Neuroethologin


Wir freuen uns, euch heute unser nächstes rOLe model vorstellen zu dürfen:

Dr. Pauline Fleischmann.

Zuerst veröffentlicht auf Instagram (@equality_uol) am 08.11.2022.

Unser rOLe model und Gast in unserem Interview-Format: Neuroethologin Dr. Pauline Fleischmann. Hier blickt Sie während der wissenschaftlichen Feldarbeit in die Kamera.
Dr. Pauline Fleischmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der AG Neurosensorik an der Universität Oldenburg.


Auf unsere Nachfrage erklärt sie ihre Forschung:
"Ich erforsche, wie Wüstenameisen navigieren. Einzelne Arbeiterinnen gehen alleine auf Futtersuche, um ihre Kolonie zu versorgen. Dabei müssen sie so schnell wie möglich zum Nest zurückkehren und berechnen dafür einen sogenannten Heimvektor. Dafür kombinieren sie Distanzinformationen mit Richtungsinformationen. Zudem lernen sie Landmarken. In meiner Doktorarbeit habe ich..." Die Fortsetzung erfolgt auf der nächsten Seite.
"...mich damit beschäftigt, wie Wüstenameisen lernen zu navigieren und ihre Kompasssysteme kalibrieren. Am Ende des Projekts haben wir herausgefunden, dass sie sogar das Erdmagnetfeld nutzen. Seitdem ist mein Ziel zu verstehen, wie der Magnetsinn der Wüstenameisen funktioniert und wie Magnetinformationen im Gehirn verarbeitet und zur Navigation genutzt werden."

Wo haben Sie studiert und geforscht?
"Ich habe Philosophie und Biologie in Berlin und Trondheim (Norwegen) studiert. Während meiner Masterarbeit habe ich Entscheidungsfindung bei Fledermäusen untersucht und war für das Projekt auf der Forschungsstation La Selva im Regenwald in Costa Rica. Die Wüstenameisen habe ich als Studentische Hilfskraft in Tunesien kennengelernt. Auf dem Salzsee dort habe ich auch zu Beginn meiner Doktorarbeit meine Experimente durchgeführt, aber dann hat sich die politische Situation in Tunesien derart verschärft, dass wir nicht mehr hinreisen konnten. Seitdem führe ich meine Feldexperimente im Schinias Nationalpark in Marathon (Griechenland) durch."
Zwei Bilder. Im Hintergrund: "Versuchsaufbau mit Testraster zur maßstabsgetreuen Aufzeichnung von Lernläufe und Futtersuchläufe mit Stift und Papier." 
Davor eine Nahaufnahme:
"Eine Cataglyphis fortis trinkt an einem Stück Wassermelone, das wir ausgelegt haben."
Auf welche Leistung sind Sie besonders stolz?
"Die Entdeckung des Magnetsinns der Wüstenameisen war sicherlich die spannendste Erkenntnis meiner bisherigen Forschungskarriere. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich es geschafft habe einen neuen Ort – den Nationalpark in Griechenland – für unsere Forschungen zu etablieren. Und, dass es mir gelingt Feldarbeiten mit meinem Familienleben zu vereinen, erfüllt mich auch mit Stolz – das ist aber mehr der Verdienst meiner Familie und ich bin sehr froh, dass mein Mann und unsere Kinder Freude daran haben an meinen Forschungsexkursionen teilzuhaben und mich somit unterstützen. Letztes Jahr habe ich den For Women in Science“-Preis von L’Oréal und UNESCO Deutschland in Zusammenarbeit mit der Christiane Nüsslein-Vollhard-Stiftung erhalten, was eine große Anerkennung meines Forscherinnen-Daseins ist und darauf bin ich sehr stolz."
Was hat Sie dazu motiviert, in die Naturwissenschaften zu gehen? 
"In der neunten Klasse habe ich mein Schülerpraktikum am Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven absolviert und damit erstmals Einblicke in eine Forschungseinrichtung und den Forschungsalltag bekommen. Ich durfte da ganz selbstverständlich an den Mikroskopen arbeiten. Das Highlight war eine Exkursion nach Helgoland, wo wir mit einem kleinen Schiff bei einem Wintersturm Proben aus dem Meer geholt haben. Schon da habe ich gedacht, dass mir solche abenteuerlichen Forschungsarbeiten Spaß machen könnten. Für mein Studium habe ich mich aber wie gesagt für die Kombination von Philosophie und Biologie entschieden. Mein Ziel war immer, diese Fachrichtungen zu kombinieren. Allerdings haben mich die Wüstenameisen dann so sehr fasziniert, dass ich mich für eine reine naturwissenschaftliche Doktorarbeit entschieden haben. Als wir dann entdeckt haben, dass die Wüstenameisen einen Magnetsinn haben, war für mich klar, dass ich das weiter erforschen muss."
Zwei Bilder. Oben: "Cataglyphis nodus Arbeiterin mit und auf einem Magnetkompass."
Darunter: "Individuell markierte Arbeiterinnen (Cataglyphis fortis) besuchen eine unserer  Futterstellen (Weintraube) und trinken gierig."
Sind Sie während Ihrer Karriere in der Wissenschaft auf bestimmte Barrieren gestoßen? 
"Natürlich! Ich glaube beinahe, eine Wissenschaftskarriere besteht vor allem darin Hindernisse zu überwinden, oder wenn man es positiver ausdrücken möchte: Herausforderungen anzunehmen. Zudem bemerke ich: Je weiter ich die Karriereleiter erklimme, desto deutlicher wird es, dass es noch einen Unterschied macht, welches Geschlecht man hat. Ich würde mir wünschen, dass solche zusätzlichen Barrieren verschwinden, denn der Forschungsalltag ist schon herausfordernd genug. Für mich war die kurzfristige Absage der Feldsaison 2015 und die Suche nach einem alternativen Versuchsort definitiv die größte bisherige Herausforderung. Aber der Feldforschungsalltag stellt einen immer wieder vor unerwartete Probleme. Letztes Jahr mussten wir beispielsweise ungeplant früher abreisen, weil die Waldbrände in Griechenland unsere Arbeit unmöglich gemacht haben."
Welchen Rat würden Sie denjenigen geben, die sich für eine Tätigkeit in der Wissenschaft interessieren?
"Mach es – aber nicht um jeden Preis! Ich denke, es ist sehr wichtig immer wieder neu abzuwägen, ob sich das was man leisten muss, auch auszahlt. Das Wissenschafts-system bringt sowohl Vorteile als Nachteile mit sich. Ich überprüfe immer wieder, ob das Gesamtpaket für mich noch stimmt. Außerdem ist es enorm wichtig, in einem Umfeld zu arbeiten, das einen unterstützt und wo man sich wohlfühlt, so dass man die eigenen Ideen und Forschungen weiterentwickeln kann." 

Unten ein Bild: "Cataglyphis fortis werden gefangen und einzeln mit Autolack mit einem Dreipunkt-Farbcode markiert."
Was haben Sie sich für die kommenden Monate vorgenommen?
"Ich bin gerade erst in Oldenburg angekommen, was heißt, dass ich in den nächsten Monaten vor allem viel Neues kennenlernen und organisieren muss. Zudem habe ich meine erste Doktorandenstelle ausgeschrieben und freue mich auf die damit einhergehende Herausforderung, ein geeignetes Teammitglied für mein Forschungsprojekt zu finden und einzuarbeiten."

Wenn ihr gerne noch mehr über die Forschung von Dr. Pauline Fleischmann erfahren möchtet, können wir euch folgende Links empfehlen:

Im BBC Earth Podcast, Folge “Pulling Power”, stellt sie ihre Arbeit vor:

https://www.bbcearth.com/podcast

Ein weiteres Interview mit ihr wurde auf dem Myrmecological News Blog veröffentlicht:

Außerdem findet ihr sie mit eigenen Beiträgen auf Twitter:

https://twitter.com/cataglyfilosofi?lang=de