Juliane Rebentisch

Juliane Rebentisch

(Autorin: Lina Schniederjann)

Biographie:

Juliane Rebentisch, geboren 1970 in Bonn, ist deutsche Philosophin und seit 2011 an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main als Professorin für Philosophie und Ästhetik angestellt. Sie studierte Philosophie und Germanistik an der freien Universität Berlin und promovierte 2002 an der Universität Potsdam. Die Forschungsschwerpunkte ihrer Arbeit sind vor allem Ästhetik, Ethik und politische Philosophie. 2017 erhielt sie den Lessing-Preis der Freien und Handelsstadt Hamburg.
In der 2003 erschienenen Schrift „Ästhetik der Installation“ beschäftigt sich Rebentisch, rückblickend auf die Documenta 2002, mit dem Potenzial der philosophischen Ästhetik dieser Kunstform. Im Bereich der Ästhetik stellt sie auch die Grenzen und Möglichkeiten der Gegenwartskunst in ihrem 2015 erschienen Buch „Theorien der Gegenwartskunst- zur Einführung“ dar.
In ihrer systematisch angelegten Theoriegeschichte „Die Kunst der Freiheit- Zur Dialektik demokratischer Existenz“, erschienen 2011, beschäftigt sie sich mit der Ästhetisierung und Verteidigung der demokratischen Kultur der Freiheit.

„Zu verteidigen wäre mit anderen Worten ein Begriff von Selbstbestimmung, der die Erfahrungen der Entfremdung von den gesellschaftlich gestützten Bildern des eigenen Selbst für eine Emanzipation aus diesen Bildern nutzt. Im Blick auf das neoliberale Ideal eines flexibilisierten Ich gilt es mithin, die Entfremdungseffekte, die es zeitigt, ernst zu nehmen, ohne dabei hinter die romantische Einsicht in die Dialektik der Freiheit zurückzufallen.“
Juliane Rebentisch

Vorstellung des Essays Hegels Missverständnis der ästhetischen Freiheit

In meinem Beitrag werde ich mich mit Rebentischs Essay „Hegels Missverständnis der ästhetischen Freiheit“, erschienen im Sammelband „Kreation und Depression- Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus“ auseinandersetzen. Herausgebegeben hat diesen Band Juliane Rebentisch gemeinsam mit dem Frankfurter Philosophen Christoph Menke.
Im Sammelband erschienen unter anderem Beiträge von Luc Boltanski, Ève Chiapello, Gilles Deleuze, sowie Beiträge der Herausgeber*innen Menke und Rebentisch. Übergreifendes Thema ist hier der Freiheitsbegriff in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft, sowie Auswirkungen dieser auf die Individuen selbst.

Kreation und Depression

Mich bewog unter anderem genau diese Thematisierung eines komplexen Freiheitsbegriffes in unserer kapitalistischen Gesellschaft dazu, mich mit diesem Essay Rebentischs auseinanderzusetzen. Interesse weckte bei mir die Verknüpfung von Theorien Hegels über das Freiheitsverständnis der romantischen Ironiker, mit den Problemen und Erwartungen die das heutige abstrakte Freiheitsmodell aufbringen.

„Zu verteidigen wäre mit anderen Worten ein Begriff von Selbstbestimmung, der die Erfahrungen der Entfremdung von den gesellschaftlich gestützten Bildern des eigenen Selbst für eine Emanzipation aus diesen Bildern nutzt. Im Blick auf das neoliberale Ideal eines flexibilisierten Ich gilt es mithin, die Entfremdungseffekte, die es zeitigt, ernst zu nehmen, ohne dabei hinter die romantische Einsicht in die Dialektik der Freiheit zurückzufallen.“ (Rebentisch 2012, S. 187)

Überblick über den Essay

In ihrem Essay zu Hegels Missverständnis der ästhetischen Freiheit verbindet Rebentisch die nach ihr problematische, aktuelle Entwicklung der Anforderungen des kapitalistischen Marktes an die Individuen, mit Hegels Kritik an einem ästhetisierten Freiheitsbegriff, wie er ihn beispielhaft bei den romantischen Ironikern vorfindet. Rebentisch verteidigt mit ihrem Essay die Ästhetisierung des Freiheitsbegriffes. In der Tradition der Philosophie dient das Ästhetische als Oberbegriff für Phänomene wie den Genuss, Geschmack, die Ironie, Distanz, Veränderlichkeit, Rhetorik und kulturelle Vielfalt. Philosophen wie G.W.F. Hegel oder auch Walter Benjamin sehen die Ästhetisierung als Zeichen einer Krise. In ihrem bereits 2011 erschienenen Buch „Die Kunst der Freiheit. Zur Dialektik demokratischer Existenz“ beschäftigte sie sich unter Anderem auch mit der Verteidigung eines ästhetisierten Freiheitsbegriffes. Hier geht sie noch einmal weiter in die philosophiegeschichtliche Bedeutung des Freiheitsbegriffes in der Diskussion um das Ästhetische ein. Sie beschreibt hier, dass viele Ästhetisierungskritiken darauf hinauslaufen dem ästhetisierten Freiheitsbegriff eine vollkommene Distanz von den gegebenen sozialen und normativen Identitäts- und Rollenvorgaben vorzuwerfen. Somit unterstellen einige Ästhetisierungskritiker der Freiheit, dass sie sich selbst missversteht und die Subjekte am Ende tatsächlich unfrei werden (vgl. Rebentisch 2011, S. 10-17).
Sie macht in diesem Essay weiter deutlich wieso eine solche Kritik an der ästhetisierten Freiheit problematisch und unzureichend ist und tritt für die Verteidigung dieser ein.
Rebentisch beschreibt die aktuelle Entwicklung mit folgenden Worten: „An die Stelle einer Normierung des Subjekts nach gesellschaftlich vorgeschriebenen Rollen ist die Erwartung der kreativen Selbstverwirklichung getreten.“ (Rebentisch 2012, S. 172).
Weiterhin problematisiert sie die Schwierigkeiten der einzelnen Individuen, mit einem abstrakten Freiheitsverständnis einer Welt mit konkreten Beschränkungen und Erwartungen gegenüberzutreten (vgl. Rebentisch 2012, S. 172). Im Folgenden werde ich Rebentischs Argumentation nachvollziehen und näher auf einzelne Punkte eingehen.

Herleitung der Argumentation

Fichtes Philosophie der Subjektivität

Anfangs steht in Rebentischs Rekonstruktion von Hegels Kritik der Romantik ein Nachvollziehen von Hegels Schilderungen der Philosophie der Subjektivität nach Johann Gottfried Fichte. Die romantische Tradition wird, grade durch Hegel, oft mit dem Subjektivismus verknüpft. Weiterhin wird Rebentisch in ihrer Kritik an Hegels Verständnis der ästhetischen Freiheit später antisubjektivistische Motive in der romantischen Ironie darstellen, weshalb es mir wichtig erscheint, die subjektivistische Philosophie Fichtes hier noch einmal kurz nachzuvollziehen.
Hegel sieht die romantische Ironie als direkte Anwendung der Philosophie der Subjektivität bei Fichte. Rebentisch schildert, dass Fichte laut Hegels Rekonstruktion das Ich als absolutes Prinzip allen Wissens, aller Vernunft und aller Erkenntnis beschreibt. Das Ich begrenzt außerdem selbst das Nicht-Ich. Das Nicht-Ich bezeichnet dabei alles, was vom Ich verschieden ist. So ist alles, was gilt, nur durch das Ich möglich. Hegel wendet ein, dass das Ich selbst unbestimmt sein muss, da es nicht absoluter Bestimmungsgrund und zugleich selbst bestimmt sein kann. Dem Ich muss dadurch jegliche konkrete Bestimmung oder Besonderheit fehlen.
Die Konsequenz hieraus lautet nun, dass das Ich zum Meister über alles wird. Es kann nichts existieren ohne vom Ich gesetzt worden zu sein und es kann nichts geben, was nicht durch das Ich zerschlagen werden kann. (vgl. Rebentisch 2012, S. 174-175)

Göttliche Genialität der romantischen Ironiker

Nachdem Rebentisch Hegels Verständnis der Philosophie der Subjektivität rekonstruiert hat, wird nun die romantische Ironie selbst thematisiert.
Zuerst denke ich, dass es wichtig wäre einen Überblick über die romantische Ironie zu bekommen. Definitionen sind in ihrer traditionellen Form schwierig, da schon Schlegel sagte, dass in der romantischen Ironie „alles treuherzig offen, und alles tief verstellt […]“ ist (Schlegel 1967, S.160). Die romantische Ironie zeichnet sich so durch ihre Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit aus und widersetzt sich jeder strikten Definition.

Nun folgt erst einmal eine Unterscheidung von Komik und romantischer Ironie, die nach Hegel sehr drastisch ausfällt. Die Komik greife nur das an, was an sich selbst schon nichtig ist. Hegel sieht den Unterschied zur romantischen Ironie in der Maßlosigkeit. Die romantische Ironie mache vor nichts halt, sie sieht in Allem nur ein Produkt der Macht des Ichs. Diese Macht, die die romantischen Ironiker sich selbst zuschreiben zu scheinen, beschreibt Hegel mit dem Standpunkt der göttlichen Genialität. Die romantischen Ironiker schauen auf alles herab, Beziehungen scheinen ihnen nichtig und egal zu sein. (vgl. Rebentisch 2012, S. 175-176).
Rebentisch zitiert hier Hegel:


“»Dies« so schließt er, »ist die allgemeine Bedeutung der genialen göttlichen Ironie, als dieser Konzentration des Ich in sich, für welches alle Bande gebrochen sind und das nur in der Seligkeit des Selbstgenusses leben mag.«“ (Rebentisch 2012, S. 175).

Hegel sieht schlussendlich Friedrich Schlegel als Erfinder dieser Art der Ironie.
Im Text wird nun weiter auf die Freiheit der ironischen Romantiker eingegangen. Die als göttlich gesehene Freiheit ist laut Hegel ausschließlich die Freiheit einzelner Individuen. Die romantischen Ironiker sind am Ende auf sich selbst gestellt, auf ihre bloß subjektive Willkürfreiheit. Hegel beschreibt, dass es den Romantikern dadurch, dass sie sich zu allem ironisch verhalten, am Ende selbst an Substanz fehlt und sie in einen Prozess unendlicher Selbstbestimmung fallen. Rebentisch analysiert weiter, dass die romantischen Ironiker, durch das Fehlen einer Bestimmtheit seiner selbst, ihre Freiheit immer weiter zu schützen versuchen. Dies könnte dann nur durch das Vermeiden von Festlegungen und dem Leugnen von Bestimmtheit geschehen, was das romantische Subjekt weiter von aller Praxis entfernen würde. Praxis kann nämlich nur mit Bestimmungen, wie beispielsweise Entscheidungen, umgesetzt werden.
Es lässt sich somit festhalten, dass die Umsetzung einer absoluten und gleichzeitig abstrakten Freiheit nur in einem Dasein möglich wäre, welches sich allen Bestimmungen entzieht und immer nur in Möglichkeiten und Potentialität agiert. Hegel sieht dieses Dasein aber als ein unkräftiges an, da niemals in Konkretion gedacht werden kann und man unendlich in der Sphäre des Potentiellen schweben würde (vgl. Rebentisch 2012, S. 175-177).

Der weitere Argumentationsverlauf

Nach der Rekonstruktion von Hegels Kritik an dem Freiheitsbegriff der romantischen Ironiker fährt Rebentisch nun mit ihrer Kritik an Hegel fort. Sie beschreibt, dass es zwar nachvollziehbar sei, einen abstrakten und subjektivistischen Freiheitsbegriff auf Grund der heutigen Entwicklungen zu kritisieren, sie stellt jedoch in Frage, ob die romantischen Ironiker wirklich ein gutes Modell für diesen Freiheitsbegriff seien. Sie arbeitet heraus, dass es in der Ironie eindeutig freiheitstheoretische Motive gibt, die keine Anhaltspunkte subjektivistischer Theorien liefern. Hierbei zeigt sie vor Allem, dass die Entfremdung von konkreten Bestimmungen nicht, wie Hegel behauptet, in einen unendlichen Prozess haltloser Reflexion führen, sondern der Anlass sein kann, sich selbst oder seine Ansichten neu zu bestimmen. Sie hält fest, dass die romantische Ironie, wenn wir ihr nicht mehr eine Abstraktion von jeglicher sozialen Praxis unterstellen, „paradigmatischer Ausdruck eines historisch dynamisierten Freiheitsbegriffs […]“ sein kann (Rebentisch 2012, S. 179).

Die erste Natur, die zweite Natur und die innere Natur

Die erste Natur bestimmt Rebentisch als die Natur der Naturwissenschaften, also als das, was vom menschlichen Bewusstsein erforscht, erkannt und auch beherrscht werden kann (vgl. Rebentisch 2012, S. 180). Sie bringt den Begriff der ersten Natur in Verbindung mit Gilles Deleuze und Marquis de Sade ein, da Deleuze in Marquis de Sade die Ironie verkörpert sah. Sade überschreitet immer wieder Gesetze und so lässt sich eine erste Natur entdecken, die der zweiten und ihren Gegebenheiten vollkommen zuwider läuft. Der Begriff der zweiten Natur steht für menschengemachte Objekte, Institutionen und historische Verhältnisse, allgemein für unsere soziale Identität.
Rebentisch selbst hält den Begriff der ersten Natur hier allerdings nicht für angemessen, zumindest wenn man ihn als Begriff der Natur der Naturwissenschaften versteht, was meist der Fall ist. Sie interpretiert Deleuzes Ansatz einer solchen Natur als eine, die weder der Ordnung der ersten, noch der Ordnung der zweiten Natur folgt und somit jeder Art von Gesetzmäßigkeit entzogen ist (vgl. Rebentisch 2012, S. 179-180).
An dieser Stelle führt sie nun den Begriff der inneren Natur ein. Die innere Natur sei nicht bloßes Gegenteil von Kultur. Sie beinhaltet zugleich die Bestrebungen des Subjekts, die keinem biologischen Zweck oder Gesetz folgen, sowie auch die Bestrebungen, die sich nicht durch die soziale Identität des Subjekts beschreiben lassen (vgl. Rebentisch 2012, S. 180).
Die innere Natur ist uns als Subjekt nie als solche transparent. Sie zeigt ihre Vorgänge immer in Bezug vom Besonderen auf das Allgemeine, dem Bezug des Subjekts auf das Außen. Sie tritt in Erscheinung in Abhängigkeit einer sich verändernden Welt und kann so als Herausforderung oder Korrektiv für uns agieren. Die innere Natur zeigt sich uns in Bestrebungen oder Überzeugungen, die uns so noch nicht bewusst waren oder die wir unterdrückt haben. Mithilfe dieser neuen Bestrebungen können wir unsere Überzeugungen so an eine sich verändernde Welt anpassen (vgl. Rebentisch 2012, S. 180-182).
Hier spielt nun auch Hegels Idee des Bösen eine Rolle: In Hegels „Grundlinien der Philosophie des Rechts“ definiert er das Böse als die „Willkür, die eigene Besonderheit über das Allgemeine zum Prinzipe zu machen und sie durch Handeln zu realisieren […]“ (Hegel 1820, §139). Der Mensch ist nach Hegel böse, insofern er seinen Begierden, Trieben und Neigungen ungezügelt nachkommt. Die innere Natur kommt nun nach Deleuze einem göttlichen Augenblick nahe, der in allen seinen Elementen den Gesetzen widerspricht. Sowohl Hegel als auch Deleuze sehen den Begriff des Bösen in der Ironie verwirklicht, da sich die Ironiker frei von allen Gesetzen verhalten und dem Sittlichen nicht folgen. Nun können wir erkennen, dass die innere Natur eine Distanz zu den Gesetzen ermöglicht, in dem sie zu Selbstreflexion und -kritik führen kann. Wenn man nun das Böse als diese Distanz zum Gesetz sieht, ist das Böse ein immanenter Bestandteil jeder Veränderung.
Rebentisch sieht die Spaltungserfahrung, die durch die innere Natur auftreten kann, indem das Subjekt seine bisherigen Überzeugungen hinterfragen und eventuell ändern kann, anders als Hegel nicht als etwas an sich schon böses. Die Spaltungserfahrung, und so die innere Natur, kann uns allerdings deutlich machen, dass wir in Selbst- oder Fremdzuschreibungen gefangen sind, die nicht mehr passend sind. So können unsere Erfahrungen der inneren Natur Anfänge von Veränderungen darstellen. Hegel allerdings sieht das Gefühl der inneren Spaltung als eine Gefahr für die Freiheit an und schließt daraus, dass wir, wenn wir uns innerlich zerrissen fühlen, nicht frei sein können. Rebentisch unterstützt Hegels Position in dem Sinne, dass auch sie die innere Stimmigkeit als eine Manifestation von Freiheit begreift. Allerdings stellt sie fest, dass die innere Spaltung ein notwendiges Moment der Freiheit ist und auch sein muss, da das Subjekt sonst nicht zu Selbstreflexion und -kritik gelangen kann. Wenn das Subjekt jedoch dauerhaft in innerer Spaltung gefangen ist bedeutet dies zum größten Teil den Verlust seiner Freiheit und wäre in diesem Sinne böse.
Es bleibt wichtig festzuhalten, dass nicht die Selbstreflexion und -kritik selbst ein Böses ist, sondern wichtige Teile unserer Freiheit dadurch zum Ausdruck kommen. Die innere Natur ist weiterhin nicht als Gegenteil unserer zweiten Natur zu verstehen. Sie ist notwenig, um die zweite Natur verändern oder aber auch bestätigen zu können. Ohne Reflexion wird die zweite Natur keine Veränderung erlangen können (vgl. Rebentisch 2012, S. 180-183).
Rebentisch spricht weiterhin die Gründe an, warum wir unsere zweite Natur denn überhaupt verändern. Hier hält sie fest, dass diese Veränderung in keinem Fall unbegründet und immer auf Grund von Erfahrungen geschieht, die uns als Subjekt so aber nicht bewusst sind. Die Reaktion auf unsere Erfahrungen liegen nicht in unserer Verfügungsgewalt, die innere Natur ist uns nicht bewusst und wir können sie nicht kontrollieren. Wir sind den Vorgängen der inneren Natur also ausgesetzt, ohne sie auf irgendeine Weise kontrollieren zu können.

Die innere Natur und die romantische Ironie

Nun wird die zu Beginn des Textes angesprochene romantische Ironie erneut aufgegriffen. Rebentisch widerspricht Hegel in seiner Behauptung, die Ironiker richten sich im Sinne der göttlichen Subjektivität gegen alles. Vielmehr erheben sich laut Rebentisch die romantischen Ironiker über alles in unendlichem Maße. Sie erheben sich aber dadurch auch über die eigene Kunst, die eigenen Qualitäten und die eigene Genialität. Das von Hegel nicht angesprochene Phänomen der Selbstironie tritt in den Vordergrund: Das Subjekt tritt hierdurch in Distanz zu sich selbst und somit in Distanz zu den Selbstbildern der zweiten Natur. Dies lässt eindeutig die innere Natur in Erscheinung treten.

Adornos Dialektik der Freiheit

Die innere Natur vollzieht sich laut Rebentisch in einer Dialektik der Freiheit, so, wie es schon Adorno formuliert hat. Diese Dialektik vollzieht sich, indem das Vermögen zur Selbstbestimmung von einem gegenläufigem Impuls eingespannt wird, der inneren Natur. Adorno nennt diesen gegenläufigen Impuls das „Vor-Ichliche“, während die Selbstbestimmung die „Ichstärke“ darstellt. Freiheit kann sich so nur in der dialektischen Bewegung zwischen diesen beiden Polen vollziehen.
Die Dynamik zwischen „Vor-Ichlichem“ und „Ichstärke“ ist eine geschichtliche Dynamik in dem Sinne, dass sich die innere Natur nicht erkennen lässt, ohne, dass sie als eine Reaktion auf eine sich verändernde Welt auftritt. Durch dieses Auftreten in Bezug auf die zweite Natur gibt uns die innere Natur die Möglichkeit, Selbstbestimmung auszuüben und eine neue Gestaltung der zweiten Natur anzustoßen. Festhalten lässt sich also laut Rebentisch, dass sich die Freiheit der Subjekte nur in der Dynamik zwischen innerer und zweiter Natur verorten lässt und diese Dynamik essentieller Bestandteil der Freiheit bildet. Freiheit bedeutet also, in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Moment eines völlig undistanzierten Aufgehen im Sozialen und dem Moment einer völlig ungebundenen Selbstschöpfung zu stehen (vgl. Rebentisch 2011, S. 17-20).
Weiterhin betont Rebentisch, dass sich die Veränderung durch die erste Natur niemals ausschließlich im Privatem finden lässt. Veränderung der einzelnen Subjekte können weitgehende Konsequenzen für die soziale Struktur haben. Denn wenn ich Veränderungen meiner selbst in der Welt, wie sie bereits besteht nicht umsetzen kann, muss sich zwangsläufig die Struktur dieser Welt ändern, damit ich diese weiterhin bewohnen kann.

Verteidigung eines ästhetisierten Freiheitsverständnisses

Zum Schluss ihres Essays fasst Rebentisch die Konsequenzen zusammen, die sich aus der vorher betriebenen Verteidigung eines ästhetisierten Freiheitsverständnisses ergeben haben. Diese Konsequenzen lassen sich nach meinem Verständnis am besten in drei Kategorien einordnen, die systematischen, die normativen und die politischen Konsequenzen; Auf diese werde ich nun näher eingehen.

Die systematischen Konsequenzen

Rebentisch hält fest, dass eine Kritik sowohl an abstrakten als auch an subjektivistischen Freiheitsmodellen grade in unserer Zeit berechtigt ist. Wir leben in einer Welt, in der Einzelne sich immer wieder flexibel auf neue Projekte mit immer anderen Erwartungen einstellen sollen. Gleichzeitig sollen sie sich darin auch noch selbst verwirklichen können und Lust an ihrer Arbeit finden. Dieses Modell von Freiheit, so hat auch Hegel es analysiert, kommt einem Freiheitsverlust, keinem -gewinn nahe.
Gleichzeitig sollte man allerdings von dieser Kritik aus nicht sofort Aspekte eines ästhetisierten Freiheitsbegriffes verwerfen, die nach genauerer Analyse, so Rebentisch, nichts mit subjektivistischen Motiven zu tun hat. Rebentisch hält fest, dass dieses Freiheitsverständnis sogar eher anti-subjektivistisch orientiert ist.
Wenn nun im ästhetisierten Freiheitsbegriff nur die, vor allem von Hegel geschilderte, Freiheit vom Sozialen betrachtet wird, vergisst man die Dialektik, die diese Freiheit ausmacht. Letztlich hält Rebentisch fest, dass ein Mensch nur im Spannungsverhältnis zwischen Freiheit vom Sozialen und sozialer Freiheit zu wirklicher Freiheit gelangen kann. Wir brauchen somit die in der Dialektik dieser Freiheit gegeben soziale Integration und die anarchische Desintegration, so Rebentisch (vgl. Rebentisch 2012, S. 185-186).

Die normativen Konsequenzen

Normativ betrachtet gilt festzuhalten, dass eine Ästhetisierung des Freiheitsbegriffes nicht zugleich eine Abkehr von der normativen Dimension der Ethik ist, wie ihr oft vorgeworfen wird. Rebentisch hält grade die ästhetisierte Freiheit für am besten geeignet, um über die Frage, was das für die Gesellschaft Gute ist, zu urteilen. Denn diese Frage kann vor allem dann gestellt werden, wenn die einzelnen Subjekte der Gesellschaft in der Lage sind, in Distanz zu ihrer jeweiligen Rolle als Teilnehmer an einer sozialen Praxis zu treten. Diese Distanz, verdeutlicht in wechselvollen (und somit ästhetischen) Lebensweisen, ist immanenter Bestandteil für die Frage, was normativ als gut angesehen werden kann. Die Erfahrung der Distanz ist laut Rebentisch Voraussetzung für eine Aneignung oder Veränderung der sozialen Praxis. Und nur durch diese Modifikationsmöglichkeiten der Gesellschaft kann es die Möglichkeit geben, einen vollen Begriff praktischer Normativität zu bilden (vgl. Rebentisch, S. 186).

Die politischen Konsequenzen

Politisch hält Rebentisch es für wichtig, sich gegen eine neoliberale Politik auszusprechen, die versucht ein abstraktes und subjektivistisches Freiheitsverständnis wiederzubeleben. Doch auch hier, wie schon in den systematischen Konsequenzen zu finden, betont sie, dass die Freiheit nicht wieder einseitig als vollkommene Übereinstimmung des Subjekts mit seiner sozialen Rolle verstanden werden sollte. Auch wenn wir den Zwang zur permanent erwarteten Selbstveränderung kritisieren sollten, kann die gegenläufige Forderung nicht eine stabile Ordnung sein, in der jedes Individuum einen festen Platz hat, welcher nicht hinterfragt werden kann oder soll.
Die Forderung sollte nach Rebentisch ein Begriff von Selbstbestimmung sein, der die Distanz zur zweiten Natur, also zum Sozialen, als Voraussetzung unserer Freiheit sieht. Es kann nach Rebentisch keine Freiheit geben, wenn die Individuen nicht die Möglichkeit zum Hinterfragen und zum Erneuern der sozialen Ordnung haben. Die soziale Ordnung muss einer Dynamik unterliegen.
Diese Dynamik könnte aber, in einer sozialen Ordnung, die nach ständiger Selbstverwirklichung, Flexibilität oder Eigenverantwortung fordert, auch bedeuten, auf die Entschleunigung seines eigenen Lebens zu bestehen. Wir sollten nach Rebentisch also Selbstbestimmung fordern, die uns ermöglicht in Distanz zu unserer Rolle zu treten und uns dann gegebenenfalls aus dieser Rolle emanzipieren (vgl. Rebentisch 2012, S. 186-187).

Juliane Rebentisch- ein lesenswerter Essay

Abschließend nun mein Fazit, wieso ich den Beitrag als außerordentlich lesenswert empfinde.
Als erstes finde ich die Theorie der inneren Natur sehr spannend und von Rebentisch sehr nachvollziehbar formuliert. Ich empfinde die Schilderung, dass die innere Natur uns selbst nicht bewusst ist und sie nur dann ihre Regungen zeigt, wenn sie auf Ereignisse der zweiten Natur reagiert, sehr passend. Die innere Natur verhilft uns so, unsere eigenen Ansichten zu verändern oder zu verifizieren und kann schlussendlich dann sogar auf die zweite Natur übergreifen und uns helfen, diese zu verändern.
Außerdem empfinde ich Rebentischs Blickwinkel auf die Frage, was Freiheit bedeutet, als neu. Freiheit heißt dann, dass wir die Möglichkeit haben, uns differenziert zu uns selbst zu verhalten und neue Ansichten entwickeln zu können.
Ihre detaillierte Darstellung von Hegels Kritik an den romantischen Ironikern hilft hier, auch wenn ich sie an manchen Stellen als sehr kompliziert beschrieben empfunden habe, ihre spätere Kritik an eben diesen Ansichten zu verstehen und diese nachvollziehen zu können. Ihre Kritik an Hegel ist pointiert und nachvollziehbar formuliert.
Zuletzt bleibt ihr Fazit, welches ich als sehr spannend empfunden habe: Sie distanziert sich deutlich von einem neo-liberalen Verständnis von Freiheit, ohne in das genaue Gegenteil einer strengen und nicht hinterfragbaren Ordnung zu verfallen. Es gelingt ihr so eine spannende und lesenswerte Verteidigung eines ästhetisierten Freiheitsbegriffes.

Literaturverzeichnis:

Braune, Andreas (2014): Hegels Kritik der romantischen Freiheit. In: Ries, Klaus/ Dreyer, Michael (Hg.): Romantik und Freiheit. Wechselspiele zwischen Ästhetik und Politik. Heidelberg 2014, S. 181-198.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1820): Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, herausgegeben und eingeleitet von Bernhard Lakebrink, Kitzingen.

Heinrich-Böll-Stiftung e.V.: Juliane Rebentisch. Philosophin, Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main. https://www.boell.de/de/person/juliane-rebentisch-0 , abgerufen am 08.08.2020

Jörissen, Benjamin (2017): Subjektivation und „ästhetische Freiheit“ in der post-digitalen Kultur. https://www.kubi-online.de/artikel/subjektivation-aesthetische-freiheit-post-digitalen-kultur , abgefragt am 08.08.2020

Rebentisch, Juliane (2011): Die Kunst der Freiheit. Zur Dialektik demokratischer Existenz, Berlin.

Rebentisch, Juliane (2012): Hegels Missverständnis der ästhetischen Freiheit“ in: Menke, Christoph; Rebentisch, Juliane (Hrsg.): Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus, Berlin, S. 172-190

Wirth, Uwe (Hrsg.) (2017):“Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch“, Stuttgart.

Bildquellen:

https://www.kulturverlag-kadmos.de/buch/kreation-und-depression.html

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