Visuelle Eindrücke Gedenkstättenbesuchs 22.Juli 2020



Unberührte Natur – postkartenähnliche Bauernhäuser – wie aus dem Nichts – die Idylle durchbrechend – kalte Mauern – Eingangstore – Wo soll ich mich hinbewegen? – Überforderung – Planlosigkeit – dumpfe Stimmen aus Lautsprecherboxen – eigene Wahrnehmung im Blick – nicht alles erfassen wollen – alles wirkt sauber – geputzt – kulissenhaft – Geruch von Desinfektionsmittel – Schilder – Fotografien – Zahlen – Texte, die einen zu erschlagen drohen – kaum ein Ton – Menschen, die sich leise bewegen –   Hungertod – Ermordung – Arbeitslager – Nummern – Gesichter – Kreuze –  offenes Gelände – lange, gepflasterte Wege geben einen Rahmen, machen es den Besuchenden bequemer – wilde  Natur – gigantisches Gelände offenbart sich dem Auge – Birken – Kiefern – saftiges Grün – Blüten – man spürt die warme Sonne auf der Haut – es scheint, dass kein Gefühl angebracht und richtig ist – alles fühlt sich unpassend an ( Sonne, schöne Natur) – unendliche Friedlichkeit – Gäbe es keine grauen Infosäulen, dann wären diese unsagbaren Verbrechen, die Geschichten und Gräueltaten, die sich auf diesem Boden abspielten Teil der Natur – nicht zu erahnen –Doch es ist keine Fiktion, keine Legende, sondern die Wahrheit – wilde Glockenblumen – Schafgarbe – Darf ich mich außerhalb der vorgegeben Wege bewegen? – Man hat das Gefühl sich schnell zu verlieren – Wie weit geht der Weg? – Wohin führt er? – überlagert – überwuchert – Natur – ein Neues Leben, das sich aussät – Erhoben sich all diese Bäume erst nach Kriegsende aus diesem Boden? – Sind sie „Geschichtszeugen“? – Wie lang braucht ein Baum, um so hoch zu wachsen? – Pflanzen sehen nicht – Pflanzen fühlen nicht, aber vielleicht waren einzelne  schon da – Wind rauscht wie leise Stimmen in den Blättern – Grillenzirpen – rudimentäre -historische Überreste – Sobald sich Fragmente und Ruinen aus Stein erheben, hat man das Gefühl der Geschichte, den Menschen, die sich hier bewegten, litten, ihr Leben verloren, näher zu sein –  Ich möchte alles ablaufen, denn auf diesen Wegen haben sich auch die KZ – Häftlinge bewegt – Ich möchte auf ihren Spuren wandeln – graue Wolken am tiefen Himmel lassen erinnern – Ähnelt der Weg auf dem ich gehe dem Lagertrennstreifen? – Löschwasserbecken – einmal neben dem Weg gehen – Fragen über Fragen – Fragen, die Fragen bleiben – Grabsteine, die gleich aussehen –  Massengräber – Tonplatten mit Namen – ein Falter – eine Biene – ein Schmetterling lässt sich nieder – bewusst beobachten – Blick schweifen lassen – eine Pause öffnet wieder den sehenden Blick – Gedenktafeln – das Heute legt sich in Form von Natur wie ein Schleier über das Unermessliche, nicht greifbare Gestern – man bewegt sich an Grenzen des Sagbaren –  wenn man die Augen schließt kann man es besser begreifen, denn jetzt ist alles zu leuchtend, zu grün, zu schön, zu kulissenhaft.



Ich näherte mich der Gedenkstätte zeichnerisch mittels schneller Skizzen und hielt weitere Eindrücke in Form von automatischem, assoziativem Schreiben fest. Es fiel mir schwer, Bilder durch die Kameralinse einzufangen, da ich es jedes Mal als störend empfand, mein Handy aus der Tasche zu nehmen, obwohl ein respektvolles Fotografieren auf dem Gelände erlaubt ist. Skizzen und Notizen zu machen war die für mich richtige Methode der Auseinandersetzung. (Finja Ortmann)