22/06/15 Was sind künstlerische Produktionen?

Die Sitzung am 22. Juni 2015 beschäftigte zunächst mit der Frage, was künstlerische Produktionen überhaupt sind. Darauf folgte eine Einführung in die Cultural Studies. Beiden Themenfeldern näherten sich die Studierenden mit entsprechenden Texten, die zuvor aufgeteilt wurden. Dabei handelte es sich um folgende Textgrundlagen:

  • Bal, Mieke, 2008, Visual Analysis. In: Bennett, T. / Frow, J. (Hg.) (2008), The SAGE Handbook of Cultural Analysis. Los Angeles / London / New Dehli / Singapore: SAGE, S. 162 – 184.
  • English, James F., o. A., Literary Studies. In: Bennett, T. / Frow, J. (Hg.) (2008), The SAGE Handbook of Cultural Analysis. Los Angeles / London / New Dehli / Singapore: SAGE. S. 126 – 144
  • Gunning, Tom; o. A., Film Analysis. In: Bennett, T. / Frow, J. (Hg.) (2008), The SAGE Handbook of Cultural Analysis. Los Angeles / London / New Dehli / Singapore: SAGE, S. 185 – 202.
  • Leuthold, Steven, 1999, Native Media’s Communities. In: Champagne, Duane (Hg.), Contemporary Native American Cultural Issues. AltaMira Press, Walnut Creek, S. 193 – 215.
  • Lutter, Christina / Reisenleitner, Markus, 2008 [Orig. 1998], Cultural Studies: Eine Einführung. Wien: Turia & Kant, Kapitel 3, S. 51 – 87.
  • Nayar, Pramod K., 2008, An Introduction to Cultural Studies. New Delhi usw.: Viva, Kapitel 2, S. 47 – 88.
  • Perdue, Theda / Green, Michael D., 2010, North American Indians: A Very Short Introduction. Oxford usw.: Oxford University Press, Kapitel 7, S. 115 – 130.
  • Rowse, Tim, 2008, Indigenous Culture: The Politics of Vulnerability and Survival. In: Bennett, Tony / Frow, John (Hg.), 2008, The Sage Handbook of Cultural Analysis. Los Angeles u.a.: SAGE, S. 406 – 426.

Die einzelnen Texte wurden von den Studierenden der Reihe nach vorgestellt und besprochen. Dazu hat jede_r ein Handout vorbereitet, in dem wiederum Thesen, Zitate und Fragen aufgegriffen wurden. Im Folgenden werden ausgewählte, bedeutungsstarke Aspekte herausgestellt, erörtert und mit Fragen in Bezug auf künstlerische Produktionen verdichtet:

  • In Indigenious Cultures geht es um die Frage, wer wie sehr indigen ist. In diesem Kontext fällt der Begriff des Blood Quantum. In vielen indigenen Communities ist der indigene ‚Blut-Anteil‘ ein wichtiges Kriterium und verbunden mit offiziellen Anträgen, Papieren etc. Damit verbunden ist auch der ethnic fraud, sprich der ‚ethnische Betrug‘. Diese Aspekte lassen die Frage aufkommen, ob indigene Identität bzw. Ethnizität nicht auch ‚nur‘ ein weiteres soziales Konstrukt ist. Des Weiteren fallen die Begriffe natureculture und NaturenKulturen, welche die Gegensätze zwischen Natur und Kultur in aktuellen ethnografischen Bestrebungen versuchen aufzuheben.

Hinsichtlich der Fragestellung nach dem, was überhaupt künstlerische Produktionen sind, werden weitere Fragen in Bezug auf indigene Kunst generiert: Ist indigene Kunst reduziert auf indigene Themen, Symbole etc.? Wo sind indigene Künstler_innen zu verorten, die an der modernen Kunst partizipieren? Handelt es sich auch dann noch um indigene Kunst, wenn der_die Künstler_in, aber nicht die Kunst indigen ist? Inwieweit können nicht-indigene Künstler_innen durch das Aufgreifen von indigenen Motiven, Symboliken etc. an indigener Kunst partizipieren? Was machen Zuschreibungen wie indigen, homo- und heterosexuell, queer mit Kunst? Wie ist queere Kunst und wie muss der_die Künstler_in der Kunst sein? Handelt es sich um unberechtigte Aneignung, wenn eine hegemonial situierte Person sich an Motiven aus der subalteren Schicht bedient? In Verbindung mit der letzten Frage steht der Begriff der cultural appropriation. Mit der Frage, ob jegliches Rezipieren lediglich das Aufgreifen von etwas ist, das bereits im Diskurs besteht, eröffnet sich der Begriff des cultural copyright.

  • In Native Media’s Communities geht es um die Frage, wie lokal die Ebene von Communities konstituiert sein muss, um eben auch als indigene Community definiert zu werden. In diesem Kontext ist insbesondere die Rolle sowohl von Medien als auch von künstlerischen Produktionen zu klären. In diesen Zusammenhang lässt sich z. B. das Phänomen der PowWows anführen. An diesen beteiligen sich einige indigene Personen gerne, andere wiederum lehnen diese jedoch ab mit der Begründung von mangelndem persönlichen Bezug.
  • Im Kapitel cultural sovereignity wird die kulturelle Souveränität von indigenen Bevölkerungen in Bezug auf ihre Repräsentationen behandelt. Vor diesem Hintergrund ist die Frage entstanden, ob Repräsentationen subaltern situierter Personen allgemein sein darf und kann. Nach Butler würde es sich durch eine Verallgemeinerung um eine Abjektion Verwerfung, Absprechung des Mensch-Seins handeln.

In Bezug auf künstlerische Produktionen bestehen die Fragen, wer Kunst für wen produziert und wie Kunst im Diskurs von Preisen und Auszeichnungen, sowohl aus der eigenen als auch aus der ‚fremden‘ Kultur zu beurteilen ist. Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Aufstellung eines Kanons und welche Bedeutung hat es, in einem Kanon aufgenommen zu werden?

  • In Visual Analysis geht es um Intelligibilität von Indigenousness und Queerness sowie dem Spiel mit Stereotypen. Daraus ergeben sich Fragen wie: Welche Bedeutung hat die Betonung einer Identität als Künster_in in einer sich globalisierenden Welt, in der zunehmend mehr Personen am Künster-Sein teil haben (können)?
  • Die Kapitel Film Analysis sowie Literary Studies sind jeweils aus dem SAGE Handbook of Cultural Analysis So befinden sich Film als auch Visual Analysis aktuell in ihrer psychoanalytischen Phase, besonders aus feministischer Perspektive. Dabei ist zu beachten, dass die ethno-Psychoanalyse nicht deckungsgleich ist mit der klassischen Psychoanalyse und andere Begriffe verwendet, wie z. B. hegemonial bzw. dominant vs. subaltern oder auch oppositionell und subversiv. Im Kapitel zu den Literary Studies wird u. a. die stärkere Verbreitung von Literatur hin zu Populärkultur thematisiert. Der Hang zur Interdisziplinarität dient allerdings seit jeher dem Erhalt der Ressourcen und der eigenen Bedeutsamkeit.

One thought on “22/06/15 Was sind künstlerische Produktionen?

  1. Ich verstehe nicht genau, was PoweWoves sind? Auch verstehe ich den Teil der Abjektion/Verwerfung durch Butler nicht. Wer wird wie verworfen? Wird Kunst verworfen und ihre Künstlerinnen als Menschen verworfen, wenn ihr Kunst verallgemeinert wird oder gerade, wenn sie subversiv ist und bleibt?
    Was ich als sehr positiv empfinde, das ist die Erklärung des Begriffes der Indiginität, da ihr erklärt wird, wie dieses Konzept entsteht, vor allem durch sogenannte “Blutsverwandschaft” und was es meint. Dabei sind die Fragen relevant, ob Kunst auch noch dann indigen ist, wenn sie nicht von indigener “Blutsgemeinschaft” produziert wurde, aber Elemente indigener Kunst einbezieht. Warum ist der Begriff der Indigenität aber mittlerweile ein so verworfener Begriff. Ihr beispielsweise stellt ja die These auf, dass es sich hierbei (auch) um ein soziales Konstrukt hält, ein sehr festes, das eben mit Blutsverwandschaft begründet wird und daher für Außenstehende undurchdringbar erscheint. Ich habe in meinem Bachelorstudium gelernt, dass das ein “böser” Begriff ist, aber dann möchte ich die Frage zurück geben, wie ich dann Menschen bezeichne, die sich selbst als indigen betrachten oder die von einem bestimmten Ort kommen und dort leben. Sind wir nicht auch indigene Deutsche, wenn wir in Deutschland geboren worden, denn letztlich bedeutet das Wort aus dem Lateinischen “eingeboren.” (Auch, wenn Deutschland als Staat auch “nur” ein Konstrukt ist, aber, einmal sagte Silke Wenk in einer Seminarssitzung, dass das eben feste Konstrukte sind, die man nicht einfach so abreißen kann, wie man auch ein Haus nicht einfach so abreißen kann und wenn man es täte, während Menschen darin arbeiten, dann kämen auch viele Menschen ums Leben…)
    Ich mochte grad einmal meinen Unmut und meine Gedanken um und zu diesem Thema der Indigenität raus lassen. Spannend aber, dass ihr euch so intensiv an diesen Begriff heran traut.

    Was die Literatur angeht, so frage ich mich wieder ein Stück weit, warum ihr bspw. Mieke Bal (nur) für Visuelle Analysen genutzt habt, gerade im Kontext von Film. Sollte hier nicht auch die klangliche Ebene eine gleichberechtigte (mindestens) Rolle spielen? Ich habe in vielen Filmen bereits die Wichtigkeit der klanglichen Darstellung des visuellen Materials ausmachen können, selbst wenn alles still ist, gibt es immer noch Klang, nicht unbedingt musikalischen (im engeren Sinne) Klang, aber Formen der Stille können auch klingen (selbst, wenn mir dazu einmal ein Sozialwissenschaftler sagte, das sei ihm zu dialektisch ;)).

    Ansonsten ist das eine spannende Seite, auf der ihr euer Projekt nun konkreter auch mit Literaturangaben präsentiert und euch der Frage nähert, was eigentlich insbesondere künstlerische Produktionen sind.

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