Alte Pathologie Wehnen

Die Karl-Jaspers-Klinik kenne ich bereits seit ich denken kann. Besucht habe ich das große Gelände jedoch erst im Jahr 2015. Bei diesem Spaziergang habe ich auch die Alte Pathologie das erste Mal gesehen. Die Ausstellung habe ich mir jedoch bis heute leider nicht ansehen können. Ungeachtet dessen bin ich dieser Gedenkstätte auf eine andere Weise näher gekommen. Meine Erfahrungen, die ich gemacht habe, habe ich im Folgenden festgehalten.

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Der Stein
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Der erste Besuch:
Mit einem unguten Gefühl machte ich mich auf den Weg, die Angst vor einer Konfrontation oder Abweisung in Zeiten der Corona-Pandemie plagten mich. Ich setzte mich dennoch in mein Auto und fuhr los. Als ich auf die Auffahrt fuhr, sah ich ein paar Menschen – ich fühlte mich noch unwohler als zuvor. Trotzdem stieg ich aus und näherte mich der Gedenkstätte, die Blicke der kleinen Menschentraube trafen mich. Ich fühlte mich so unwohl, dass ich schnell wieder nach Hause gefahren bin. Ich konnte weder Bilder machen, noch konnte ich mich im automatischen Schreiben versuchen

Nachbereitung des ersten Besuchs

Nach dem ersten Versuch die Gedenkstätte zu besuchen ließ ich ein wenig Zeit vergehen und habe mich mit der Internetseite der Gedenkstätte beschäftigt. Da ein Besuch für mich nur bedingt möglich war, wollte ich mich ihr in einer anderen Weise nähern. Der Gedenkkreis Wehnen e.V. leitet die Gedenkstätte und somit auch die Internetseite. 2004 wurde die Alte Pathologie eröffnet, um als ein Ort der Erinnerungen der Krankenmorde im Oldenburgerland zu dienen. Sie entstand durch die Angehörigen der Opfer, die sowohl für sich einen Ort der Trauer schaffen wollten, gleichzeitig jedoch auch die schrecklichen historischen Ereignisse festhalten. Die Internetpräsenz der Gedenkstätte verrät einige Hintergrund Informationen zu der Geschichte der Alten Pathologie:
Das kleine, kreuzförmige Haus wurde seit 1890 als Leichenhalle für die damalige Heil- und Pflegeanstalt Wehnen genutzt. Einige Zeit später nutzte man den Raum als einen Sezierraum, um erbbiologisch zu forschen. In den nationalsozialistischen Zeiten, als man psychische Erkrankungen als erblich erachtete und dies ein Urteil der Minderwertigkeit für die Patient*innen galt, wurden diese Menschen nur entlassen, wenn sie zuvor unfruchtbar gemacht wurden. Eine chronische Krankheit galt damals als zu großer Ballast und bedeutete in den meisten Fällen ein Todesurteil.
Seit 1924 wurde dieses Gedankengut von dem leitenden Arzt Kurt Mönch vertreten. Durch und mit ihm wurde die Heil- und Pflegeanstalt zu einem Vorreiter der Krankenmorde. Er ließ Patient*innen ganz einfach verhungern. Da ab 1936 die Verpflegung aller Patient*innen schwierig wurde, gingen die Krankenmorde bis 1947, also lange nach dem Krieg, weiter.

Quelle:https://gedenkkreis.de/gedenkstaette

Der zweite Besuch:
Nach der ersten Recherche habe ich mir für den zweiten Besuch vorgenommen, mich nicht einschüchtern zu lassen und meine Recherche zu betreiben. Mit dieser Einstellung machte ich mich auf den Weg. Als ich dieses Mal die Einfahrt passieren wollte, sah ich ein Schild. Auf diesem Schild Stand, dass Besuche zurzeit nur mit Anmeldung möglich und Spaziergänge auf dem Gelände verboten seien. Ungeachtet dessen parkte ich mein Auto und näherte mich der Gedenkstätte.

Ich machte ein paar Bilder, dabei fielen mit die Straßengeräusche auf, denn die Alte Pathologie befindet sich direkt bei der Einfahrt der Karl-Jaspers-Klinik, welche sich nahe-gelegen zur Landstraße befindet. Ich fragte mich, ob das einem dem Raum lässt wirklich den Opfern, die an diesem Ort verstorben sind, zu gedenken. Ich gehe weiter und stolper über einen kleinen Stein am Boden, ich stecke ihn ein und gehe weiter auf die Gedenkstätte zu. Es führen zwei kleine Wege zu ihr, ich nehme den linken, da er für mich versteckter wirkt! Mich sollte ja niemand entdecken. Ich nährte mich weiter an, mache weitere Bilder und bleibe vor einer Tafel, ca. vier Meter vor dem Eingang, stehen. Auf die Glasscheibe dieser Tafel wurde nachträglich ein Zettel mit roter Aufschrift „Geschlossen“ geklebt.

Als ich mich dem Gebäude gerade weiter nähern wollte öffnete sich die Tür. Mir kam ein Mann entgegen, drückte mir eine Broschüre in die Hand und sagt ich solle doch bitte das Gelände verlassen. Das tat ich dann auch. Mit gemischten Gefühlen ging ich zurück zum Auto. Ich wäre gern näher an die Alte Pathologie herangegangen, einmal um sie herum, da sie eine Kreuzform haben soll. Ich hätte mir gerne ein paar Minuten genommen, um meine Impressionen fassen zu können. Jetzt muss ich alles aus dem Gedächtnis heraus aufschreiben. Ich möchte auf jeden Fall einen weiteren Versuch starten, um mir Zeit zugeben, das zu verarbeiten, was ich sehen und fühlen kann oder was ich eben nicht sehe oder fühle.




Trotz des kurzen Aufenthalts konnte ich eine kleine Beschreibung anfertigen und einige Eindrücke sammeln:

  • Ein kleine rotes Backsteinhaus.
  • Weiße Tür und Briefkasten rufen Assoziationen eines Wohnhauses hervor.
  • Von viel grün umgeben, also viele große Bäume, Pflanzen, Rasen sowie Büsche und Sträucher.
  • Vor dem Haus stehen zwei Trauerweiden, sind diese als Symbol der Trauer gedacht?
  • Kreuzform so frontal kaum erkennbar.
  • Alles sieht sehr pflegt und idyllisch aus.

Der dritte Besuch:
Bei diesem Versuch habe ich mir überlegt bis zu dem Schild, das mir den Eingang verbietet, zu gehen und von diesem Standort meine Eindrücke aufzuschreiben. Ebenso wollte ich weitere Bilder machen. Des Weiteren habe ich mich der Gedenkstätte von einer anderen Weise genähert. Ich habe bei der nahe-gelegenen Kirche geparkt und bin von dort aus ca. fünf Minuten zur Alten Pathologie gelaufen. Dadurch konnte ich die Gedenkstätte aus weiter Entfernung sehen. Mir fiel ein kleiner eingezäunter Garten hinter dem Gebäude auf, in dem eventuelle große Steine zu erkennen waren. Könnte diese Steinanordnung eventuell ein Denkmal sein?

An der Auffahrt angekommen begann ich meine Eindrücke festzuhalten:

  • Viel Verkehr auf dem Gelände.
  • Ich fühle mich sehr beobachtet und unwohl.
  • Es ist so viel los trotz Corona? Wie viel wäre los, wenn sich an einem schönen Tag Spaziergänger*innen sowie Patient*innen frei auf dem Gelände bewegen dürften?

  • Die Steinformation, die ich auf dem Weg entdeckt habe, konnte ich von meiner Beobachterin-Position nur kaum erkennen. Die Frage bleibt aber trotzdem: Was bedeuten diese Steine? Haben sie überhaupt einen tieferen Sinn? Oder handelt es sich dabei gar nicht um Steine?
  • Es fängt an zu regnen, ich stehe aber unter großen Bäumen, deshalb merke ich es kaum. Ich kann es nur leicht hören neben den Autogeräuschen.
  • Die Autos stören mich, ich habe nicht das Gefühl, dass ich bei einer Gedenkstätte bin.
  • Aber was würde sich für mich nach einer Gedenkstätte anfühlen?
  • Ist es die Bewegung, das nicht zur Ruhe kommen?
  • Assoziiere ich mit einer Gedenkstätte eher Ruhe und Stillstand? Scheint offenbar so zu sein, auch wenn ich die Frage nicht wirklich beantworten kann, evoziert diese Situation für mich keinen Ort des Gedenkens!
  • Aber vielleicht ist gerade die Geschwindigkeit, Bewegung und Unruhe, die eben diese schreckliche Zeit, in der Menschen ohne triftigen Grund sterben mussten, wiederspiegelt.
  • Die Stimmung dieses Ortes ist schwer für mich zu fassen. Ich bin mir unsicher und weiß nicht was ich denken soll. Ich gehe mit gemischten Gefühlen wieder nach Hause.

Abschließende Gedanken:
Noch bin ich mir unschlüssig darüber, wie ich die Erfahrungen mit dieser Gedenkstätte beschreiben soll. Einerseits waren meine Begegnungen eher negative, aber ich kann dieses Urteil nicht abschließend fällen. Denn die Umstände der derzeitigen Pandemie, haben die gesamte Recherche erschwert.

Trotzdem wäre die Atmosphäre ohne die Autos sowie die gedrückte Stimmung, wahrscheinlich angenehmer gewesen. Vor allem die Parkanlage, in welche sich die Gedenkstätte eingliedert, könnte eine Stimmung des zur Ruhe kommens und des Gedenkens evozieren.