Die verarmte, unglückliche Familie. Eine schreckliche Begebenheit, welche sich in Frankreich zugetragen hat. Nebst einem schönen Liede.

Landesbibliothek Oldenburg, Spr XIII 4c 2a:3,121

Das Heftchen besteht aus acht Seiten, wovon die erste Seite die Titelseite ist; auf der achten Seite ist ein Lied zu finden. Bis auf einige Flecken und Einrisse an den Außenkanten ist das Heftchen gut lesbar. Das Papier des Heftchens hat einen gelblichen Ton. Der Aufbau des Heftchens ist in Titelblatt, Geschichte und Lied gegliedert. Das Lied besteht aus fünf Strophen mit je sechs Versen. Während das Lied nur eine Seite einnimmt, besteht der Prosatext aus sechs Seiten. Außer, dass auf der Titelseite ein kleines Emblem zu sehen ist, gibt es keine weiteren Bilder. Zum größten Teil wurde der Prosatext ohne Absätze oder Einrückungen geschrieben. Außerdem wurde das Heftchen nicht in Kapitel gegliedert. Lediglich zwischen der Geschichte und dem Lied ist eine begrenzende Markierung zu finden. Das Titelblatt ist mit einer blumenähnlichen Girlande verziert und beinhaltet den Titel sowie das kleine Emblem. Es wurde, passend zum Thema, düster und traurig gestaltet. Der Titel verrät, dass es in der Geschichte um eine Familie aus Frankreich geht, die in Armut gefallen ist. Es handelt sich um eine klassische Familientragödie, wobei die Themen Familie, Arbeit, Armut, Betrug und Selbstmord thematisiert werden.  

Zusammenfassung | In dem Kolportageheftchen geht es um eine glückliche Familie, die aus wohlhabenden Verhältnissen kommt. Der Vater Franz verliert seinen Job und seine Familie fällt in Armut. Er findet in der Umgebung keine neue Arbeit, weshalb er sich dazu entscheidet, auf einem Schiff zu arbeiten, auf dem er sehr geschätzt wird. Dennoch kann er damit seine Familie nicht ernähren. Als er zusätzlich einen Brief seiner Frau erhält, in welchem sie über den schlechten Zustand der Familie berichtet, stiehlt Franz das Gold des Schiffarztes. Da Franz ein sehr aufrichtiger Mann ist, plagt ihn das schlechte Gewissen. Der Diebstahl fällt schnell auf, woraufhin alle Schiffsleute kontrolliert werden – ohne Erfolg. Als das Schiff wieder am ursprünglichen Hafen anlegt, wird Franz’ Kabine durchsucht, weil er sich in den Augen seiner Kammeraden komisch verhielt. Franz erschießt sich aus Scham. Auch eines seiner Kinder stirbt, nachdem es aus dem Bett gefallen ist, und die Mutter bringt sich mit einem weiteren Kind im Meer um. Bei der Beerdigung der Familie bleibt noch ein Sohn der Familie übrig. Er bittet Gott um Verzeihung für die Taten seiner Familie. Daraufhin nimmt ein wohlhabender Kaufmann den kleinen Jungen zu sich. Den Schluss bildet ein Lied, worin über die Tat von Franz, seinen Selbstmord und das Schicksal der Kinder berichtet wird 

Sozialer Abstieg – und dann? | Ein interessanter Aspekt dieses Kolportageheftchens ist der soziale Abstieg von Franz und die damit einhergehende Kriminalität. Franz war glücklich mit seiner Familie und seinem Job, bevor er durch ein Geschäft mit einem anderen Mann alles verlor. Auf dem Schiff, worauf er daraufhin arbeitete, überkam ihm die Ausweglosigkeit und er begann aus Verzweiflung zu klauen. Vermutlich konnte sich Franz vor dieser Zeit nicht vorstellen, dass er jemals in diese Situation kommen würde. Nicht nur die Lebensweise von Franz änderte sich, sondern damit einhergehend seine Werte und Normen. Was will das Heftchen uns mit dieser tragischen Geschichte vermitteln? Wenn man sich die Situation vor Augen führt, dann stellt man fest, dass sie allgegenwärtig ist und es auch heutzutage noch Menschen gibt, die durch Geschehnisse verarmen und durch die Verarmung kriminell werden. Der Unterschied hierbei ist: Wir leben in einer Zeit mit anderen Möglichkeiten. Was genau die Moral der Geschichte ist, wird nicht explizit geschildert, dennoch schafft sie es unserer Meinung nach, die Rezipienten zum Nachdenken anzuregen und ihre Sicht auf die Dinge der Welt zu überdenken.

Religionsbezüge | Religion ist in Kolportageheftchen nicht nur ein verbreitetes Thema; zu den Texten, die Kolporteure im 19. Jahrhundert vertrieben, gehörten auch christliche Traktate und andere religiöse Textsorten. In dem Text Die verarmte, unglückliche Familie ist der Gottesbezug kein Zufall, sondern hängt stark mit der Moral der Geschichte zusammen: Wie beschrieben, bittet der übriggebliebene Sohn nach den Gräueltaten seiner Familie Gott um Verzeihung, was schlussendlich dazu führt, dass die Geschichte sogar ein glückliches Ende nimmt. Diese Wendung führt dem Leser und der Leserin die Gnade Gottes vor Augen.

Ria Bussen / Tobias Schütte / Sina Spannhoff