8/6/2015 Der Kuss der Pelzkönigin

In dieser Sitzung haben wir uns mit dem Roman Der Kuss der Pelzkönigin von Tomson Highway auseinander gesetzt. Um möglichst viele Themen aus dem Roman zu generieren, haben wir uns auf die Methodik des Brainstormings geeinigt und folgende Aspekte herausgearbeitet:

  1. Verschmelzung von Mythos und Realität: Hierbei geht es um konkrete Mythen im Buch sowie um die Trickster-Figur der Pelzkönigin, welche an besonderen Stellen auftritt. Dabei bedient sich Highway eines narrativen Stilmittels, welches Mythos und die ‚Realität‘ im Roman miteinander verbindet bzw. verschmelzen lässt. Hervorzuheben ist hierbei die Schwierigkeit des eigenen kulturspezifischen Erlebens, welches das Lesen und Deuten von möglichen Codes und / oder Symbolen im Text durch nicht vorhandenes Wissen verweigert.

  2. Missionierung und Zwangsassimilation: Der Roman verdeutlicht sehr stark, wie den nordamerikanischen Ethnien bzw. American Natives der katholische Glaube durch weiße Europäer aufgedrückt wurde und wird. Besonders deutlich wird dies anhand der von der Heimat weit entfernten boarding school (Internat), welche die beiden Protagonisten besuchen. Hier besteht ein ausdrückliches Verbot ihrer eigenen Kultur durch u. a. ein Verbot ihrer eigene Sprache. Erlaubt ist hier nur Englisch.

  3. Ruraler und urbaner Lebensraum: Im Roman stehen sich zwei Lebensräume gegenüber, welche die Frage aufwerfen, welcher Raum schließlich das Zuhause ist.

  4. Heteronormatives Rollenverständnis / Heteronormativität vs. eigene schwule Identität: Der Roman thematisiert zu einem großen Teil die Sexualität der beiden Protagonisten, welche sich zwischen einer möglichen Asexualität sowie Homosexualität bewegt. Dabei gehen sie sehr unterschiedlich mit ihrer Sexualität um. Während Gabriel zunächst rollenstereotypische Lenkbilder verwendet, um seine Homosexualität zu verschweigen, entzieht sich Jeremiah komplett sexueller Anziehungen. Auffällig ist beim Erleben der Sexualität auch die sich wiederholende Metapher des ‚süßen Honigs‘.

  5. Künstlerische und biografische Entwicklungen der beiden Protagonisten: Diese stehen im Verhältnis zur Herkunftsfamilie und lassen somit die Frage aufkommen, wie sich die Beziehung zu dieser im Laufe der Zeit verändert. Deutlich wird hierbei im Roman das Wegrücken und Abwerten des Reservates während ihrer Entwicklung im urbanen Raum. Neben der divergenten sexuellen Entwicklung der beiden Brüder wird auch die Habitusentwicklung, sowohl körperlich als auch intellektuell, thematisiert. Ein mögliches Projektthema könnte diesen Aspekten zufolge der Frage nachgehen, ob es sich bei dem Buch um einen Künstlerroman handelt und ‚was‘ für eine Habitusentwicklung Menschen durchlaufen, um zu Künstler_innen zu werden. Welche Stellen im Roman geben darüber Aufschluss? Handelt es sich dabei um eine Unterwerfung unter das ‚Kunst-System‘?

In Bezug auf den Autor ist zudem anzumerken, dass dieser seine Bücher zunächst auf Cree geschrieben hat und dann ins Englische übertragen hat. An dieser Stelle lässt sich mit der Frage anknüpfen, wie der Umgang mit der eigenen Biografie in künstlerischen Produktionen erfolgt.

Nach dieser ersten Themengenerierung haben wir einen Vergleich des Romans Der Kuss der Pelzkönigin (1998) mit dem Film The Business of Fancydancing (2002) vorgenommen. Dabei wurden sowohl thematische Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede deutlich. Folgende Thematiken wurden dabei von uns herausgestellt:

Alkohol- und Drogenproblematik / Bruderthematik (indigene Herkunft steht in beiden Produktionen im universitären, weißen Kontext bzw. Kontrast) / (sexualisierte) Gewalt (im Buch mehr sexualisierte Gewalt und im Film hauptsächlich Gewalt an der indigenen Bevölkerung) / Aushandlung von Identität / ‚Auffangsysteme‘ (im Film wird deutlich, dass in den Reservaten keine vorhanden sind, im Buch dagegen werden Organisationen genannt und es wird darüber hinaus deutlich, dass im ruralen Raum der Vater einen großen Einfluss ausübt und somit ein patriarchales System als ‚Auffangsystem‘ fungiert) / Kulturkonflikte / Akzeptanz und Grenzen der Akzeptanz bzw. Rassismus (im ‚weißen Kontext‘) / Heteronormativität und Homofeindlichkeit / Mythologien, Visionen und Träume / indigene Geschichte / Suizid / Trickster / Humor / Umgang mit Ritualen.

Abschließend wurden in der Sitzung mögliche Themen bzw. Interessenschwerpunkte der Teilnehmer_innen für das jeweilige Unterprojekt besprochen. Im Fokus der Studierenden stehen dabei der Kulturkonflikt sowohl nach innen als auch nach außen, die Rolle der Reservation auf die Herkunft, das ‚Erbe‘ bzw. die indigene Geschichte als künstlerisches Wissen und dessen Bearbeitung bzw. Einarbeitung in künstlerischen Produktionen, Intelligibilität bei ausgewählten Künstler_innen bzw. künstlerischen Arbeiten sowie der Mythos und seine Verschmelzung mit der ‚Realität‘ im Roman Der Kuss der Pelzkönigin.

One thought on “8/6/2015 Der Kuss der Pelzkönigin

  1. Der Kuss der Pelzkönigin ist eines euer ausgewählten Untersuchungsgegenstände. Ihr macht anhand eines Brainstorms deutlich, welche Leitthematiken der Romas verfolgt (mittlerweile habe ich verstanden, dass der Schriftsteller männlich ist, ‘tschuldigung). Besonders interessant finde ich die Herausarbeitung der Thematik der Sexualität, auf die ihr gern noch genauer eingehen könnt. Wie genau wird der Ausdruck von Asexualität vollzogen und wir performiert der andere Protagonist die Verschleierung seiner Homosexualität?
    Können nicht auch beide Räume (rural und urban) Heimat sein? Inwieweit werden diese beiden Räume im Roman als zwei differente oder sogar gegensätzliche Räume dargestellt und warum?

    Leider geht mir nicht ganz auf, warum ihr den Roman mit einem Film vergleicht? Da scheint mir eine Kontextualisierung zu fehlen: Warum ist ein Vergleich sinnvoll und welche Fragestellung steht dabei dahinter? Ich kenne (willkürliche) Vergleiche vor allem aus dem Schulunterricht und mir geht im Nachhinein nicht immer auf, warum wir eigentlich so furchtbar viel verglichen haben. Warum macht ihr also diesen Vergleich und könntet die die verglichenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede nicht noch etwas ausführen?

    Lieben Gruß,
    Annemarie

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