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Die Zeitdetektiv:innen im Mittelalter: Weltreligionen in der Entstehung und Verbreitung

Einleitung

Sprache ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Erfahrungswelt. Sie bedeutet Macht, für diejenigen, die sie beherrschen und Ohnmacht für die, die die anerkannte Sprache nicht beherrschen. Die Institution Schule ist ein Ort, an dem viele Sprachen zuhause sind. Als Ort des Lernens garantiert die Schule primär fachliche Bildung. Nur implizit erlernen die Schüler:innen dabei die sprachliche Handlungsfähigkeit, die sie dazu befähigt zwischen Alltags-/, Bildungs-/ und Fachsprache zu wechseln. Dieser sprachsensibel gestaltete Unterrichtsentwurf dient dabei als Appell, das implizite Sprachenlernen expliziter zu gestalten.

Wir, als Verfasserinnen dieses Beitrags, studieren das Fach Geschichte, das sich auch durch seine Textlastigkeit auszeichnet. Die Vielfältigkeit der Textarbeit, zum Beispiel in Form von Darstellungs- oder Quellentexten, stellt die Schüler:innen vor Hürden im Textverständnis. Dieser fiktive Unterrichtsentwurf, der im Rahmen eines Seminars an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg verfasst wurde, ermöglicht den Schüler:innen eine sprachsensible Beschäftigung mit den Grundzügen sowie den Verbreitungen der zwei Weltreligionen des Islams und des Judentums im Mittelalter und steht dabei auch in Ergänzung zum, in Niedersachsen evangelischen, Religionsunterricht. Der Entwurf wurde für eine 6. Klasse am Gymnasium konzipiert. Es erfolgt eine Vermittlung von Sozial- und Handlungskompetenz ebenso wie von Sprachsensibilität und digitaler Kompetenz. Da dieser Unterrichtsentwurf sich auch digitalen Formen der Lehre widmet, ist es von Vorteil, wenn du Schule über einen Internetzugang verfügt und eine gewisse Anzahl digitaler Geräte wie Laptops oder Smartphones zur Verfügung stehen. Bei fehlender technischer Ausstattung ist eine analoge Alternative erläutert, sodass der Unterrichtsentwurf auch ohne Internetzugang vor Ort funktionieren kann.

2. Sachanalyse

Da der Unterrichtsentwurf sich mit zwei ausgewählten Weltreligionen im Frühmittelalter befasst, werden in der folgenden Sachanalyse die Unterrichtsgegenstände in ihrem größeren Zusammenhang besprochen. Dafür wird zum einen die Entstehung des Islam unter Mohammed fokussiert, zum anderen wird die Verbreitung des Judentum im Frühmittelalter besprochen. Auch der Begriff ‚Mittelalter‘ wird in seiner Bedeutung untersucht. Insgesamt wird durch die Sachanalyse deutlich, wie sehr Religion, Politik und Gesellschaft besonders in der Zeit des Mittelalters zusammenhängen.

Nach der Teilung des Römischen Reiches wurde neben dem Byzantinischen Reich ein neues Reich sehr mächtig und einflussreich – das arabisch-islamische Reich (vgl. Rosiny 2016). Die Entstehung und frühe Expansion des Islam wird auf das Leben Mohammeds zurückgeführt. Als wichtigste Quelle über sein Leben gilt die Sîra, eine Prophetenbiografie, die etwa 150 nach Mohammeds Tod von Ibn Ischâq verfasst und als „Das Leben des Propheten“ tradiert wurde (vgl. Spuler-Stegemann 2014, S.17). Im Alter von etwa 40 Jahren, im Jahr 610n.Chr., soll Mohammed seine erste Offenbarung von Gott auf dem Tempelberg empfangen haben (vgl. Spuler-Stegemann 2014, S.22). Festgehalten hat er das Wort Gottes später im arabischsprachigen Koran in 114 Suren. Obwohl Mohammed viele Menschen für sich gewinnen konnte und so eine Anhängerschaft aufbaute, bedrohte der neue Glaube die Wirtschaft und die Gesellschaftsordnung Mekkas, denn die Anerkennung eines einzigen Gottes entzog anderer Gottheiten und Dämonen ihrer Legitimationsgrundlage  (vgl. Spuler-Stegemann 2014, S. 19). Nachdem Mohammed Mekka verlassen hatte, konnte er viele Menschen in Medina vom neuen monotheistischen Glauben überzeugen. Durch diesen Zugewinn an Autorität, auch als Feldherr, nahm Mohammed schon zu Lebzeiten einen Großteil der arabischen Halbinsel militärisch ein (vgl. Rosiny 2016). Nach Mohammeds Tod führten die vier rechtgeleiteten Kalifen sein Erbe fort. Die unterschiedliche Akzeptanz der vier Kalifen führte später zur Spaltung des Islams in Sunniten und Schiiten, die noch heute für Konflikte sorgt (vgl. Rosiny 2016).

Die Anfänge des Judentums werden auf etwa 1000 v. Chr. datiert (vgl. Herzig 2010). Es handelt sich um eine monotheistische Religion, die auf den fünf Büchern Mose des Alten Testaments basiert. Geprägt wurde die Verbreitung des Judentums in der Antike durch stetige Fremdherrschaft, wodurch sich unterschiedliche Kulturkreise entfalteten. Im 1. Jh. n. Chr. lebten bereits 5-6 Millionen Menschen in der jüdischen Diaspora (vgl. Schnelle 2015, S. 63). Ab dem 4. Jh. n. Chr. siedelten die aschkenasischen Juden*Jüdinnen ins römische Germanien, später das Römisch-Deutsche Reich (vgl. Herzig 2010). Auf der Iberischen Halbinsel siedelten sich die sefardischen Juden*Jüdinnen unter arabischer Herrschaft an. Insgesamt erstreckte sich die jüdische Diaspora im Frühmittelalter über weite Teile Europas, Nordafrika und den Nahen Osten (vgl. Lexikon des Mittelalters, Juden). Im ausgehenden Frühmittelalter und im Hochmittelalter befand sich das Judentum auf einem wirtschaftlichen Höhepunkt durch Geld-/ Pfandleihe und Handel, wodurch sich das Gemeindewesen ausweitete. (vgl. Herzig 2010). Der Beginn der Kreuzzüge 1096 markiert gleichsam die Anfänge der Judenpogrome. Diese kulminierten im Spätmittelalter, durch die Große Pest angeregt, in den größten Judenpogromen vor dem Holocaust des Zweiten Weltkrieges (Bergdolt 1994, S.119). Den Juden*Jüdinnen wurde die Schuld an der Pest zugewiesen, wodurch sie systematisch exkludiert, verfolgt und vernichtet wurden. Im Laufe der Frühen Neuzeit und der Moderne waren die Juden*Jüdinnen weiterhin vielerlei Anfeindungen ausgesetzt, wodurch fortlaufende Aufklärungsarbeit bezüglich der jüdischen Geschichte notwendig ist.

Der Begriff Mittelalter ist in der Forschung teilweise umstritten. Angemerkt wird, dass der Begriff eine homogene Epoche impliziere, was allerdings nicht der Realität entspricht. Herausgebildet habe sich der Begriff bereits durch die aufkommenden Humanisten im ausgehenden Mittelalter. Dementsprechend verweise der Begriff auf die „mittlere Zeit“ zwischen Antike und Neuzeit. Es würde der Eindruck erweckt, dass es sich lediglich um eine Art Übergangszeit handle. Dabei umfasst das Mittelalter einen Zeitraum von ca.1000 Jahren (500-1500 n.Chr.) und ist folglich äußerst vielfältig (vgl. Müller 2015, S. 12). Eine Überwindung der eurozentrischen Perspektive ist elementar, um die globalen Verstrickungen und Unterschiede zu erkennen. Anzumerken ist, dass die mittelalterlichen europäischen Ideale nicht zwingend auf anderen Kontinenten vorzufinden waren. Die europäische Klassifikation der Zeit von 500 bis 1500 ist nicht bindend für andere Kontinente, manche verfügen nicht über eine Epoche gleichen Ausmaßes (vgl. ebd, S. 11, 13).

3. Didaktische Analyse

3.1 Das Kerncurriculum (KC)

Das KC des Landes Niedersachsen im Fach Geschichte empfiehlt für den 5. und 6. Jahrgang des Gymnasiums sich mit Lebensformen im Mittelalter auseinanderzusetzen (vgl. KC 2015, S. 20). Spezieller soll sich der Unterricht mit Weltdeutung und Religion sowie Transkulturalität befassen (vgl. ebd.). Die Schüler:innen sollen ein Gefühl für den Konstruktcharakter von Religion bekommen und sie als „zentrale[n] metaphysischen Bezugspunkt“ kennenlernen (vgl. KC 2015, S. 18). Religion und Weltdeutung hängen mit vielen weiteren Bereichen in der Geschichte zusammen und wirken auch auf Bereiche wie Gesellschaft und Recht, Herrschaft und Staatlichkeit sowie Wirtschaft und Umwelt ein (vgl. ebd.). Das macht den Themenbereich komplexer, gleichzeitig aber auch zu einem Musterbeispiel der Multikausalität und Multiperspektivität (vgl. KC 2015, S.16). Darüber hinaus ermöglicht das Thema als „Grenzgänger“ zwischen mehreren Disziplinen einen Einblick in die Transdisziplinarität. Die Schüler:innen lernen Religion als wirkungsmächtiges Konstrukt kennen, das die Macht hat und hatte, Gesellschaften neu zu formen, Recht neu zu denken und zu formulieren sowie kulturelle Begegnungen zu ermöglichen und durch das Austauschen und Verbreiten von Gütern eine erste Globalisierung zu fördern (vgl. KC 2015, S.18). Hier wird auch deutlich, dass ein religiöser Schwerpunkt im Fach Geschichte unumgänglich ist, besonders für die Epoche des Mittelalters.

Das KC im Fach Geschichte verzichtet bewusst auf Namen von historischen Figuren und Ereignissen, um einer Selektion in Form einer Kanonbildung entgegenzuwirken (vgl. KC 2015, S. 17). Dies ist aber nur teilweise effektiv, da so auch weniger bekannte Namen unbekannt bleiben. Der Versuch positiv auf eine neue Art von Tradierung einzuwirken, bleibt aus. Besonders in Bezug auf die Religionen bleibt unerwähnt, dass es neben dem Christentum noch andere, ebenfalls gleichberechtigte Welt- oder Universalreligionen gibt. Auch in Bezug auf die Gleichberechtigung von Sprachen fällt hier auf, dass Religionen, die zum Großteil in nicht-europäischen Sprachen gelebt werden (wie z.B. der Islam), nicht erwähnt werden. Diese eurozentrische Perspektive soll mit diesem Unterrichtsentwurf ebenfalls kritisiert und infrage gestellt werden.

3.2 Didaktische Reduktion

Die geplante Doppelstunde leitet eine nähere Betrachtung von zwei Weltreligionen im Mittelalter ein. Aus diesem Grund geht es in dieser einführenden Stunde zunächst darum, kennenzulernen, wie groß und verbreitet die Religionen im frühen Mittelalter waren. Die islamische und jüdische Expansion bieten den groben Rahmen. Bei der Expansion des Islam steht Mohammed als Gründer der Religion im Mittelpunkt. Deshalb werden den Schüler:innen verschiedene Stationen seines Lebensweges vorgestellt. Begonnen wird mit seiner Geburt, daraufhin folgt sein früheres Leben als Kaufmann, das vom Leben als Propheten abgelöst wird. Die Ausbreitung des Islam vor seinem Tod wird ebenfalls anhand kurzer Darstellungstexte und Bilder thematisiert. Wie der Islam nach Mohammeds Tod expandierte wird nicht zum Thema der Doppelstunde, da er als Person im Fokus stehen soll. Die Schüler:innen erhalten Materialien anhand derer sie die Verbreitung der aschkenasischen und sefardischen Juden*Jüdinnen im Früh-, Hoch- und Spätmittelalter bestimmen. Da aus dem Frühmittelalter kaum verwertbare Quellen bezüglich der Verbreitung des Judentums überliefert sind, wird das Material mit Darstellungstexten gefüllt. Das Verständnis der Schüler:innen soll für nachfolgende Themen, wie dem Antisemitismus im Zuge des Zweiten Weltkrieges, geebnet werden. Dementsprechend enthält das Material Bezüge zu den Verfolgungen und Vernichtungen von Juden*Jüdinnen im Mittelalter. Die Schüler:innen erkennen den Minderheitenstatus der Juden*Jüdinnen im Mittelalter. Folglich sollen sie Hypothesen aufstellen, wie es zu den massenhaften Verfolgungen und Vernichtungen kam. Explizite Beispiele werden in der Doppelstunde nicht angeführt, da zunächst eine Sensibilität für Antisemitismus in der Geschichte geschaffen wird.

Die Unterrichtsstunde soll an eine umfassende Lehreinheit zum Mittelalter anknüpfen. Die Schüler:innen verfügen also bereits über historische Kenntnisse zum Mittelalter und könnten im Anschluss an die hier vorliegende Unterrichtsstunde ihr neu gewonnenes Wissen in bekannte historische Kontexte einordnen. Die große Bedeutung von Religion im vorliegenden Unterrichtsentwurf spiegelt die Realität des mittelalterlichen Geschehens durchaus wider, da Religion ein wesentlicher und prägender Faktor im Weltgeschehen des Mittelalters war und als solcher verstanden wird.

3.3 Gegenwarts- und Zukunftsbezug

Durch Migration wandelte sich Deutschland in den letzten Jahrzehnten zu einer multikulturellen Gesellschaft – das spiegelt sich auch in der Schule wider. Eine Klassengemeinschaft ist oftmals durch Kinder unterschiedlicher Nationalitäten geprägt, die sich unter anderem durch verschiedene Glaubensrichtungen auszeichnen. Diese Individualität der Schüler:innen wird gefördert, indem Toleranz und Respekt gegenüber den unterschiedlichen Religionen etabliert werden, damit der “Dialog der Religionen” (Schluß 2010, S. 84) ermöglicht wird. Dieser Dialog soll von Toleranz und Respekt geprägt sein, deren Grundlage aus dem Verständnis für verschiedene Religionen besteht. Anhand des Unterrichtsentwurfs, in welchem die Verbreitung sowie in folgenden Unterrichtsstunden die Grundzüge der verschiedenen Religionen dargelegt werden, soll ein grundlegendes Verständnis aufgebaut werden. Auch im Zuge verstärkter Polarisierungen und Diffamierungen gegenüber manchen Religionen durch erstarkende rechte Parteien ist es notwendig, den Schüler:innen ein differenziertes Wissen zu ermöglichen. Antisemitische und islamfeindliche Straftaten, beginnend bei verbalen Anfeindungen und in seiner schlimmsten Ausprägung rassistischen Mordanschlägen, sind leider keine Seltenheit und es liegt auch an der Institution Schule, rassistischen Stereotypen vorzubeugen. Eine Kenntnis der Religionen bietet dafür zunächst eine solide Grundlage, um Rassismus und Antisemitismus präventiv vorzubeugen. Die Schüler:innen werden dazu angehalten, die gesellschaftlichen Verhältnisse und Missstände auf Grundlage ihrer religiösen Kenntnisse zu reflektieren, wodurch sie sich mit elementaren Gesellschaftsfragen auseinandersetzen (vgl. Dirim/ Mecheril 2018, S. 70). Die beiden thematisierten Weltreligionen stehen auch exemplarisch für unterschiedliche Lebensentwürfe, die Menschen wählen können und dürfen, was im Fach Geschichte mit einer besonderen Bedeutung versehen ist, denn das Fach fordert einen multiperspektivischen Umgang und das Berücksichtigen von Pluralität (vgl. KC 2015, S. 5f). Somit dienen die beiden Religionen, die in Niedersachsen und Deutschland nicht die Mehrheit ausmachen dazu, ihre Geschichte nahbar zu machen und sie damit auch zu legitimieren.

3.4 Exemplarische Bedeutung

Die Beschäftigung mit Weltreligionen im Mittelalter eröffnet den Schüler:innen Einblicke in die Diversität und Pluralität von Religion. Es sollte deutlich im Unterrichtsentwurf deutlich werden und auch den Schüler:innen nicht verborgen bleiben, dass es sich auch bei zwei Weltreligionen, wie dem Islam und dem Christentum nur um exemplarisch ausgewählte Religionen handelt, deren Listung keine Vollständigkeit verspricht. Die Annäherung an Religionen im Mittelalter bietet den Schüler:innen die Chance, zu erkennen, dass Religionen irgendwo ihren Anfang nehmen, sich entwickeln und dabei Einfluss auf politisches Handeln und menschliche Werte nehmen.

3.5 Unterrichtsziele

Grobziel:

Die Schüler:innen lernen die Entstehung und Verbreitung der Religionen im Frühmittelalter sehr selbstständig kennen.

Feinziele:

  1. Die Schüler:innen können narrativ beschreiben, wie sich der Islam und das Judentum im Frühmittelalter ausbreiteten und entwickelten.
  2. Die Schüler:innen arbeiten frei mit digitalen Tools und erproben ihre Anwendung.
  3. Die Schüler:innen arbeiten gemeinsam und treffen Absprachen.
  4. Die Schüler:innen können die erarbeiteten Inhalte inhaltlich kohärent darstellen und präsentieren.
  5. Die Schüler:innen arbeiten bewusst mit Sprache und können zwischen verschiedenen sprachlichen Registern wählen.

4. Methodische Überlegungen

Charakteristisch für den vorliegenden Unterrichtsentwurf ist sein sprachsensibler Grundgedanke. Das bedeutet, dass die Sprache als solche immer wieder explizit zum Thema gemacht wird. Somit wird in der Aufgabenstellung explizit erwähnt, in welchem sprachlichen Register die Aufgabe zu verfassen ist, um die Schüler:innen sprachlich handlungsfähig zu machen (vgl. Michalak, Lemke, Goeke 2016, S. 137f).

Durch eine ritualisierte Begrüßung bei Betreten des Klassenzimmers wird eine ruhige Unterrichtsatmosphäre geschaffen (vgl. Meyer 2004, S. 37). Dies ermöglicht einen organisierten Unterrichtseinstieg, der durch ein angeschriebenes Thema an der Tafel den Stundenverlauf für die Schüler:innen transparent macht. Angeschrieben wird „Die Verbreitung der Weltreligionen im Mittelalter“, was dazu führt, dass die Schüler:innen ihr Vorwissen aktivieren und das Ziel der Unterrichtsstunden kennen (vgl. ebd. S. 36). Dadurch, dass die Doppelstunde als Einführung in die Thematik der mittelalterlichen Weltreligionen fungiert, wird zunächst eine Mindmap mit dem Vorwissen der Schüler:innen erstellt. Diese soll sehr einfach gestaltet sein und dient zur groben Orientierung in der Thematik und zeigt auch die gegenwärtige Relevanz und Präsenz von Religionen auf, wodurch es sich um einen Aktualitätsbezogenen Unterrichtseinstieg handelt (vgl. Rauh 2018, S. 44). Zeitlich soll dieses erste Sammeln 10 Minuten nicht überschreiten.

Gerahmt wird der Erarbeitungsteil der methodisch offenen Doppelstunde von einer Gruppenarbeit mit Rollenspielcharakter. Die Vorbereitung desselben erweist sich zwar als etwas arbeitsaufwändiger, schafft aber einen Rahmen, der immer wieder angewendet werden kann. Die Schüler:innen fungieren als Detektiv:innen, die in Gruppen verschiedene Fälle lösen. Von Vorteil ist, dass die Arbeit von Detektiv:innen den Schüler:innen aus diversen Kinderbüchern und Filmen bekannt sein wird. Das Agieren als Detektiv:innen macht die Gruppenarbeit zum Rollenspiel. Diese Methode zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Schüler:innen sich nicht als sie selbst, sondern als Expert:innen einem Lerngegenstand annehmen. Gleichzeitig bleibt der spielerische Charakter beim Lernen bestehen, was dem Alter einer 6. Klasse angemessen erscheint. Das Gefühl, Teil eines kompetenten Teams zu sein, soll bei den Schüler:innen außerdem die intrinsische Motivation erhöhen, problemlösend mitzuarbeiten (vgl. Methodenpool Rollenspiel). Das Lernarrangement schafft außerdem die ideale Grundlage für fächerübergreifendes Lernen. Es bietet sich an, im Deutschunterricht parallel eine Detektiv:innengeschichte zu lesen. Die Inszenierung des Lernprozesses als Detektiv:innenfall schafft ein weniger künstliches Lernarrangement und weniger affektierte Kommunikationssituationen, was auch in sprachsensiblen Unterrichtsstunden von Vorteil ist (vgl. Schmölzer-Eibinger 2013, S. 30). Die Detektiv:innen sind keine Einzelkämpfer:innen. Sie arbeiten in Kleingruppen von ca. 4-5 Personen zusammen. Somit ist das Detektiv:innenspiel auch eine Form von Gruppenarbeit, die beliebig variiert und erweitert werden kann. Die Schüler:innen können sich untereinander absprechen, sich helfen, diskutieren – und das alles ohne direktes Einwirken der Lehrkraft, um die Sprechanteile der Schüler:innen hoch zu halten (vgl. Michalak, Lemke, Goeke 2016, S. 150f). Die Lehrkraft wird während der Gruppenarbeitsphase nur auf direkte Nachfrage hin aktiv. Die Schüler:innen stehen im Mittelpunkt einer natürlichen Kommunikationssituation. Dadurch, dass die Gruppenarbeit von Interaktion und Kommunikation geprägt ist, wird vorausgesetzt, dass die Schüler:innen bereits über soziale Kompetenzen verfügen (vgl. Klippert 2016, S. 84). Insgesamt schafft auch das gemeinsame Hinarbeiten auf eine Lösung ein Erfolgs- und Kompetenzerleben für die Schüler:innen. 

Es erfolgt eine Gruppenarbeit, da der Arbeitsauftrag gruppenintern aufgegliedert werden kann. Somit werden Einzel- sowie Gruppenaktivitäten innerhalb der Gruppenarbeit gefördert, sodass am Ende eine Lösungsvariante entsteht, an der jede:r Schüler:in mitgearbeitet hat. Durch die Bearbeitung von Diskussions- und komplexen Aufgaben, ebenso wie von Brainstorming, bietet sich ebenfalls die Lernform der Gruppenarbeit – und nicht etwa der Partnerarbeit – an (vgl. Reich, Methodenpool Gruppenarbeit). Zudem steht die Methode des „Problem based learning“ (PBL) im Mittelpunkt der Unterrichtsstunde. Die Schüler:innen werden vor ein Problem gestellt, welches sie lösen sollen. Durch das Aneignen von Wissen, während des Problemlösens wird ein aktives Wissen geschaffen, das auch in diesem Fall zusätzlich die Sozial- und Teamfähigkeit fördert (vgl. Methodenpool PBL). Charakteristisch für PBL ist die hohe Lerner:innenzentriertheit, der Fokus auf das Lösen eines Problems sowie das Herausbilden ein Problemlösekompetenz (vgl. Methodenpool PBL).

Die problemorientierte Gruppenarbeit wird eingeleitet, indem den Schüler:innen ein Arbeitsblatt mit einer Anleitung ausgeteilt wird und ein Rätsel zugeteilt wird. In diesem Rätsel werden den Schüler:innen explizite Fragen gestellt, um zu verhindern, dass die Schüler:innen nicht wissen, was genau von ihnen gefordert wird (vgl. Schmölzer-Eibinger 2013, S. 33). Das Rätsel wird zusammen mit einer Detektiv:innenakte ausgeteilt. In dieser Akte wird das Wissen, das sich die Schüler:innen aneignen sollen, strukturiert. So findet eine Einteilung nach Personen, Orten und der Zeit statt. Nach einem ersten gruppeninternen Brainstorming sollen die Schüler:innen Hypothesen formulieren, die zu der Frage passen, die sie aus ihrem Rätsel entnehmen konnten. Zum Formulieren von Fragen und Hypothesen sind nach dem Konzept des Scaffolding Satzanfänge formuliert worden, an denen sich die Schüler:innen orientieren können.

Nach dem ersten Formulieren von Hypothesen bekommen die Schüler:innen zusätzliches Arbeitsmaterial in Form von Darstellungstexten und Bildern, teilweise auch Videos und Karten. Vorausgesetzt ist, dass die Schüler:innen den Umgang mit kurzen, einfachen Texten, Videos, Bildern und Karten beherrschen. Insgesamt ist die Erarbeitungsphase von einer großen Schüler:innenfreiheit geprägt. Sie bearbeiten die Materialien in einer frei gewählten Reihenfolge und entscheiden selbst, welche Informationen sie für relevant erachten (vgl. Rauh 2018, S. 60 f.). Es ist auch nicht entscheidend, dass sich die Materialangebote für Judentum und Islam in großen Teilen ähneln oder gleich strukturiert sind. Da die Ergebnisse und auch der Lösungsweg in einem abschließenden Detektiv:innenkongress erläutert werden, stützt der Einsatz verschieden aufbereiteter Materialien sogar noch den Rollenspielcharakter.

Material Islam:

Sämtliche Karten zum Islam:

YouTube-Video zum Islam:

Material Judentum:

Nicht nur das erfolgreiche Lösen der Fälle soll das Resultat der Doppelstunde sein. Nach der ausführlichen Gruppenarbeit werden die Schüler:innen in der Lage sein, ihre Ergebnisse auf einem gemeinsamen „Detektiv:innenkongress“ vorzustellen und zu präsentieren. Die Art der Präsentationsform dürfen die Schüler:innen frei wählen. Sollte bereits eine Einführung in das Programm PowerPoint erfolgt sein, könnten die Schüler:innen hier eine gemeinsame Präsentation erstellen und mithilfe eines Beamers im Klassenraum vorführen. Dies ist nur möglich, sollte die Schule den Schüler:innen Laptops bereitstellen. Alternativ können die Schüler:innen aber auch ein Plakat erstellen, ein Tafelbild planen und aufzeichnen oder sogar ein Rollenspiel vortragen (die analogen Formen der Präsentation sind in Kapitel 6 erläutert). Die Schüler:innen sollen selbst kreativ werden. Als Qualitätsmerkmal gilt dabei, dass die Schüler:innen die Inhalte narrativ korrekt darstellen können und auch Zusammenhänge zwischen den einzelnen Ereignissen darstellen können. Es wäre denkbar, auch für das Erstellen der Präsentationen Satzanfänge gemäß Scaffolding zur Verfügung zu stellen. Es sollte erwähnt sein, dass die Schüler:innen durch die große Freiheit in Bezug auf die Gestaltung auch gehemmt werden können. Hier ist es an der Lehrkraft im Blick zu behalten, ob eine Gruppe Unterstützung benötigt. Am Ende der Doppelstunde ist es wichtig, dass die Schüler:innen die Wortliste (siehe 4.1 Sprachsensibler Aspekt) der jeweils anderen Stationsarbeit erhalten, sodass alle über dasselbe relevante (Fach-)Vokabular verfügen.

Sollte die großzügig angegebene Zeit zum Lösen der Aufgaben nicht genügen, kann die Arbeitszeit auch bis zum Ende der Stunde verlängert werden. Etwa zehn Minuten vor Ende der Doppelstunde sollte dann eine Reflexion zur Arbeitsphase erfolgen. Hier können die Schüler:innen äußern, was ihnen Probleme bereitet und verhindert hat, in der angegebenen Zeit fertig zu werden.

Es sollte deutlich werden, dass die vorgestellte Doppelstunde die Einleitung zur Unterrichtseinheit ‚Religion im Frühmittelalter‘ darstellen soll, die den Fokus eben nicht nur auf die christliche Religion richtet. Es mag wirken, als würde die geschichtliche Komponente in diesem Entwurf der religiösen weichen, doch tatsächlich sind beide Komponenten nicht ohne einander denkbar. Die explizite Verknüpfung beider Realitäten kann in nachfolgenden Unterrichtsstunden stattfinden.

4.1 Sprachsensibler Aspekt

Der Aspekt der Sprachsensibilität kann dabei auf mehreren Ebenen geschult werden. Für diesen Unterrichtsentwurf sind insbesondere die Prinzipien der „Alltagssprache zur Fachsprache“, die “Vermittlung von Textkompetenz” und “gezielte Wortschatzarbeit” (vgl. Michalak/ Lemke/ Goeke 2016 S. 139, 140, 144) relevant. Die zur Verfügung gestellten Wortlisten fungieren als sprachliche Unterstützung. In den Darstellungstexten sind Fachbegriffe, die in den erklärenden Wortlisten auftauchen, kursiv geschrieben. Diese Fachbegriffe, unter die auch bildungssprachliche Ausdrücke fallen, werden mithilfe von Synonymen und kurzen Testen erklärt. Durch die Kursivschreibung erregen die Begriffe bei den Schüler:innen Aufmerksamkeit und werden nicht überlesen. Falls die Schüler:innen ein kursiv hervorgehobenes Wort nicht verstehen, können sie die Wortlisten zur Hand nehmen und nachschauen. Somit stellen sie auch eine sprachliche Hilfe dar, die an die sprachlichen Voraussetzungen der Schüler:innen anknüpft (vgl. ebd, S. 138 f.). Durch die Bereitstellung von Pluralformen, Artikeln und verwandten Wörtern innerhalb der Wortlisten wird der Wortschatz aktiv und gezielt erweitert. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, eine Auswahl an Begriffen zu treffen, die die Schüler:innen selbst für wichtig erachten. Diese können sie ebenfalls in ihren Detektiv:innenakten, als sogenannte sprachliche Codes, festhalten. So erstellen die Schüler:innen fast nebenbei themenbezogene sprachliche Netzwerke (vgl. ebd, S. 148).

Des Weiteren sind visuelle Reize gesetzt worden, um den Schüler:innen die Textarbeit zu erleichtern. So sind in Aufgabenstellungen die sprachlichen Register erwähnt und hervorgehoben, ebenso wie zerteilte Verben, um ihre Zusammengehörigkeit auszudrücken. Zwar ist das bloße Markieren von Wörtern keine sprachsensible Methode, dennoch erleichtert es den Schüler:innen zu erkennen, welche Fachbegriffe oder schwierigeren Wörter ihnen in den Wortlisten erklärt werden.

Die zur Verfügung gestellten Bilder erfüllen einen doppelten Zweck. Zum einen können sie konkret zum Lösen der Aufgaben herangezogen werden. So wird zum Beispiel die Lage mehrerer relevanter Orte deutlich oder die Route historischer Persönlichkeiten kann nachverfolgt werden. Gleichzeitig bedienen auch sie einen sprachsensiblen Aspekt, da sie die schriftlichen Inhalte auf einer visuellen Ebene darstellen (vgl. Leisen, S. 133). Die Alterität, die die Gemälde aufgrund ihrer Entstehungszeit im Mittelalter mitbringen wird im Gegenzug wieder durch kurze Darstellungstexte, in Form von Bildunterschriften, aufgehoben. Zusätzlich wird die Kommunikation unter den Schüler:innen gefördert. Die Aufgaben sehen die Absprache und Diskussion unter den Schüler:innen vor, wodurch das sprachliche Lernen gefördert wird (vgl. Michalak/ Lemke/ Goeke 2015, S. 135). Es werden Sprechanlässe geschaffen, die die Schüler:innen dazu herausfordern, ihre Gedanken zu den Aufgaben verständlich zu artikulieren. Den Mitschüler:innen muss ermöglicht werden, den Lösungsansätzen zu folgen und diese zu verstehen. Dabei findet ein Wechsel der Sprachregister statt. Die Schüler:innen werden in den Aufgaben mit der Bildungs- und Fachsprache konfrontiert, verwenden bei der Besprechung der Aufgaben allerdings eher die Alltagssprache in Kombination mit vereinzelten Fachbegriffen (vgl. ebd, S. 139). Somit wird die fachsprachliche Kommunikation in Ansätzen erprobt und kann in den nachfolgenden Schuljahren ausgebaut werden.

Zusätzlich bestünde die Möglichkeit, die Wortlisten zu vertonen, um einen weitgehend inklusiven Unterrichtsentwurf zu erhalten. Für diesen Unterrichtsentwurf haben wir uns dagegen entschieden, einerseits da es sich um einen möglichst realitätsnahen Unterrichtsentwurf mit begrenzter Vorbereitungszeit handeln soll. Andererseits wäre dieser Aspekt nur für die digitale Variante nachhaltig anwendbar, da die Vertonung über einen QR-Code wiederholt abrufbar wäre. Allerdings müsste jedes Wort einzeln eingesprochen werden, um Verwirrungen vorzubeugen. Infolgedessen besäßen die Schüler:innen eine Vielzahl von Audio-Dateien, wodurch Überforderung eintreten könne. Ebenso wäre die Vertonung für die analoge Variante ungeeignet, da die Lehrkraft beide Wortlisten vorlesen müsste. Dieser Vorgang würde viel Zeit in Anspruch nehmen und die Bearbeitungszeit der Aufgaben maßgeblich reduzieren.

4.2 Digitaler Aspekt

Der digitale Aspekt Arbeitsphase wird durch ein Smartphone und einen Laptop bedient. Es wird davon ausgegangen, dass ein Großteil der Schüler:innen ein Smartphone besitzt, sodass pro Gruppe mindestens ein digitales Gerät zur Verfügung steht. Der Laptop sollte von der Schule gestellt werden. Es genügt ein Bildschirm pro Gruppe. Das Smartphone wird in die Doppelstunde integriert, da es sich um einen alltäglichen Gegenstand handelt und die meisten Schüler:innen mit dem Umgang vertraut sind. Da es sich um eine Gruppenarbeit handelt und sich die Schüler:innen gruppenintern unterstützen, können auch die Schüler:innen an der Doppelstunde teilnehmen, die kein eigenes Smartphone besitzen. Zudem ermöglichen ausgedruckte Bilder, sowohl in der digitalen als auch in der analogen Version, die aktive Mitarbeit innerhalb der Gruppe. Die beiden Stationen sind mit dem gleichen digitalen Tool, dem QR-Code, ausgestattet. Es wird Schüler:innen geben, die das Tool bereits aus dem Alltag kennen, wodurch sie den anderen Gruppenteilnehmer:innen bei Unsicherheiten bezüglich des Umgangs helfen können. Die QR-Codes dienen dem Erwerb digitaler Kompetenzen und ermöglichen gleichzeitig das Kennenlernen und Erforschen seriöser Internetseiten, die Lernprozesse unterstützen. Sollten die Schüler:innen über eigene Laptops oder IPads verfügen, kann darüber nachgedacht werden, alle Arbeitsblätter in digitaler Form auszuteilen, um Papier zu sparen. Dennoch sollte bedacht werden, dass ein rein digitales Lernen bei Schüler:innen der sechsten Klasse durchaus zu Ablenkung führen kann. Maßgeblich ist, dass die Lehrkraft über digitale Kompetenzen verfügt, sodass weiterführende Fragen zum Umgang mit der Digitalität beantwortet werden können.

5. Stundenverlaufsplan

ZeitPhaseLernsituationSozialformMedien
Ca. 10 MinutenEinstiegEinführung: Begriff „Weltreligion“;
stichwortartige Mindmap mit Assoziationen
PlenumTafel
Ca. 5 MinutenErläuterung des ArbeitsauftragesKlärung Begriff „Zeitdetektiv:innen“;
Bildung Gruppentische
PlenumABs
Ca. 10 MinutenErarbeitung IAusteilung Rätselarbeitsblatt und Detektiv:innenakte;
gruppeninternes Brainstorming ; Hypothesen aufstellen
GruppenarbeitSmartphone AB  
Ca. 40 Minuten, (kann bei Bedarf ausgeweitet werden).Erarbeitung IIBearbeitung Material:
Hypothesen prüfen, Aufgabenbearbeitung, gruppeninterne
Ergebnissicherung,
Vorbereitung Vorstellung der Gruppenergebnisse
GruppenarbeitSmartphone AB Laptop/ Plakat
Alternatives Ende, ca. 5-10 MinutenSchlussErarbeitungsphase reflektieren:
Verständnisprobleme
ggf. Zeitprobleme
Plenum
Ca. 20 MinutenSicherung der ErgebnissePräsentation Lösungsprozess und ErgebnissePlenumBeamer Tafel
Ende, ca. 5 MinutenAusblickThema nächster Unterrichtsstunden, Darstellung größerer Zusammenhang einzelner UnterrichtseinheitenPlenum

6. Analoge Alternative

Laut Bächele verfügt jedes Wissen über eine mediale Spezifik. Nur sei man sich dieser nicht bewusst, solange das Medium zuverlässig funktioniere (vgl. Kergel, Heidkamp-Kergel 2020, S. 36). Fällt also das digitale Medium des Smartphones, Beamers oder Laptops aus, kann der Wissenstransfer nicht mehr stattfinden. Nicht jede Schule verfügt über die Ressourcen, einen in Teilen digitalen Unterricht zu ermöglichen. Damit auch diese Schüler:innen Zugang zu einem sprachsensiblen Unterricht bekommen können, folgt eine alternative Didaktik und Methodik, um die Unterrichtsstunde auch ohne digitale Medien vor Ort umsetzen zu können.

6.1 Analoge Didaktik

An der didaktischen Reduktion und dem Gegenwartsbezug sowie der Legitimation durch das Niedersächsische KC ändert sich unter analogen Voraussetzungen nichts. Lediglich die Lernziele sollten neu und auch ausführlicher sowie in Abgrenzung zum digitalem Lernen betrachtet werden. Das Wegfallen digitaler Möglichkeiten verhindert zunächst das implizite Lernen und Erproben von Medienkompetenz. Das Scannen eines QR-Codes und das Kennenlernen bildungsrelevanter und seriöser Internetseiten kann nicht handlungsorientiert ausprobiert werden. Zudem wird die Phase der Ergebnissicherung stark eingeschränkt. Die Schüler:innen können ihre Ergebnisse nicht in einer selbst gestalteten PowerPoint-Präsentation vorführen, sondern müssen ihre Ergebnisse analog mithilfe eines Posters oder eines selbst gestalteten Tafelbilds vorführen. Auch auf lange Sicht wird die Ergebnissicherung eingeschränkt. Die Schüler:innen können ihre Präsentation nicht per E-Mail an ihre Mitschüler:innen schicken und so dafür sorgen, dass alle über die Inhalte verfügen. Zu einem Großteil bleiben die Lernziele bestehen, denn an den Bildungszielen der Doppelstunde ändert sich nichts. Die Schüler:innen lernen zwei Weltreligionen kennen, die im evangelischen Religionsunterricht nicht thematisiert werden. Präziser sollen die Schüler:innen die Religionen im Kontext des Frühmittelalters kennenlernen. Dabei steht besonders die Verbreitung derselben im Vordergrund. Das narrative Beschreiben der Ausbreitung und Entstehung ist noch immer das vordergründige Ziel der Doppelstunde. Medial betrachtet erfolgt das Erlernen aber eintöniger, was durchaus zu motivationalen Problemen führen kann. Zudem können die Schüler:innen keine eigenständige Recherche betreiben.

6.2 Analoge Methodik

Der Einstieg zur Unterrichtsstunde erfolgt auch im analogen Unterricht ritualisiert. Die Schüler:innen werden begrüßt, wodurch sie sich darauf einstellen können, dass die Unterrichtsphase begonnen hat.

Die Gruppenarbeit fungiert auch bei der analogen Alternative weiterhin als Grundgerüst, sodass die Schüler:innen durch die Interaktion und Kommunikation ihre Sozial- und Handlungskompetenzen vertiefen. Verwendet werden dieselben Arbeitsblätter, allerdings ausgedruckt auf Papier. In der Vorbereitung auf die analoge Unterrichtsstunde klebt die Lehrkraft die Arbeitsblätter mit den Rätseln sowie die Bilder auf verschiedene Pappen. In der Detektiv:innenakte, von der jede Gruppe ein Exemplar der mit den Arbeitsmaterialien der zugeteilten Religion erhält, sind die Bilder, Arbeitsaufträge und Arbeitsblätter enthalten. Zudem ist eine DIN A5 Pappe enthalten, die den Terminus „Unterrichtssprache“ erklärt. Durch den Einsatz der auf Pappe geklebten Blätter wird die haptische Wahrnehmung einbezogen, da Pappe schwerer als Papier in der Hand liegt. Durch die ausgedruckten Arbeitsblätter wird den Schüler:innen die Möglichkeit des direkten Markierens von auffälligen Wörtern oder Sätzen gegeben. Gleichzeitig können sie Anmerkungen oder beispielsweise Fragezeichen direkt neben die Texte notieren. Diese Handlungskomponente vertieft den Aspekt der Sprachsensibilität bezüglich der Vermittlung von Textkompetenz (vgl. Michalak/ Lemke/ Goeke 2016, S. 141).

Die Vorgänge der Begrüßung, Austeilung der Arbeitsblätter und Detektiv:innenakten, die Erarbeitungsphase I und der Ausblick sind deckungsgleich mit dem digitalen Entwurf. Die Ergebnissicherung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Den Schüler:innen ist es freigestellt aus einem selbst gestalteten Tafelbild, einem Plakat oder einer Inszenierung in Form eines Rollenspiels auszuwählen, wie sie ihre Ergebnisse präsentieren wollen. Das Rollenspiel eignet sich allerdings nur für die Ergebnissicherung der Stationsarbeit A, folglich dem Aufgabensatz der sich mit dem Islam beschäftigt. Dadurch, dass sich diese Gruppen intensiv mit der Verbreitung der Religion durch Mohammed auseinandersetzen, kann ein Rollenspiel inszeniert werden. Anders als beim rahmenden Rollenspiel der Detektiv:innenarbeit würde bei diesem Rollenspiel das Einnehmen verschiedener historischer Perspektiven im Vordergrund stehen. Für die Gestaltung eines Tafelbilds oder eines Plakats gibt es seitens der Lehrkraft keine spezifischen Vorschriften. Die Schüler:innen, die ein Tafelbild anfertigen, sollen zum Zeitpunkt der Ergebnisvorstellung eine Skizze des Bildes erarbeitet haben, sodass das Zeichnen an der Tafel nicht mehr überdacht werden muss. Während der Planung der Ergebnisvorstellung, überwacht die Lehrkraft diesen Prozess und überprüft die Plakate, Rollenspiele und skizzierten Tafelbilder hinsichtlich ihrer inhaltlichen Korrektheit. Insgesamt muss für die Ergebnissicherung mehr Zeit eingeplant werden, da keine Dokumente oder Präsentationen innerhalb der Unterrichtsstunde online verschickt werden können. Dadurch, dass die Aufgabenbearbeitung gruppenintern aufgeteilt wurde, sollen mehrere Gruppenmitglieder aktiviert werden und die Ergebnisse vorstellen (vgl. Rauh 2018, S. 47). Falls ausreichend Zeit vorhanden ist, können die Schüler:innen das vorgestellte Tafelbild oder die wesentlichen Informationen des Plakats abschreiben. Angenommen, eine Gruppe entscheide sich für die Präsentation in Form eines Rollenspiels, müssen die Schüler:innen die wesentlichen Informationen aus dem inszenierten Spiel filtern und aufschreiben. Es muss bedacht werden, dass das Schreibtempo der Schüler:innen variiert und dementsprechend nicht unbedingt alle relevanten Informationen aufgenommen werden können. Wenn ein Zeitmangel besteht, können die vorgetragenen Ergebnisse zu Beginn der nächsten Unterrichtsstunde abgeschrieben werden. Denkbar wäre auch, dass die Lehrkraft in der nächsten Unterrichtsstunde ein Lösungsblatt mit den Ergebnissen der Gruppenarbeit zusammenstellt und am Anfang der darauffolgenden Geschichtsstunde austeilt. Somit würden alle Schüler:innen dieselben Informationen und Lösungen haben. Bei Bestehen eines schulinternen Netzwerkes kann die Lehrkraft die Ergebnisse nach der Unterrichtsstunde in den Gruppenordner der Klasse stellen. Voraussetzung dafür ist, dass die Schüler:innen zuhause über ein digitales Endgerät verfügen. Im Anschluss an die Stunde werden die Plakate an die Wände oder die Pinnwand des Klassenraums geheftet. Somit handelt es sich um ein nachhaltiges Lernprodukt, dass sich die Schüler:innen wiederholt anschauen können. Ebenso werden die auf Pappe aufgeklebten Bilder der Pinnwand hinzugefügt oder an die Wand geklebt.

Insgesamt bedarf die analoge Form der Unterrichtsstunde mehr vorausschauendes Erarbeiten der Lehrkraft. Die Materialien müssen in ausreichend großer Anzahl vor der Unterrichtsstunde kopiert und aufbereitet werden. Zudem muss die Ergebnissicherung mit mehr Aufwand gestaltet werden. Vorteilhaft bei der analogen Unterrichtsstunde ist der Aspekt der Haptik, der die Aufmerksamkeit der Schüler:innen verstärkt auf das Arbeitsblatt oder Bild, dass sie in der Hand halten, lenkt.

7. Vorstellungen der Autorinnen:

  • Mein Name ist Julia Schinschick und ich studiere im 3. Bachelor Semester Germanistik und Geschichte mit dem Ziel, später als Gymnasiallehrkraft zu arbeiten.
  • Mein Name ist Sarah Pfirrmann und ich studiere im 5. Bachelor Semester Germanistik und Geschichte. Seit wenigen Monaten studiere ich außerdem Sonderpädagogik und Gender Studies im 1. Bachelor Semester.

8. Nachweise

8.1 Literatur

Berdgolt, Klaus (1994): Der Schwarze Tod in Europa. Die Große Pest und das Ende des Mittelalters. München: C.H. Beck.

Dirim, Inci/ Mecheril, Paul (2018): Heterogenität, Sprache(n), Bildung. Eine differenz- und diskriminierungstheoretische Einführung. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

Kergel, David; Heidkamp-Kergel, Birte (2020): E-Learning, E-Didaktik und digitales Lernen. Wiesbaden: Springer.

Klippert, Heinz (2016): Methodenlernen in der Schule. Leitfaden zur Förderung grundlegender Lernkompetenzen. Weinheim/ Basel: Beltz.

Leisen, Josef (2015): Fachlernen und Sprachlernen! Bringt zusammen, was zusammengehört! In: Der mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht, 68/ 3, S. 132-137.

Meyer, Hilbert (2020): Was ist guter Unterricht? Berlin: Cornelsen.

Michalak, Magdalena/ Lemke, Valerie/ Goeke, Marius (2016): Sprache im Fachunterricht. Eine Einführung in den sprachsensiblen Unterricht. Tübingen: Narr Francke Attempto.

Müller, Harald (2015): Mittelalter. 2. überarbeitete Auflage. Berlin/Boston: DeGruyter.

Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.) (2015): Kerncurriculum für das Gymnasium Schuljahrgänge 5-10. Geschichte. Hannover.

Rauh, Robert (2018): Geschichte kompetent unterrichten. Wie sich Kompetenzorientierung im Geschichtsunterricht umsetzen lässt. Frankfurt am Main: Wochenschau Verlag.

Schluß, Henning (2010): Religiöse Bildung im öffentlichen Interesse. Analysen zum Verhältnis von Pädagogik und Religion. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Schmölzer-Eibinger, Sabine (2013): Sprache als Medium des Lernens im Fach. In: Becker-Mrotzek, Michael / Schramm, Karen / Thürmann, Eike / Vollmer, Helmut Johannes (Hrsg.): Sprache im Fach. Sprachlichkeit und fachliches Lernen. Münster: Waxmann. S. 25-40.

Schnelle, Udo (2015): Die ersten 100 Jahre des Christentums. Die Entstehungsgeschichte einer Weltreligion. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht.

Spuler-Stegemann, Ursula (2017): Die 101 wichtigsten Fragen zum Islam. München: Beck.

8.2 Internetquellen

Herzig, Arno (2010): 10.  bis 14. Jahrhundert: bedrohte Blütezeit. In: Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/izpb/7653/10-bis-14-jahrhundert-bedrohte-bluetezeit?p=all (Zugriff: 16.01.2021)

Herzig, Arno (2010): Judentum in Antike und Frühmittelalter. In: Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/izpb/7646/judentum-in-antike-und-fruehmittelalter?p=all (Zugriff: 16.01.2021)

Lexikon des Mittelalters: Judentum. Siedlungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. In: Brepolis Medieval Encyclopaedias. Stuttgart: J.B. Metzler. http://apps.brepolis.net.proxy02a.bis.uni-oldenburg.de/lexiema/test/Default2.aspx (Zugriff: 15.01.2021; für die Nutzung ist ein Universitäts- oder Bibliothekskonto notwendig, da es sich um ein digitalisiertes Lexikon handelt)

Methodenpool der Universität Köln: Problem based learning. http://methodenpool.uni-koeln.de/problembased/frameset_vorlage.html (Zugriff: 14.01.2021).

Niedersächsisches Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ): kits – Kompetent in Technik und Sprache. QR-Code-Generator. https://kits.blog/qr/ (Zugriff: 17.01.2021)

Reich, Kersten: Methodenpool. http://methodenpool.uni-koeln.de/index.html (Zugriff: 16.01.2021)

Rosiny, Stephan (2016): Kulturen und Religionen, in: Bundeszentrale für politische Bildung. https://m.bpb.de/izpb/238899/kulturen-und-religionen (Zugriff: 14.01.2021).

8.3 Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Die Welt: Mohammed und der Aufstieg des Islam. In: https://www.welt.de/kultur/gallery10970244/Mohammed-und-der-Aufstieg-des-Islam.html, (Zugriff: 11.01.2021).

Abb. 2: Die Welt: Mohammed und der Aufstieg des Islam. In: https://www.welt.de/kultur/gallery10970244/Mohammed-und-der-Aufstieg-des-Islam.html, (Zugriff: 11.01.2021).

Abb. 3: Pixabay: https://pixabay.com/de/photos/israel-felsendom-jerusalem-2499899/, (Zugriff: 15.01.2021).

Abb. 4: Die Welt: Mohammed und der Aufstieg des Islam. In: https://www.welt.de/kultur/gallery10970244/Mohammed-und-der-Aufstieg-des-Islam.html, (Zugriff: 11.01.2021).

Abb. 5: Die Welt (2017): Islam: Mohammed und der Aufstieg des Arabischen Weltreichs. In: YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=EKiUjMjBVPQ, (Zugriff: 11.01.2021).

Abb. 6: Bundeszentrale für politische Bildung: Kulturen und Religionen. In: https://m.bpb.de/izpb/238899/kulturen-und-religionen?type=galerie&show=image&k=1, (Zugriff: 09.01.2021).

Abb. 7: Die Verbreitung des Judentums, Stand 2010. https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AJewish_distrib_country.png, (Zugriff: 17.01.2021).

Abb. 8: Marcus zum Lamm: Bildnis eines Jude https://de.wikipedia.org/wiki/Gelber_Ring#/media/Datei:Thesaurus_Picturarum_23-0121.tif,  (Zugriff: 17.01.2021).

Abb. 9: Marcus zum Lamm: Bildnis einer Jüdin. https://de.wikipedia.org/wiki/Gelber_Ring#/media/Datei:Thesaurus_Picturarum_23-122.tif, (Zugriff: 17.01.2021).

Abb. 10: Merian, Matthäus (1628): Ausschnitt aus Vogelschauplan. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/47/Frankfurt-Judengasse-1628-MkII.png, (Zugriff: 15.01.2021).

Abb. 11: Unbekannt (1182): Vertreibung der französischen Juden. In: https://en.wikipedia.org/wiki/Jewish_diaspora#/media/File:1182_french_expulsion_of_jews.jpg, (Zugriff: 17.01.2021).

Abb. 12: Pierat dou Tielt (1353): Die Massenszene. Verbrennung der Juden bei lebendigen Leib vor den Mauern der Stadt. In:https://de.wikipedia.org/wiki/Judenverfolgungen_zur_Zeit_des_Schwarzen_Todes#/media/Datei:Doutielt1.jpg, (Zugriff: 17.01.2021).

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