Allgemeines

Lehrende:r
Marcella Fassio

Foto Marcella Fassio.

Veranstaltung
Deutschsprachige Regionalliteraturen im Vergleich

Modul
ger 221 – Gattungen, Gattungstheorien und Motive

Studiengang
Bachelor of Arts: Germanistik, Master of Education (Sonderpädagogik/Wirtschaftspädagogik): Germanistik

Fakultät
Fakultät III – Sprach- und Kulturwissenschaften

Institut
Institut für Germanistik

Semester
SoSe 2021

Turnus
Block

Anzahl Studierende
18

KP des Moduls
6

Prüfungsform
Referat mit Ausarbeitung

Förderprogramm
Maßnahme im Rahmen des Hochschulpakt 2020
Projekt „Innovation plus“ (2020/21); Nummer 140
hier: Projektantrag vom 30.08.2019
Hauptantragsteller: Dr. Haimo Stiemer

Kategorien
Digitale Medien
Forschendes Lernen
Innovation+
Lernmodule
Online-Meetings
Sprach- und Literaturwissenschaften
Stud.IP

In der digitalen internationalen Tandem-Lehrveranstaltung „Deutschsprachige Regionalliteraturen im Vergleich“ widmeten sich Germanistik-Studierende der Universität Oldenburg zusammen mit Germanistik-Studierenden der Palacký-Universität in Olomouc (Tschechien) dem Phänomen der Regionalliteratur. Das Seminar fand im Rahmen des Förderprogramms „Innovative Lehr- und Lernkonzepte: Innovation Plus“ sowie der Germanistischen Institutspartnerschaft Olomouc/Oldenburg statt.

Die Lehrveranstaltung war Teil des literaturwissenschaftlichen Moduls „Gattungen, Gattungstheorien und Motive“ und wurde im Sommersemester 2021 als digitales Blockseminar abgehalten. Das Modul, bestehend aus einem Seminar (2 SWS) und einer Übung (2 SWS), vermittelt grundlegende literaturwissenschaftliche Arbeitstechniken und Kenntnisse der Literaturwissenschaft anhand literarischer Gattungen und Motive. Der Fokus der Lehrveranstaltung lag auf literarischen Texten und Autor*innen des späten 19. Jahrhunderts und frühen 20. Jahrhunderts aus dem nordwestdeutschen Raum und den Böhmischen Ländern. Durch die Lehrveranstaltung sollten zum einen neue digitale Arbeitstechniken in der Literaturwissenschaft erprobt werden. Zum anderen war es das Ziel, durch die virtuelle internationale Mobilität interkulturelle Kompetenzen einzuüben und zu festigen. Die Lehrveranstaltung verband dabei den Ansatz eines forschungsorientierten Lernens mit der Aneignung literaturwissenschaftlicher Kenntnisse und Arbeitsmethoden der Digital Humanities. Die Studierenden erhielten somit einen Einblick in ein Forschungsfeld, das in der literaturwissenschaftlichen Lehre bisher kaum einbezogen wird, sowie in literarische Texte jenseits des literarischen Kanons. Zudem ermöglichte es die Tandem-Struktur der Lehrveranstaltung, Studierende und Lehrende einer ausländischen Universität kennenzulernen und sich zu vernetzen.

Inhalte und Lernziele

Ziel der Lehrveranstaltung war zum einen, dass die Studierenden eine interkulturelle Perspektive auf ihre Fachdisziplin gewinnen und, dass sie zum anderen grundlegende Erfahrungen im Umgang mit digitalen Arbeitsmethoden in der Literaturwissenschaft sammeln. Die Auseinandersetzung mit literarischen Texten bislang relativ unbekannter Autor*innen der Böhmischen Länder sowie des nordwestdeutschen Raums sollte ein übergreifendes Verständnis der spezifischen literarischen Regularitäten sowie der ‚allgemeinen‘ Bedingungen und Erscheinungsformen des Schreibens in der ,Provinz‘ ermöglichen. Leitende Fragen für das Seminar waren: Was umfasst Regionalliteratur? Weist Regionalliteratur bestimmte Themen und Motive auf? Und inwieweit lassen sich Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen deutschsprachigen Regionalliteraturen finden?

Diese Fragen gingen die Teilnehmenden mithilfe von digitalen Analysetools (CATMA) in selbstorganisierten Arbeitsgruppen nach. Die einzelnen Sitzungen wurden zudem von unterschiedlichen Dozierenden der Universität Oldenburg (Marcella Fassio, Dr. Haimo Stiemer) und der Palacký-Universität in Olomouc (Prof. Dr. Jörg Krappmann, Dr. Alžběta Peštová, Dr. Milán Horňáček) gestaltet.

Die Lehrveranstaltung beinhaltete folgende Teile und Themen:

  • Einführung in die thematischen Schwerpunkte (Begriffe: Region, Provinz, Heimat; Epoche: literarische Moderne)
  • Kennenlernen der Studierenden aus Oldenburg und Olomouc sowie Vorstellung der Lehrenden der Standorte
  • Einführung von Dr. Haimo Stiemer in grundlegende Arbeitsmethoden der digitalen Literaturwissenschaft, in Analysetools (Google Ngram Viewer, Voyant Tools) sowie in die Annotation und Analyse mit CATMA (Computer Assisted Textual Markup & Analysis); selbstständige Erprobung des Umgangs mit dem Tool CATMA anhand eines kurzen literarischen Textes
  • Eigenständige Annotation und Auswertung von ausgewählten Romanen (Junge Triebe von Ernst Wolfgang Freissler, Das Licht der Heimat von August Hinrichs, Unter den Blutbuchen von Emmi Lewald, Der Fenriswolf von Karl Hans Strobl) in selbstorganisierten, binationalen Arbeitsgruppen sowie Präsentation der Ergebnisse
  • Input von den Lehrenden aus Oldenburg und Olomouc zu den thematischen Schwerpunkten Regionalliteratur als Wissensspeicher (Prof. Dr. Jörg Krappmann, Marcella Fassio), Regionalliteratur und weibliche Autorschaft (Prof. Dr. Jörg Krappmann, Marcella Fassio), Moderne und Provinz (Dr. Alžběta Peštová), Rezeption des Ersten Weltkriegs in der Literatur der böhmischen Länder (Dr. Milán Horňáček)
  • Auseinandersetzung mit den Themen Prager Kreis und Prager deutsche Literatur, Konfliktgemeinschaften in der Regionalliteratur (anhand der Lektüre von Rainer Maria Rilkes Die Geschwister), Grenzlandliteratur (anhand der Lektüre eines Auszugs aus Um Michelburg von Karl Wilhelm Fritsch), Künstlerkolonie Worpswede (Lektüre eines Auszugs aus Worpswede von Rainer Maria Rilke), Regionalliteratur und Heimatkunstbewegung (anhand der Durchführung einer eigenständigen CATMA-Analyse eines Auszugs aus Herman Löns Das zweite Gesicht)
  • Vergleich unterschiedlicher Konzepte von Regionalliteratur und Rückbindung der theoretischen Positionen an die analysierten literarischen Texte
  • Ausblick auf weitere Regionalliteraturen (Bukowina, Baltikum, Schlesien)
  • Talk mit Dr. Silke Pasewalck und Jan Vaclav König vom Bundesinstitut der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) zum Forschungsprojekt „Geteiltes Erbe – Interferenzen in der Literatur des östlichen Europas“ und zu Erfahrungen in Forschung und Lehre in der Germanistik in Estland, Polen, Tschechien und der Slowakei
  • Zusammenfassung und Reflexion der Seminarergebnisse; Evaluation

(Lern-)Aktivitäten der Studierenden

Die Studierenden sind den zentralen Fragen der Lehrveranstaltung in themenbezogenen binationalen Arbeitsgruppen nachgegangen. Für die Veranstaltung wurde in Stud.IP eine Lernumgebung geschaffen, durch die Teilnehmenden auf alle Dateien zugreifen, zusammenarbeiten und kommunizieren konnten. Mithilfe von CATMA konnten die Studierenden asynchron und ortsunabhängig gemeinsam literarische Texte bearbeiten und analysieren. Über kollaborative Arbeitsumgebungen (Etherpads) und eigene Meeting-Räume (über BigBlueButton) konnten die Teilnehmenden in ihren Arbeitsgruppen miteinander kommunizieren, ihre Ergebnisse austauschen und diskutieren.

Nach einer grundlegenden Einführung erprobten die Studierenden selbstständig den Umgang mit dem Tool CATMA anhand eines kurzen literarischen Textes. Nachfolgend wurden die Studierenden in vier Arbeitsgruppen aufgeteilt und für die Gruppenarbeit und die Analyse angeleitet. Ziel der Gruppenarbeit war es, einen Roman der Regionalliteratur selbstständig mithilfe von CATMA zu erschließen und auszuwerten (siehe Abbildung 1).

Ausschnitt aus dem Tool CATMA, mit Hilfe dessen Studierende in Gruppenarbeit einen Roman der Regionalliteratur ausgewertet haben. Links sind Farbmarkierungen im Text und rechts die entsprechenden Legenden und Konfigurationen.
Abbildung 1

Die Texte wurden vorher mittels einer OCR-Erkennung aufbereitet und den Teilnehmenden in Form von Digitalisaten bereitgestellt. Für den kollaborativen Arbeitsprozess teilten die Studierenden den Text untereinander auf und nahmen in Einzelarbeit Annotationen vor, die sie dann in der Gruppe verglichen und diskutierten (siehe Abbildung 2).

Ausschnitt aus dem Tool CATMA mit Legende zu Farbmarkierungen.
Abbildung 2

Nach der Annotation erfolgte die Auswertung mithilfe von Auswertungstools wie Keyword in Context, Distribution Chart, WordCloud, Doubletree (siehe Abbildungen 3, 4, 5). Diese Arbeit erfolgte zum einen während der regulären Seminarzeiten, zum anderen zwischen den Seminarsitzungen. Die Teilnehmenden erhielten Unterstützung durch fachliche Inputs und Anleitungen zum Annotieren sowie zu den Möglichkeiten der Annotationsauswertung. Außerdem gab es in den Sitzungen Raum für Fragen sowie zwischen den Sitzungen zwei Ansprechpartner*innen für technische Schwierigkeiten. In der letzten gemeinsamen Tandem-Sitzung stellten die vier Gruppen ihre Arbeitsergebnisse mithilfe einer Präsentation vor und diskutieren diese untereinander. Die Präsentationen und Handouts wurden allen Teilnehmenden bereitgestellt. Für die schriftliche Ausarbeitung entwickelten die Studierenden aus den Präsentationen selbstständig eine spezifische Forschungsfrage.

Ausschnitt aus einer Auswertung der Ergebnisse mit dem Tool Distribution Chart (bunte Graphen).
Abbildung 3
Ausschnitt aus einer Auswertung der Ergebnisse mit dem Tool Wortcloud (Wörterwolke mit verschieden großen Wörtern).
Abbildung 4
Ausschnitt aus einer Auswertung der Ergebnisse mit dem Tool Doubletree. Das Hauptwort "Haus" steht in der Mitte; links und rechts sind zugehörige Wörter mithilfe von Strängen mit dem Hauptwort verbunden.
Abbildung 5

In den darauffolgenden Sitzungen der zweiten Semesterhälfte erhielten die Studierende weitere Einblicke in zentrale Themen der Regionalliteratur, sie bearbeiteten selbstständig Courseware-Aufgaben zu diesen Themen und führten eine weitere CATMA-Analyse zu einem literarischen Text durch. Teil der Lernaktivitäten waren zudem die Lektüre weiterer Auszüge aus literarischen Texten sowie aus ausgewählter Sekundärliteratur, die in den synchronen Sitzungen besprochen wurde. Zudem wurden die Tandem-Struktur sowie die digitalen Analysemethoden gemeinsam reflektiert. Ergänzt wurde das Seminar durch einen Talk mit Dr. Silke Pasewalck und Jan Vaclav König vom BKGE, durch den die Teilnehmenden einen weiteren Einblick aus der Forschungspraxis erhielten.

Prüfung und Bewertung

  • Präsentation mit Ausarbeitung
  • Aktive Teilnahme durch Vorbereitung, Nachbereitung, Bearbeitung von Aufgaben, Teilnahme an den Sitzungen und Seminarreflexion
  • Die Prüfungsleistung wird mithilfe von Bewertungskategorien (Aufbau/Struktur, Analyse, Einhaltung wissenschaftlicher Standards, wissenschaftlicher Stil, Formalia) benotet; diese Bewertungskategorien wurden in der Lehrveranstaltung transparent gemacht; im Anschluss der Bewertung erhalten die Studierenden eine Übersicht der Bewertungskategorien inkl. Erläuterungen zu positiven und negativen Punkten ihrer schriftlichen Ausarbeitung

Evaluation und Erfahrungen

Positiv hervorgehoben wurde von den Teilnehmenden die Zusammenarbeit in den Gruppen, die Möglichkeit, eigenständig zu forschen, das Kennenlernen von neuen Analysemethoden und unterschiedlicher Dozierenden, der Einblick in ein Forschungsprojekt sowie die Unterstützung und Anleitung seitens der Dozierenden.

Als verbesserungswürdig wurde der sehr hohe Arbeits- und Zeitaufwand der Lehrveranstaltung herausgestellt. Des Weiteren erwies sich der Umgang mit den digitalen Analysetools zum Teil als große Herausforderung. Hervorgehoben wurde zudem der Wunsch nach einem stärkeren persönlichen Austausch zwischen den Studierenden. Die Erfahrungen haben insgesamt gezeigt, dass das Interesse an einem internationalen Austausch sowie an neuen Analysemethoden sehr groß ist und etabliert werden sollte. Für zukünftige Tandem-Lehrveranstaltungen wäre es sinnvoll die zeitliche Struktur des Seminars anzupassen und die Sitzungen über das gesamte Semester hinweg zu verteilen, um so der Arbeitsbelastung der Studierenden entgegenzuwirken. Außerdem sollte mehr Raum für persönlichen Austausch gegeben werden, z.B. durch informelle Kick-off-Veranstaltungen jenseits des Seminars. Auf Wunsch der Studierenden wurde bereits eine Studierendengruppe auf Stud.IP eingerichtet, in der der Austausch über das Seminar hinaus von den Teilnehmenden selbst organisiert und gestaltet werden kann.