Unsere Arbeitsgruppe „Gefechte“ beschäftigt sich mit einem Kolportage-Text aus der Oldenburger Sammlung, welcher einem handschriftlichen Vermerk auf dem Titelblatt zur Folge im August 1866 auf dem „Schützenfest in Oldenburg“ erworben wurde. Gedruckt wurde er von Büttner & Winter in Oldenburg– wobei der Verlagsort auf dem Titelblatt fehlerhaft gedruckt ist: „Odenburg“. Er umfasst die Beschreibungen der im Titel genannten Gefechte sowie ein Lied, das diese ebenfalls behandelt. Bei diesen Gefechten (v.a. der Schlacht bei Königgrätz) handelt es sich um reale militärische Handlungen, die den Ausgang des Deutschen Krieges im Juli 1866 maßgeblich mitbestimmten und zum Sieg Preußens über Österreich führten. Dieser Krieg ist noch im heutigen Geschichtsunterricht an (deutschen) Schulen relevant, weil er den Weg zum deutschen Nationalstaat unter preußischer Vorherrschaft ebnete (sog. kleindeutsche Lösung).
Das Heftchen ist in Fraktur geschrieben, umfasst acht Seiten (ein Deckblatt, fünf Seiten Prosatext, zwei Seiten Lied mit acht Strophen à sieben Verse) und enthält keine Bilder, jedoch einen Zierrahmen auf dem Deckblatt. Dieses Ornament kann in Anbetracht des Inhalts und des Erscheinungsortes Oldenburg als eine Art ‚Siegeskranz‘ interpretiert werden. Die Seiten sind ca. 18cm hoch und als ein zusammenhängendes Heftchen gebunden. Mittlerweile ist das Papier vergilbt.
Der Inhalt ist für die zeitgenössische Leserschaft hochgradig aktuell, denn er informiert über entscheidende politische Ereignisse des Jahres 1866. Bezeichnend ist, dass zunächst das Gefecht im böhmischen Königgrätz (heute Tschechien) beschrieben wird und dass daran die Beschreibung des Gefechts anschließt, das in Werbach und Hochhausen stattfand. Somit wird zunächst die Lage in Europa behandelt, also der politische Rahmen abgesteckt, bevor der ‚Zoom‘ auf die Ereignisse fährt, die im Oldenburger Raum noch alltagsrelevanter waren, weil sie direkt die Truppen aus Oldenburg betreffen. Lesende erfuhren also unter Umständen, was Freunden oder Verwandten, Nachbarn oder Bekannten widerfahren war.
Der Aufbau erinnert in diesem Punkt insofern an eine Zeitung, als dass von den weltpolitischen Themen zu kommunalen Nachrichten übergeleitet wird. Bezeichnend ist auch, dass das Heftchen nur einen Monat nach den Ereignissen erschien. Es handelt sich also um eine, für damalige Verhältnisse, sehr schnelle Nachrichtenübermittlung – u.U. waren die Truppen sogar noch nicht wieder zuhause.
Sätze wie bspw. „Man sah vom Kirchturm dieser Stadt aus die Feuerschlünde ihre Blitze speien“ dienen dem Spannungsaufbau und zielen somit auf den Unterhaltungswert des Heftchens ab. Formulierungen wie „rückten endlich die Preußen“ sind parteiisch und somit auch keine objektiven Informationsvermittlungen. Der Text wertet die Kämpfe als „furchtbar“, intendiert also Mitleid beim Lesenden, betont aber gleichzeitig, wie siegreich und tapfer sich die Preußen bewährt haben. Der Verlust auf preußischer Seite wird hervorgehoben und überdramatisiert: „ganze Reihen Todter und Verwundeter bedeckten das Schlachtfeld und die Höhen“. Dies soll die (preußische) Leserschaft gegen die Österreicher aufbringen und diese für die hohe Anzahl an Opfern verantwortlich machen.
Der Aufbau verfolgt eine relativ chronologische Abfolge und Schilderung der einzelnen Gefechte und Tage. Er beinhaltet viele sachliche Details zu Truppen- oder Waffenstärken und nennt reale Namen der beteiligten Militärs.
Insgesamt ist das Heftchen stark wertend und parteiisch: Es stellt sich klar auf die Siegerseite (Preußen). Dadurch spricht es eine Leserschaft an, die sich mit Preußen oder zumindest mit den „Oldenburgern“ identifiziert. Vor allem das Lied, welches auf eine damals populäre Melodie gedichtet wurde, enthält nationalistische Propaganda-Passagen, die ‚stammtisch-tauglich‘ sind: „Und immer ging es weiter / Den Baiern auf den Leib, / Die sich nach Würzburg drückten, / Als wären’s nit gescheidt!“ Dies kann als eine (negative) Form der Unterhaltung gewertet werden – möglicherweise für den Bänkelsang geeignet.
Jelena Feldmann / Michelle Reimche / Richard Schlimper