Ausführlicher Bericht über den Doppelmord aus Liebe und Geldsucht, welchen der Tischlergesell Fr. Wilhelm Steinecke am 24. August 1855 an seiner Braut und sich selbst in Hamburg verübt hat.

Landesbibliothek Oldenburg, Spr XIII 4c 2c:2,64

Das Kolportageheftchen Ausführlicher Bericht über den Doppelmord aus Liebe und Geldsucht, welchen der Tischlergesell Fr. Wilhelm Steinecke am 24. August 1855 an seiner Braut und sich selbst in Hamburg verübt hat wurde 1855 veröffentlicht. Der Text erstreckt sich über vier ungezählte Blätter. Auf dem Titelbild ist eine auffällige Graphik zu sehen: ein Holzschnitt (85 x 88 mm), der den Titel dominiert. Vor einem Gebäude sind zwei Figuren zu erkennen. Im Vordergrund des Bildes steht auf einer Straße ein Polizist in Uniform, der auf das Gebäude deutet (vgl. Schenda 1971, 1491). Auch das Wort „Doppel-Mord” ist prägnant abgesetzt, da es am größten gedruckt wurde, weshalb es im Folgenden als Titel verwendet wird. Bei der Druckerei des Kolportageheftchens handelt es sich um die Druckerei H. Klesser in Oldenburg.

Doppel-Mord beginnt mit der Vorstellung der 41-jährigen Marie Louise Pausewein, die gebürtig aus Lüneburg kommt. In Hamburg arbeitet sie als Köchin. Ihr Bräutigam heißt Friedrich Wilhelm Steinecke. Gemeinsam mit ihm spielt sie in der Hamburger „Classenlotterie“. Nach einiger Zeit verliert Steinecke jedoch die Motivation für das Glücksspiel. Seine Braut hingegen spielt weiter und hat kurz darauf eine Glückssträhne: Sie gewinnt viel Geld und wird daraufhin von Steinecke nach ihrem Gewinn gefragt. Pausewein aber will ihm nichts geben, sodass Steinecke zornig wird. Er beschließt, seine Ehefrau umzubringen. Nach einem versuchten Suizid erliegt er letztlich seinen Verletzungen. Bevor er stirbt, wird er von der Polizei vernommen, wobei er behauptet, dass seine Braut aus eigenem Willen erschossen werden wollte.

Die Textanalyse zeigt, dass es sich um einen heterodiegetischen Erzähler handelt. Auch ist eine Nullfokalisierung zu erkennen. Das Tempus ist nicht konstant. Auf Seite vier wechselt die Erzählung vom Präteritum zum Präsens, als die Polizisten versuchen in Pauseweins Zimmer zu gelangen, aus dem Schüsse und Schreie erklungen sind. Durch dieses Vorgehen wird auf die Situation aufmerksam gemacht und Spannung erzeugt. Das szenische Präsens wird mit den Worten: „Jetzt stellte sich in dem stillen, anständigen Bürgerhause das Schrecklichste dar!” (S. 4) beendet. So erfüllt das Tempus hier eine dramaturgische Funktion, die eine plötzliche Wendung im Text markiert. Der Text ist in Form eines Berichts verfasst. Es werden viele Fakten zu Marie Louise Pausewein genannt, unter anderem ihr Alter, ihr Wohnort und auch ihr Beruf. Zudem wird die Vorgeschichte von Friedrich Wilhelm Steinecke erläutert, nach der er häufiger umzog und seine Frau betrog, wofür er mit einem Gefängnisaufenthalt bestraft wurde. Doppel-Mord zeigt viele Aktualitätsbezüge. In dem Bericht werden zeitliche Eckdaten angegeben, dies sorgt für Glaubwürdigkeit und Authentizität. Durch die Nennung der Lotterie konnten die damaligen Leser*innen einen Bezug zu der Geschichte aufbauen und sich so besser mit den Figuren identifizieren. Des Weiteren ist es kein objektiver Bericht, sondern viele der getätigten Aussagen klingen wie Gerüchte. Beispielsweise beteuert der Erzähler, dass über Steinecke behauptet wird, er habe den Namen seines Stiefvaters übernommen. Ebenfalls wird geäußert, er sei „stets ein roher und raufboldiger Mensch” gewesen (S. 5). Auch Steineckes Aussage, dass Pausewein ihren Tod selbst wünschte, wird im Text als Behauptung dargestellt. Der Text beeinflusst so die Meinung der Rezipient*innen durch den Erzähler und steuert ihr Empfinden gegenüber der Figur des Doppelmörders.

Das anschließende Lied | Das Lied vom geldgierigen Tischler und Mörder hat eine Länge von sechs Strophen à acht Zeilen und verwendet einen Kreuzreim. Intention des Liedes ist es offenbar, die moralische Verwerflichkeit der Geldgier und ihre Folgen zu betonen. Innerhalb des Liedes lassen sich verschiedene Themen der Geschichte wiederfinden. In der ersten Strophe wird Geldgier thematisiert. Geld wird dabei als „böse Gabe” dargestellt. Die zweite Strophe appelliert daran, dass ein Jeder mit seinen jetzigen Lebensumständen zufrieden sein sollte. In der nächsten Strophe erfolgt der direkte Bezug zum Tischler der Geschichte. Ebenso wird seine Tat als mögliche Folge von Geldsucht präsentiert. Im Gegensatz zum Prosatext wird in der vierten Strophe nicht deutlich, dass der Tischler sich selbst umgebracht hat: „Als auch ihm das Herz durchdrungen / Die dreifache Kugel hat”. Die fünfte Strophe erweckt dann sogar den Anschein, dass der ermordeten Pausewein eine Mitschuld an ihrem eigenen Tod zugesprochen werden könnte: „Hätte sie auch nicht vertrauet / Jenem Schatz im Lottorad, / Wär’ ihr Leib auch nicht bethauet / Von dem Blut durch solche That.”

Landesbibliothek Oldenburg, Spr XIII 4c 2c:2,64

Dies stellt einen Unterschied zum Prosatext dar. Die letzte Strophe spannt den Bogen zur ersten Strophe zurück und bringt zum Ausdruck, dass man sich mehr auf das Positive im Leben konzentrieren sollte – so wird erneut an die Vernunft im Umgang mit Geld appelliert.

Mathis Albrecht / Marie Bockholt / Nicole Siemens / Linda Tappe