was bedeutet eigentlich “verarbeiten”?

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7 Responses to was bedeutet eigentlich “verarbeiten”?

  1. Judith Luisa Polley says:

    Schlägt man im Duden nach, so erhält man als eine mögliche Facette des Wortes “verarbeiten” die Erklärung “geistig, psychisch bewältigen”. Allein das psychisch weißt schon darauf hin, dass es individuell passiert und jede Person Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen unterschiedlich verarbeitet. Sie werden vielleicht mit anderen Erlebnissen in Verbindung gebracht und dann als positiv oder negativ eingestuft. Ebenso kann der Prozess der Verarbeitung unterschiedlich lange dauern, manche nicht so einschlägigen Ereignisse sind vielleicht schnell verarbeitet und finden dann im Nachdenken nicht mehr so viel Beachtung, andere Erlebnisse treffen tief das Innere eine Person und es dauert womöglich Jahre, um sie zu verarbeiten (hier würde ich negative Erlebnisse wie Tod, Verlust, Krankheit einordnen), wenn dies überhaupt jemals möglich ist. Als Verarbeiten würde ich den Prozess beschreiben eine Erfahrung innerlich zu bewältigen, mit ihr klar zu kommen und sie als Teil des Lebens zu akzeptieren ohne das sie auf die Dauer einen massiven Raum einnimmt und zu starker psychischer Belastung führt.

    Dennoch finde ich es schwer exakt zu beschreiben, was genau verarbeiten ist und wie der Prozess abläuft und vor allem, ob es einen Zeitpunkt gibt, wo dieser als abgeschlossen bezeichnet werden kann.
    Ich denke der Aspekt des Verarbeitens ist ein wichtiger Punkt, wenn es um die Exkursion mit einer Schulklasse in eine NS-Gedenkstätte geht und über die sich die Lehrkraft Gedanken machen muss. Denn im Vorfeld stellt sich die Frage, welche Eindrücke hinterlässt dieser Besuch bei den SchülerInnen, wie gehen sie psychisch damit um? Wie “verarbeiten” sie diesen? Welche persönlichen, familiären Aspekte spielen dort mit hinein?

  2. Anja Lambers says:

    Ich finde Judiths Ansatz sehr spannend und würde dem vollkommen zustimmen! Ich denke auch, dass man die Frage nicht konkret beantworten kann, da das Verarbeiten ein individueller Prozess ist. Wenn ich mit einer Schulklasse einen Gedenkstättenbesuch plane, könnte ich mich auch fragen, welche Vorerfahrungen die Schüler*innen vielleicht gemacht haben beziehungsweise welches Vorwissen sie haben, welches möglicherweise deren Verarbeitung des Gesehenen vor Ort beeinflussen könnte. Beispielsweise könnte ein Schüler aus einer Familie kommen, wo viel darüber geredet wurde, dass der Uropa in einem KZ war und wie er dort gestorben ist. Für diesen Schüler werden an einer Gedenkstätte dann vielleicht andere Bilder im Kopf entstehen, da er einen sehr persönlichen Bezug hat, und diese könnten es dann für ihn schwerer machen, die Erlebnisse an diesem Gedenkort zu verarbeiten.

    Außerdem denke ich, dass man sich auf einen Ort und dessen Geschichte einlassen muss, um das Gesehene überhaupt verarbeiten zu können. Wenn man die Gedenkstätte überhaupt nicht an sich ranlässt und nur Informationen auf sich einprasseln lässt, gibt es im Nachhinein glaube ich auch nichts, das man noch verarbeiten muss. Aus diesem Grund ist meiner Meinung nach ein subjektiver Zugang zur Gedenkstätte wichtig, damit die SuS sich auf ihn einlassen können.

  3. Fenja Marie Knop says:

    Ich kann mich Judiths Überlegungen ebenfalls anschließen und finde diese sehr spannend! Für mich ist Verarbeiten ein Prozess, in dem der Menschen ganz individuell denkt und handelt. Ich glaube es gibt kein ‘Wundermittel’ oder Vorgehensweise, die einem diesen Prozess abnimmt und zur vollen Zufriedenheit erleichtert. Ebenfalls glaube ich, dass das Verarbeiten ein Prozess ist, welcher nie völlig abgeschlossen wird.
    Verdrängung, Akzeptanz, Ignoranz, Wahrhaben, Bewältigung, Nachdenken, Schuldgefühle etc. sind Begriffe, die mit dem Verarbeiten einhergehen und welchen auch Raum gegeben werden muss, da eben jeder Mensch anders damit umgeht.

    Als Lehrkraft sollte man sich dessen bewusst sein und als Unterstützung für die Schüler*innen bereit stehen. Wie Anja schon meinte, kann man nie genau sicher sein, welchen persönlichen Bezug die Jugendlichen mit dieser Geschichte verbinden. Ebenso finde ich es an dieser Stelle wichtig sich selbst die Frage zu stellen, welche persönlichen Bezüge bestehen könnten. Es können nicht nur Verwandte Opfer der damaligen Ereignisse sein, sondern ebenfalls Täter. Vielleicht wurde diese dunkle Vergangenheit in der Familie verschwiegen, vielleicht aber auch nicht und die Jugendlichen sind sich diesen Taten bewusst, haben Schuldgefühle und können mit diesen nur schwer umgehen/ verarbeiten. Als Lehrkraft sollte man sich ebenfalls dessen bewusst sein, um alle Möglichkeiten abzuwägen, wenn dies überhaupt machbar ist.

  4. Valerie Elisabeth Schwenke says:

    Ich schließe mich den vorherigen Kommentaren an. Das Verarbeiten fasse ich ebenfalls als einen individuellen Prozess auf, den jede/r für sich selbst durchlebt. Zudem denke ich, dass es schwierig ist das Ende dieses Prozesses festzumachen, wohl jede/r unterschiedlich lange braucht um gewisse Dinge zu verarbeiten. Möglicherweise ist besteht dieser Prozess lebenslang und wird immer wieder aufs Neue angeregt und ergänzt.
    Als Lehrkraft kann man sich nie sicher sein, ob die gesamte Lerngruppe gewisse Inhalte verarbeitet hat und wie tiefgreifend dieser Prozess sich bei der/dem Einzelenen vollzieht. Jedoch ist es die Aufgabe der Lehrperson, den SchülerInnen genügend Methoden und Zugänge an die Hand zu geben, sowie Räume zu eröffnen, die Verarbeitungsmöglichkeiten anbieten. Dafür kann ein Gedenkstättenbesuch meines Erachtens als sinnvolle Ergänzung aufgefasst werden, die den Verarbeitungsprozess anregen kann und andere Zugänge eröffnet, als der Unterricht.
    In Kontext zum Nationalsozialismus ist das Verarbeiten ein wichtiger Aspekt, der von der Lehrkraft eine gewisse Sensibilität erfordert. Sie muss die SchülerInnen auf diesen Besuch vorbereiten und ihnen als Ansprechperson zur Seite stehen.

  5. Sandra-Sabrina Schwerz says:

    Ich schließe mich den obigen Kommentaren an. Ich denke auch, dass das Verarbeiten ein individueller Prozess ist, der unterschiedlich lange (auch Jahre) dauern kann. Auch wenn verarbeiten meistens psychisch vonstattengeht, bin ich auch der Ansicht, dass dieser Prozess durch andere unterstützt werden kann/soll/muss, um diejenigen, die etwas zu verarbeiten haben, nicht allein zu lassen. Dies ist jedoch immer vom eigenen Empfinden abhängig wie Hilfe angenommen wird.
    Im Allgemeinen jedoch ist das Thema “verarbeiten” nicht ganz greifbar, da sich vielleicht viele Schüler*innen verschließen. Dann kann der Prozess des Verarbeitens nur bedingt unterstützt und angenommen werden. Die Lehrkraft könnte jedoch den Schüler*innen gewisse Räume öffnen, sowie Methoden und Konzepte vorstellen und durchführen, um Themeninhalte zu verarbeiten und einen subjektiven, individuellen Zugang zu schaffen.

  6. Dorothea Cramer says:

    Die bisherigen Kommentare spiegeln wieder, dass es bei den Prozessen von Verarbeitung immer auch um subjektive Bewältigung geht und das die Rolle einer Lehrperson möglicherweise die eines Strategie-Vermittlers sein kann. Hier wird deutlich, dass neben aller fachlichen Ausbildung von uns Studierenden auch pädagogisches und psychologisches Know-How von erheblicher Bedeutung für die Lehrerbildung ist. Zudem würde ich eine persönliche Selbstreflexive Haltung als Grundlage für ein gutes und vertrauensvolles Lehrer-Schülerverhältnis sehen. Auch um sensibel mit schwierigeren Inhalten umgehen zu können. Bei dem Begriff des Verarbeitens kommt mir der Verdauungsorganismus unseres Körpers in den Sinn. Die Prozesse, die ein gegessenes Lebensmittel in unserem Körper durchläuft um die notwendigen Elemente zu verwerten kann symbolisch zeigen, dass diese Prozesse je nach bedarf und Körpereigenschaften unterschiedlich sein werden. So kann jeder Bildungsprozess und jeder Gedenkstätteneindruck immer bestimmte Bereiche erweitern oder ergänzen. Die KUNST kann helfen, diese Prozesse in Ansätzen sichtbar werden zu lassen. Ein reflexiver Umgang kann dann möglicherweise transparent werden lassen, welche individuellen Verarbeitungsvorgänge von den Schülern/innen durchlaufen worden sind.

  7. Alysha Burrichter says:

    Für mich bedeutet ‘Verarbeiten’ mit dem Gesehenen, Gelesenen, Geschehenen umzugehen. Mir darüber bewusst zu werden, was bestimmte Apskete, Geschehnisse für mich bedeuten und wie ich diese bewältigen kann. Dieser Prozess ist wie meine Vorredner_innen bereits vorgestellt haben sehr individuell.
    Für einen Gedenkstättenbesuch kann das demnach bedeutet, dass für alle SuS, dass was sie an diesem Tag oder an mehreren Tagen erleben, etwas mit ihnen macht, dass sie verarbeiten müssen. Sie müssen das, was sie aufnehmen bewältigen, damit ihnen bewusst wird, wie sie sich selbst zu der NS-Geschichte positinieren. Dass das jedoch nicht innerhalb einer Stunde funktioniert oder durch ein Refelxionsgespräch ist sehr wahrscheinlich. Ebenso wahrscheinlich, wie die unterschiedliche Dauer des Verarbeitens, die die SuS in Anspruch nehmen. Dabei könnte es von Vorteil sein, wenn die Lehrkarft mit den SuS über das Verarbeiten, das Bewältigen dessen, was sie gerade sehen, spricht. Denn der Umgang mit dieser Geschichte wird auch von Schüler_in zu Schüler_in unterschiedlich sein.

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