sie so nah an einer vielbefahrenen Straßen liegt und mich somit auch viele Menschen beim Fotografieren sehen könnten. Sie könnten sich fragen, was ich da mache, ob ich eine Angehörige der Opfer bin oder sie könnten mein Verhalten respektlos finden. Wäre der Gedenkstein völlig abgeschottet im Wald gewesen, wo mich niemand hätte sehen können, hätte sich das Fotografieren denke ich nicht so unangenehm angefühlt.

  2. Shila Haji Mirza Aghassi says:

    Ich kann Anja sehr zustimmen, auch ich fühlte mich beim Fotografieren bei dem Besuch der Gedenkstätte Bergen-Belsen zunächst sehr unwohl. Nachdem sich aber ein dokumentarischer Charakter zum Zwecke der Besprechung im Seminar für mich ergab – und damit eine Art von “Sinn” oder “Nachhaltigkeit” der Fotos – fiel mir das Fotografieren wesentlich einfacher. Wenngleich ich weiterhin sehr darauf geachtet habe, eher das weitläufige Gelände zu fotografieren, als beispielsweise eines der Massengräber.
    Ich denke, dass hinter diesem Empfinden teilweise auch die mediale Flut an Bildern steht, der wir heutzutage ausgesetzt sind. Es macht eine Fotografie häufig zu einem unbedachten Akt, der nebenbei geschieht. Es wird nicht gezielt fotografiert und das entstandene Bild ist eines von Hunderten auf dem Smartphone. Letzteres macht für mich auch einen wesentlichen Unterschied: fotografiere ich mit einem Handy oder einer Spiegelreflexkamera? Je nach dem, ändert es irgendwie die Wertigkeit des Bildes. Der Aufwand ist ein anderer. In Kombination mit einem Ort, an dem man Gedenken und verweilen will, löst dann die Schnelllebigkeit einer Fotografie vielleicht das unangenehme Gefühl aus.

  3. Judith Luisa Polley says:

    Ich kann Anja und Shila nur zustimmen. Ich fühlte mich auch beim Fotografieren bei der Recherche vor Ort unwohl. Vermutlich hängt es damit zusammen, dass sich die Gedenktafel an einem recht lebhaften Ort in der Stadt befindet und viele Autos, Fahrräder und Fußgänger vorbeikommen. Dennoch würde ich eigentlich behaupten, dass die Unsicherheit unbegründet ist und ein Interesse an dem Gedenkort ja völlig legitim ist (die anderen Leuten wissen ja nicht mit welcher Intuition ich Bilder mache).
    Das Fotografieren in der Öffentlichkeit würde ich dennoch oftmals mit dem Fotografieren von Touri-Orten assoziieren/in Verbindung bringen und erscheint mir an einer Gedenkstätte eher als unpassend (vor allem wenn einfach schnell ein Foto mit dem Smartphone geschossen wird und dann weitergegangen wird).
    In Bergen-Belsen fiel es mir auch leichter zu fotografieren, da ich mich insgesamt auf den Ort einlassen konnte und keine anderen Reize wie eine viel befahrene Straße auf mich einprasselten. Dennoch erschien mir der Blick durch die Kamera als zusätzliche Störung, da ich mich nicht mit dem bloßen Auge in dem Moment auf den Ort einließ. Ebenso empfand ich es als unpassend, Fotos von und an diesem Ort zu machen (auch wenn es durch das Seminar und einem Arbeitsauftrag legitimiert werden kann).

  4. Fenja Marie Knop says:

    Ich kann mich meinen Vorrednerinnen nur teilweise anschließen. Ich habe mich beim Fotografieren für die Dokumentation der Recherche vor Ort nicht unwohl gefühlt. Ich habe die Fotos gemacht, um mir den Ort später noch einmal bildlich besser ins Gedächtnis zu rufen und mich z.B. daran zu erinnern, was auf den Gedenksteinen etc. stand. Allgemein arbeite ich gerne mit Fotos und daher ist mir der Blick durch die Kamera auch nicht fremd. Besser gesagt finde ich es sogar teilweise auch faszinierend, was man durch die Linse erblicken und wie man einen Ort, in nur einem kleinen Ausschnitt, festhalten kann. Das gilt ebenfalls für Gedenkorte.
    Auch in der Gedenkstätte Bergen-Belsen hatte ich keine Probleme Bilder zu machen. Allerdings finde ich es manchmal angebracht den Ort ohne die Kamera zu erkunden und auf sich einwirken zu lassen. Oftmals begleitet sie mich nur anfangs und anschließend möchte ich den Ort durch meine Augen sehen.
    Ich kann mir aber dennoch vorstellen, was Anja schon angesprochen hatte, dass das ungute Gefühl eben durch diesen ‘Touri-Charakter’ hervor kommen kann.

  5. Sandra-Sabrina Schwerz says:

    Mir geht es wie Fenja. Ich habe mich beim Fotografieren für die Recherche vor Ort nicht unwohl gefühlt. Das kann daran liegen, dass ich mich in einem Wald befunden habe, der auch sonst für Touristen und Einheimische zum Wandern, Spazierengehen, Reiten, Fahrradfahren etc. genutzt wird. Auch der ehemalige Schießstand wird regelmäßig von Kindern als “Spielplatz” benutzt. Ich gehe fest davon aus, dass der Gedenkstein (neben seiner Geschichte), bewusst dort in der Natur platziert wurde, um von zufälligen Wanderern, etc. entdeckt zu werden. Es wurde sich bewusst dafür entschieden, ihm keinen abgetrennten Bereich zum Gedenken zu geben, sondern ihn in die Natur zu integrieren. Somit ist wahrscheinlich auch die Hemmschwelle geringer, Fotos von einem Gedenkstein zu machen.
    Ich kann dennoch gut nachvollziehen, dass es im Rahmen eines Gedenkstättenbesuchs anders ist Fotos zu machen, da dort der gesamte Ort (meistens wie in Bergen-Belsen auch ein abgegrenzter Bereich zur “Außenwelt”) eine andere Atmosphäre hervorruft. Ich denke mir aber meistens, dass Fotos auch die Kraft haben eine Geschichte zu erzählen. Mithilfe von Fotos kann der Besuch einer Gedenkstätte auch in Erinnerung bleiben und mit anderen geteilt werden. Daher würde auch das Gedenken an die Opfer weitergetragen werden, unterstützt durch Fotos und verbalen Input.

  6. Franciska Henning says:

    Ich kann meinen Vorrednern zustimmen, auch wenn ich selbst sehr unterschiedliche Erfahrungen zu dem Thema gemacht habe.
    Wenn ich in Neuengamme bin, einem Ort den ich inzwischen so gut kenne, fällt mir das Fotografieren tatsächlich auch schwer. Es fühlt sich nicht richtig an dort Bilder zu machen, als würde ich dabei die Ruhe und den Frieden der Toten stören. Gleichzeitig habe ich an anderen Orten, wie zum Beispiel Fort Breendonk in Belgien, die Erfahrung gemacht, dass mir die Kamera eine große Stütze war die Erfahrung des Ortes von mir abzugrenzen. In Breendonk wurde nach dem Krieg alles exakt so gelassen wie es war, dementsprechend stehen dort noch die Pfeiler an denen Menschen erschossen wurden, und der Galgen direkt daneben. In einzelnen Strafzellen liegen noch Fußfesseln auf dem Boden, an der Wand hängen noch schwarze Säcke, die Gefangenen ganz gern mal über den Kopf gestülpt wurden um sie zu desorientieren und weiß der Geier was noch. Ich habe dort erlebt das ich einige Orte nicht einmal betreten wollte, also hatte ich lieber die Kamera vor der Nase. Ich war von meinen eigenen Gefühlen zu überwältigt um mir über Respekt gegenüber den Toten Gedanken zu machen. In dem Fall musste ich mich nur selber schützen. Die Bilder, die ich durch die Kamera gesehen habe, haben mir gereicht und ich habe sie noch immer im Kopf. Doch die Dateien davon schaue ich mir nicht mehr an. Ich denke wenn ich nach Auschwitz gehe werden die Gefühle ähnlich sein. Dennoch bin ich dankbar für diese Erfahrung und würde gern auch noch einmal weitere solcher Orte besuchen. Doch ich fürchte es läuft darauf hinaus jeden dieser Orte dann nur einmal zu besuchen.

  7. Johanna Schroeder says:

    Auch ich hatte zunächst bei meinem Besuch des Mahnmals in Porta Westfalica ein ungutes Gefühl als ich meine Kamera/Handy zuckte um die Gedenktafel sowie die Umgebung für mich fotografisch festzuhalten. Dieses Unwohlsein wurde bei mir unter anderem durch die Umgebung verursacht. Wie bereits in meinem Blogpost geschildert, liegt das Mahnmal zwar in einem begrünten Arial, aber dieses liegt wiederum unmittelbar an einer viel Befahrenen Straße mit Fußgängerweg. Zum einen wurde das Gefühl also durch die Umgebung und die potentiellen Menschen, die mich beobachten könnten verursacht. Zum anderen rührte es aber auch aus der Aktion heraus. Ich war ja gerade im Begriff ein Mahnmal, also etwas sehr bedeutsames zu fotografieren und keine allseits bekannte touristische Sehenswürdigkeit. Doch als ich mich dann näher an die Tafel herantastete und Fotografien aus verschiedenen Perspektiven machte, verflog das Unwohlsein schnell und ich konzentrierte mich auf das Mahnmal, mich und meine Fotografien. Schlussendlich glaube ich, dass wenn ich anstelle meines Handys meine Kamera mitgenommen hätte das unwohl Gefühl sogar schneller verflogen wäre, da eine Kamera immer etwas professionelles und bewusstes im Gegensatz zu einem Handy in der Hand ausstrahlt.

  8. Alysha Burrichter says:

    Wie auch die meisten meiner Vorrednerinnen, fühlte ich mich, während ich Bilder gemacht habe, bei der Recherche vor Ort nicht wohl. Es scheint in meiner Situation wahrscheinlich daran gelegen zu haben, dass der Zugang zu dem Gelände eigentlich verboten war und ich trotzdem reingangen bin. Ich wüsste nicht, ob ich mich sonst unwohl gefühlt hätte, aber wahrscheinlich schon. Das könnte zum einen daran liegen, dass es mir unangenehm ist, wenn andere Menschen mich beobachten, wie ich Bilder einer Gedenkstätte oder auch von anderen Orten mache. Zum anderen fühlt es sich nicht richtig an, an einem Ort, der entweder Menschen gedenkt, oder an dem die Menschen gequält wurden oder verstorben sind, Bilder zu schießen.
    Auch wenn ich es persönlich nicht als unangebracht empfinde und niemanden verurteilen würde der das tut, scheint ja ein gesellschaftlicher Konsens zu bestehen, der das Fotografieren an solchen Orten verbietet.

  9. Lavinia von Hören says:

    Die meisten meiner Vorredner haben es bereits so beschrieben, wie ich es auch empfunden habe. Bei meiner Recherche vor Ort habe ich ein starkes Gefühl von Unwohlsein beim Fotografieren gespürt – vielleicht, weil ich mit dem Fotografieren von Orten in der Öffentlichkeit immer auch etwas Touristisches verbinde (obwohl dieser Ort keine touristische “Sehenswürdigkeit” ist). Vielleicht aber auch, weil ich es in dem Moment als sehr unpassend empfunden habe, eine Gedenkstätte fotografisch festzuhalten.

    Während des Besuchs der Gedenkstätte Bergen-Belsen habe ich zwar nicht ganz so viel Unwohlsein verspürt, aber das komische Gefühl blieb. Zunächst waren wir fast alleine auf dem Gelände, sodass ich mir nicht komisch dabei vorkam, Fotos zu machen. Als jedoch mehr Besucher das Gelände betraten, merkte ich, dass ich versuchte, mich in meinem Kopf für das Fotografieren zu rechtfertigen. Ich redete mir ein, dass es eine Rechercheaufgabe des Seminars sei und versuchte, die vermeintlichen Blicke der anderen Besucher zu ignorieren (es ist gut möglich, dass ich mir die Blicke nur eingebildet habe bzw. nur das Gefühl hatte, komisch angeguckt zu werden). Zudem fühlte es sich falsch an, an einem Ort, der dem Gedenken dient und an dem Menschen gelitten hatten, Fotos zu machen.

  10. Alicia Alexy says:

    Ebenfalls möchte ich mich meinen Kommiliton*innen anschließen und erwähnen, dass sich das Fotografieren von Mahnmahlen und Gedenkstätten unangenehm anfühlt. Ich habe eine gewissen Scham empfunden, als würde ich etwas pietätloses tun und die Ruhe der Todesopfer stören.
    Auch als sich Menschen näherten und mich beim Fotografieren beobachteten, wurde dieses Gefühl verstärkt. Andererseits habe ich mich auch in meiner Position berechtigt gefühlt und gleichzeitig einen urteilenden Blick reflektiert.

  11. Valerie Elisabeth Schwenke says:

    Ich kann mich den vorherigen Beiträgen nur anschließen. Auch für mich war das Fotografieren an den Gedenkstätten mit einem gewissen Unwohlsein verbunden, sodass ich mich regelmäßig umsah, um zu schauen, ob viele Menschen um mich herum waren. Ich wartete häufig Momente ab, in denen ich mich nicht gesehen fühlte und ohne viel Aufsehen einige Fotos schoss. Jedoch war es mir wichtig diese Orte dokumentieren zu können, um mich zuhause nochmals stärker daran erinnern zu können und so hätte ich es wohl bei Rückfragen auch mit dieser Dokumentation für den universitären Kontext begründet.
    Woher genau dieses Gefühl stammt, kann ich auch nicht genau benennen. Es ist wohl eine Mischung aus Schamgefühl und dem Eindruck, dass es unangemessen ist solche Ort zu fotografieren, da es “Touri-mäßig” ist. So erfuhr ich bei meinem Besuch des Denkort Bunker Valentin, dass dieser in den 50er Jahren ein beliebtes Postkartenmotiv war, also als Sehenswürdigkeit angesehen wurde, bis es zu einer Aufarbeitung in den 80er Jahren kam. Bei Angehörigen, die solche Orte zur Erinnerung an das Leid ihrer Angehörigen fotografieren hätte solche Bedenken.

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