Der Schwur der Treue, oder die erzwungene Ehe. Eine traurige Begebenheit des väterlichen Zornes. Eine wahre Geschichte des vergangenen Jahres.

Und

Fortsetzung der Geschichte: Der Schwur der Treue, nebst einem dazu verfaßten Liede.

Landesbibliothek Oldenburg, Spr XIII 4c 2c:1,8 [1]

Das Bänkelsang-Heftchen Der Schwur der Treue, oder die erzwungene Ehe. Eine traurige Begebenheit des väterlichen Zornes. Eine wahre Geschichte des vergangenen Jahres (Landesbibliothek Oldenburg, Spr XIII 4c 2c:1,8 [1], vgl. Koolman 1990: 487a, vgl. Schenda 1971: 820) wurde im Jahr 1845 bei W. Plötz in Halle gedruckt. Anzumerken ist, dass zu diesem Heftchen ein zweiter Teil gehört, der den Titel Fortsetzung der Geschichte: Der Schwur der Treue, nebst einem dazu verfaßten Liede (Landesbibliothek Oldenburg, Spr XIII 4c 2c:1,8 [2], vgl. Koolmann 1990: 487b und Schenda 1971: 820) trägt und ebenfalls bei W. Plötz gedruckt wurde.

Das erste Heftchen besteht aus dem – für Bänkelsang-Heftchen häufig verwendeten – Quartformat und beinhaltet demnach acht bedruckte Seiten. Anders als in vielen anderen Heftchen der Oldenburger Sammlung ist die Prosaerzählung dieses Heftchens jedoch nicht in sich abgeschlossen. So setzt sich dieser erste Teil aus einem Titelbild sowie aus einem Prosatext zusammen, der im zweiten Heftchen, welches insgesamt nur vier bedruckte Seiten enthält, über drei Seiten fortgeführt wird. Auf der letzten Seite ist hier ein Lied abgedruckt, das eine verkürzte Version der Geschichte enthält. Insgesamt lässt sich bestätigen, dass die beiden Bänkelsang-Heftchen zusammen die drei typischen strukturellen Bestandteile von Bänkelsang-Drucken umfassen.

Landesbibliothek Oldenburg, Spr XIII 4c 2c:1,8 [1], 4v

Das erste Heftchen schildert, wie die Liebe eines jungen Paares zu scheitern droht. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Ständemotiv; schließlich gibt es „eine große Kluft“ (a: 2f.)  zwischen Emma und Wilhelm, die sich einerseits in Reichtum und andererseits in Armut äußert. So soll Emma auf Anordnung ihres Vaters anstelle von Wilhelm einen Bremer Kaufmann heiraten (vgl. ebd., 4). Folglich wird mit der ‚Arm-Reich-Thematik‘ ein populäres und für damalige Verhältnisse aktuelles Thema behandelt, was auch dadurch bekräftigt wird, dass es sich – so auf der Titelseite beschrieben – um „[e]ine wahre Geschichte des vergangenen Jahres“ (ebd., 1) handelt. Ein weiteres Thema ist die Eifersucht, die sich hier als mütterliche Missgunst gegenüber der Geliebten des Sohnes ausgestaltet findet. Wilhelms Mutter empfindet beispielsweise einen „tödtliche[n] [sic!] Haß [sic!]“ (ebd., 5) auf Emma, als sich Emma und Wilhelm vor dessen Abreise zum Studium die gegenseitige Treue schwören und sie feststellt, dass ihr Sohn nur Gedanken für Emma habe; dabei habe sie ihrem Sohn alles ermöglicht (vgl. ebd., 4f). Indem die Mutter allein Emma dafür verantwortlich macht, das Verhältnis zwischen Wilhelm und ihr zu unterwandern, offenbart sich eine gewisse Oberflächlichkeit des Erzählten (vgl. ebd., 5, 8). Hieraus lässt sich schließen, dass der vorliegende Text einer niedereren Literaturgattung angehört. Zudem erscheint es etwas banal, dass der Bremer Kaufmann während Wilhelms dreijähriger Studienzeit nicht bei Emma erschienen ist, was dann jedoch kurz nach Wilhelms Rückkehr der Fall ist (vgl. ebd., 5). Gleichzeitig verschaffen diese Aspekte der Geschichte aber auch die für die Kolportage-Literatur charakteristischen „Spannungsreize[…]“ (Meier 2007, 286). Diese haben zur Folge, dass die Leserin oder der Leser an verschiedenen Stellen in die Geschichte miteinbezogen und die „Sensationslust“ (ebd.) gesteigert wird. Schließlich schaffen Emma und Wilhelm es dennoch – nachdem sie viele Hindernisse überwunden haben – sich unter einfachen Umständen trauen zu lassen (vgl. a: 6ff.). Doch damit nicht genug, denn es müssen auch noch die Schulden bezahlt werden, die Wilhelms Mutter für das Studium ihres Sohnes aufnehmen musste (vgl. ebd., 2, 8). Da hierfür jedoch das Geld fehlt, erhält der Darleiher nun das Haus von Wilhelms Mutter, woraufhin diese obdachlos wird und Wilhelm ihr vorschlägt, bei ihm und Emma zu wohnen (vgl. ebd., 8). Die Mutter lehnt dieses jedoch vehement ab und so endet der erste Teil damit, dass sie verschwindet und „heute noch […] [ihr] Grab […] suchen“ (ebd.) werde.

Darunter ist ein Verweis auf eine Fortsetzung der Geschichte auf einem anderen Druckbogen zu finden, weshalb sich hier ein Zugang mithilfe der literaturwissenschaftlichen Serialitätsforschung besonders anbietet (vgl. ebd.). Die Geschichte ist nicht abgeschlossen, sondern wird „an einer besonders spannenden Stelle“ (Fröhlich 2018, 12) unterbrochen: Beim Lesen des Endes vom ersten Heftchen bleiben Fragen unbeantwortet. So ist zum Beispiel unklar, ob Wilhelms Mutter tatsächlich sterben oder sich gar noch an Emma rächen wird. Die Leserin oder der Leser wird auf diese Weise mit in die Geschichte einbezogen; seine Neugierde, über mögliche folgende Handlungsstränge zu spekulieren, wird geweckt (vgl. ebd., 12ff.). Folglich lässt sich hier ein Cliffhanger ausfindig machen (vgl. ebd.). Dieser – für serielle Erzählungen – relevante Aspekt bewirkt ein fortbestehendes Interesse der Leserin oder des Lesers bezüglich des weiteren Handlungsverlaufs und baut ein „Treueverhältnis“ (ebd., 6) zum Medium Heftchen auf (vgl. ebd., 13). Der Hinweis auf eine Fortsetzung der Geschichte des Bänkelsang-Heftchens deutet zudem auch auf ein „ökonomisches Interesse“ (ebd., 15) hin, indem der finanzielle Aspekt des Geldverdienens sicherlich eine wesentliche Rolle spielte (- in Bezug auf den Kolporteur, die Druckerei etc.). Diese vorgestellten Ansätze würden sich ebenfalls dazu anbieten, vertieft zu werden. So markiert die Aufteilung der Geschichte in zwei Bänkelsang-Heftchen eine Besonderheit innerhalb der Oldenburger Sammlung.

Landesbibliothek Oldenburg, Spr XIII 4c 2c:1,8 [2], 1r

Der zweite Teil des Heftchens beginnt mit der Abreise Emmas und Wilhelms per Kutsche aus Lübeck, ohne dass dieser ihr von dem Gespräch mit seiner Mutter berichtet (vgl. b: 1). Infolgedessen bleiben die oben beschriebenen Fragen hinsichtlich der Mutter zunächst offen. Ihre Beantwortung erfolgt jedoch kurze Zeit später, als bei einem Unfall mit der Kutsche der Kutscher stirbt, woraufhin Wilhelm sich hilfesuchend umschaut und in der Nähe seine tote Mutter entdeckt (vgl. ebd.). Auch hier tritt eine Oberflächlichkeit des Erzählten auf, denn natürlich liegt Wilhelms Mutter an genau der Stelle, die das Paar nach „einige[n] Stunden“ (ebd.) passiert. Ähnliches zeigt sich, als plötzlich ein Polizist erscheint, der Wilhelm des Mordes an seiner Mutter und am Kutscher verdächtigt und das junge Paar zurück nach Lübeck ins Gefängnis bringt (vgl. ebd., 1f.). Dort ist ausgerechnet Emmas Bruder der Kriminalrat, der das Verhör mit beiden durchführt (vgl. ebd., 2). Emma wird freigelassen, während Wilhelm in seinem „Stumpfsinn“ (ebd.) behauptet, dass er der Mörder sei, woraufhin er ins Gefängnis gebracht werden soll (vgl. ebd.). Da taucht plötzlich Emmas Vater auf und Wilhelm kommt wieder zu Sinnen, fällt jedoch kurz darauf tot um (vgl. ebd., 3). Die Spannungskurve sinkt immer weiter ab, was dadurch verstärkt wird, dass auch Emma ein Jahr später stirbt (vgl. ebd.). Das zweite Heftchen endet mit der Reue des Vaters und einem Beweis der Unschuld Wilhelms (vgl. ebd.). Ergänzend dazu ruft ein Appell am Ende des Prosatextes dazu auf, seinen Kindern die Partnerwahl zu überlassen (vgl. ebd.) und stellt durch seine moralisierende Intention ein wichtiges Kennzeichen von Popularität dar.  

Abschließend lässt sich festhalten, dass beide Bänkelsang-Heftchen verschiedene Analyseansätze bieten. Zudem stellen sie – trotz der zum Teil vorkommenden Oberflächlichkeiten des Erzählten – eine „traurige“ (a: 1), aber ebenfalls spannende und unterhaltsame „Begebenheit“ (ebd.) dar.

Lara-Marie Jerominek